Heiko Maas sollte sich einmal mit Diokletian beschäftigen. Der römische Kaiser – traurig berühmt als brutaler Christenverfolger – führte im Jahr 301 die erste Lohn- und Preiskontrolle der Welt ein. Unter Androhung der Todesstrafe sollte sein Edikt sprunghaft steigende Preise drosseln. Doch Diokletian scheiterte mit der staatlichen Preiskontrolle kläglich.
Durch die gesetzliche Preisbremse verschwanden die betroffenen Produkte langsam vom Markt. Die Knappheit der Güter nahm zu, Schwarzmarktpreise stiegen umso schneller und das Gegenteil des Erhofften trat ein. Seit zwei Jahrtausenden gibt es immer wieder Nachahmer Diokletians und seiner Preisbremsenpolitik, und sie alle sind am gleichen Problem gescheitert.
Heiko Maas – als sympathisch-katholischer Saarländer und Todesstrafengegner eher eine Art Anti-Diokletian – könnte sich also den größten Fehler seines politischen Lebens ersparen, wenn er die Finger von staatlichen Preiskontrollen ließe. Macht er aber nicht. „Wohnungen sollen auch in Ballungsräumen bezahlbar bleiben”, fordert der frisch gebackene Bundesjustizminister. So weit, so gut. Doch dann kommt der Diokletian-Fehler: „Deswegen darf die Miete bei Wiedervermietungen nicht über zehn Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete erhöht werden.”
Heiko Maas will in Deutschland die große Mietpreisbremse einführen, und zwar schnell. Bis Ende Mai haben die Bundesländer nur noch Zeit, zu seinem Gesetzentwurf Stellung zu nehmen. Das Kabinett soll das Gesetz noch vor der Sommerpause auf den Weg bringen.
Die Immobilienbranche läuft inzwischen Sturm gegen die Mietpreisbremse und überbietet sich in vernichtender Kritik. Nun hat die Branche den Ruf von Vorstadtrockern, so dass kaum einer die Verbände hört. Man vermutet Bauspekulanten, Gierinvestoren, Makler- und Immobilienhaie, denen man ruhig einmal gesetzliche Preiszügel anlegen könne. Ihre Argumente werden ignoriert. Dabei haben sie mit ihren Mahnrufen einfach nur Recht.
Das Hauptproblem besteht darin, dass eine Mietpreisbremse letztlich dazu führt, dass Investitionen in den Wohnungsbau tendenziell gedrosselt werden. Das Angebot wird also nicht erweitert, die Knappheit verfestigt sich, das Problem spitzt sich zu. Eine Mietpreisbremse schadet am Ende just jenen, denen sie eigentlich helfen soll. Vier Effekte spielen dabei eine Rolle.
Wie ein Bauboom ausgelöst werden könnte
Erstens wird durch Mietpreisbremsen die Wohnqualität sinken, weil Vermieter einen sinkenden Anreiz haben, bei einem Mieterwechsel aufwändig zu renovieren. Je stärker die Mietpreise staatlich gedeckelt werden, desto dürftiger werden Gebäude und Wohnraum intakt gehalten. Den Extremeffekt dieser Politik konnte man an den Häusern in der DDR beobachten.
Zweitens bremst eine Mietpreisbindung die Neubauinvestitionen, auch wenn die Deckelung erst ab der Zweitvermietung gültig wird. So oder so werden die Ertragsaussichten geschmälert, der Investitionsanreiz also gesenkt.
Drittens wird es langfristig weniger Mietwohnungen geben, denn Investoren werden bei sinkenden Renditen eher verkaufen als weiter vermieten. Die Abnahme des Mietraumes kann man in Ländern mit langjährigen Mietpreisbremsen gut beobachten. In Spanien zum Beispiel verschwand letztlich sogar die Masse der Mietobjekte zugunsten von Eigentumswohnungen.
Viertens sorgt eine Mietpreisbremse für die Entstehung eines grauen Mietmarktes, auf dem Vermieter die Gängelung zu umgehen versuchen. Von absurden Abstandszahlungen für Einbauten bis zur systematischen möblierten Vermietung (in Österreich konnte man das studieren) reicht dann das Spektrum eines deformierten Marktes, der nicht mehr frei organisiert ist.
Alle vier Effekte schaden am Ende den Mietern. Für sie wird die Lage mit einer Mietpreisbremse eher schlechter als besser. Nach einer Umfrage des Bundesverbandes Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) befürchtet fast die Hälfte seiner Mitglieder (47 Prozent), dass der positive Trend bei den Baugenehmigungen im kommenden Jahr einbrechen wird. Allein aufgrund der Ankündigung der Mietpreisbremse sähen 41 Prozent der rund 1600 im BFW zusammengeschlossenen Wohnungs- und Immobilienunternehmen für 2015 negative Auswirkungen für die Baufertigstellungen. Von den BFW-Mitgliedern wollen 60 Prozent ihre Investitionstätigkeit verringern.
Dabei steigt die Zahl der Baugenehmigungen und Fertigstellungen erst seit 2010 wieder, nachdem 2009 nur 159.000 Wohnungen gebaut worden waren und damit weniger als halb so viele wie noch 2001. 2013 wurden rund 270.400 Wohnungen genehmigt, 12,9 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Das reicht aber nicht aus, um die Lage auf den Wohnimmobilienmärkten spürbar zu entschärfen.
Anstatt den Mietmarkt zu verbarrikadieren, sollte die Politik besser die Rahmenbedingungen für Neubauten fördern. Denn die Ursache für hohe Mieten sind mangelnder Wohnraum. Durch das Ausweisen von mehr Bauland und die Verkürzung von Genehmigungsverfahren könnte ein Bauboom in Deutschland ausgelöst werden, der Mieter unmittelbar entlastet. Nichts hilft geplagten Mietern mehr als möglichst viele neue Immobilien.
Die Mietpreisbremse hingegen verschärft – wie weiland bei Diokletian – nicht bloß die Knappheit. Sie provoziert auch noch massenhaft Ärger. Denn einmal mehr greift den Staat mit komplizierten Gesetzen und ausufernden Ausführungsverordnungen in das Alltagsleben der Bürger ein. Dieses Gesetz wird tausendfache Streitigkeiten auslösen, Gerichtsverfahren nach sich ziehen, es wird Heerscharen von Rechtsanwälten und Gerichten beschäftigen. Es ist ein klassischer Kurzschluss linken Denkens, dass man über Preisreglements Knappheiten bekämpfen könne. Die Mietpreisbremse ist nichts anderes als Bonsai-Sozialismus.
Dieser Kommentar ist Teil der Kolumne „What's right?“, die Wolfram Weimer wöchentlich für das Handelsblatt schreibt.
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