Die Manipulation der öffentlichen Meinung

Bevor man sich mit diesem Thema befasst, dürfte es zum Vorteil gereichen, sich mit dem Begriff „öffentliche Meinung“ zu befassen. Dieser Begriff tauchte wohl erstmalig bei Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) auf, in dem Sinne, dass die öffentliche Meinung eine Urteilsinstanz ist, vor dessen Missbilligung man sich hüten soll. Bezogen auf die heutige Zeit, sollte man von einer vorherrschenden öffentlichen Meinung sprechen, da nicht davon auszugehen ist, dass die öffentliche Meinung in allen Punkten einheitlich ist. Es ist festzustellen, dass man sich bereits im 18. Jahrhundert über dieses Problem erhebliche Gedanken gemacht hat. Man hat bereits zum damaligen Zeitpunkt erkannt, wie wichtig es ist, die vorherrschende öffentliche Meinung zu kennen, und um dann u. U. diese so zu steuern, damit wirtschaftliche und politische Interessen optimal bedient werden können.
Aus der jüngsten Geschichte dürfte insbesondere den ehemaligen Bürgern der Deutschen Demokratischen Republik bekannt sein, wie man mittels Agitation und Propaganda die öffentliche Meinung zu bestimmen versuchte. Andersdenkende, die ihre Meinung äußerten, bekamen es mit Sanktionen zu tun, welche nur in einem Unrechtstaat möglich sein dürften.
Der Verfasser erinnert sich an die Sendereihe im DDR-Fernsehen mit dem Titel: „Der Schwarze Kanal“ von und mit Karl Eduard von Schnitzler, welche damals im „Westen“ lediglich aufgrund der Naivität und Dreistigkeit Gelächter hervorgerufen hat. In Erstaunen hat den Verfasser immer wieder versetzt, dass sich der gebildete Journalist permanent der Lächerlichkeit preisgegeben hat.
Aufgrund der vorangegangenen Zeilen sollte man jedoch nicht auf den Gedanken kommen, dass in der heutigen Bundesrepublik Deutschland keine Versuche der Beeinflussung und Manipulation der öffentlichen Meinung stattfinden würden, welche das Ziel beinhalten, wirtschaftliche und politische Interesse zu bedienen. Allerdings wird mit wissenschaftlich erarbeiteten Methoden dieses Problem angegangen. Die Vorgehensweise begründet sich u. a. darauf, dass die Zielgruppen oder Mitbürger von den Versuchen der Beeinflussung und Manipulation nichts bemerken. Auf Methoden der Desinformation, Verballhornung und Diskriminierung wird im Rahmen dieser Ausführungen nicht eingegangen.
Auf subtile, aber durchaus effektive und brandgefährliche Art und Weise, findet die Manipulation dann statt. Aussagen von ehemaligen Bürgerrechtlern aus den neuen Bundesländern lassen eine erstaunliche „Blauäugigkeit“ in dieser Angelegenheit erkennen. Soziologen haben nachstehende Thesen entwickelt, die längst als richtig anzusehen sind, die man sich im Gesamtzusammenhang jedoch noch einmal vergegenwärtigen sollte:

Menschen sind durch eine vorherrschende Meinung beeinflussbar und tendieren dazu, sich dieser anzuschließen.
Zwei Wege stehen im Prinzip den Menschen offen, die Meinung anderer zu erschließen, nämlich durch direkte Kontakte untereinander und über Massenmedien.
Massenmedien bringen eine eigene Dynamik mit sich.
Unter den Massenmedien ist die Presse am stärksten der Einflussnahme durch die Bürger und deren Kaufverhalten, sowie durch Werbeträger zugänglich.
In demokratischen Staaten sollte die Regierung in entscheidendem Maße durch die öffentliche Meinung geprägt werden.

Der amerikanische Journalist Walter Lippmann stellt aufgrund seiner Untersuchungen fest, dass vornehmlich zwei Dinge, die das Auftreten von Ordnern, das heißt einheitlicher Auffassungen, begünstigen. Das eine sind die beschränkten Ressourcen, also die beschränkte Anzahl von Meldungen und Trends, die überhaupt mitgeteilt werden können. Dies führt, vornehm ausgedrückt, zu einer starken Reduktion der komplexen Wirklichkeit auf eine Scheinwelt, wie dieses u. a. von Niklas Luhmann ausgesprochen wurde. Walter Lippmann drückt dieses so aus: „Jede Zeitung, wenn sie den Leser erreicht, ist das Ergebnis einer ganzen Serie von Selektionen.“ Lippmann bemerkt weiter, dass hierdurch für den Leser eine passende Umwelt, wie wir sagen könnten, eine Scheinwelt geschaffen, oder, um es noch schärfer auszudrücken, was nicht berichtet wird, existiert nicht.
Auf diese Weise entsteht ein vereinfachtes Bild der Wirklichkeit, das uns aber als Realität erscheint. Dies ist also der eine Grund, der das Auftreten von Ordnung begünstigt: der naturgegebene Zwang zur Auswahl. Dieses geschieht u. a. auch durch Schlagworte oder, wie Lippmann es ausdrückt, durch Stereotype. Dieser Begriff ist aus der Zeitungsdruckerei bekannt. Hier wird der Text in einer Abteilung, der Stereotypie, in starre Formen gegossen, um dann beliebig vervielfältigt werden zu können. Stereotype sind also bestimmte Schlagworte, die mit Absicht geprägt worden sind, um bestimmte Sachverhalte darzustellen. Zumeist ist damit auch eine bestimmte Meinung verknüpft. In diesem Fall werden einige, die heute üblich sind, erwähnt:
Globalisierung, Gut-, Schlecht- oder Wutmensch, Demographische Daten, Lebensraum, Lebensunwertes Leben, Neoliberalismus, Staatsmonopolkapitalismus, Wettbewerb, Alimentierte, Sozialschmarotzer, Sozialromantiker, Soziale Marktwirtschaft, Schwachperformer, Marxisten, Chaoten, Eigenverantwortung, Subjekte usw.
Diese Schlagworte werden mit einer bestimmten Meinung verknüpft (Semantik), und in einen besonderen Zusammenhang (Syntax) gebracht. Das in Umlauf gebrachte Stereotyp ist vergleichbar mit einer Münze, die immer wieder benutzt wird, und mit deren Hilfe sich schließlich eine bestimmte Meinung gegen die Konkurrenz durchsetzt. Wer sich aber der Symbole bemächtigt, die für den Augenblick das öffentliche Gefühl beherrschen, beherrscht hierdurch in starkem Maße den Weg zur Politik.
Ein beliebtes Spiel ist es, Tatsachen zu implizieren, die als solches nicht vorhanden sind. Man erreicht beim Leser eine vom Autor geplante Einsicht, ohne dass das Opfer diesen Tatbestand realisiert. Beliebt ist es auch, irgendwelche Daten zusammenzustellen, welche ein gewolltes Ergebnis zu beweisen ohne zu einer Meinungsäußerung gezwungen zu werden.
Dieser Wettkampf so genannter Ordner, wie sie uns in der Naturwissenschaft ständig begegnet, ist im soziologischen Bereich den Wissenschaftlern nicht entgangen. In diesem Zusammenhang kann man Elisabeth Noelle-Neumann, die Begründerin der Meinungsforschung in der Bundesrepublik, zitieren: „Die Aufmerksamkeit ist knapp; gegen starke Konkurrenz müssen sich die Personen oder Themen hereindrängen. Pseudokrisen und Pseudoneuigkeiten werden in den Massenmedien erzeugt, um die Konkurrenz anderer Themen aus dem Felde zu schlagen.“
Was aber überraschend ist, sind die Gesetzmäßigkeiten, die den geschilderten Vorgängen zugrunde liegen. Meinungsbildungen oder Publikationen unterliegen allgemeinen Gesetzmäßigkeiten, die als notwenige Konsequenz eine enorme Reduktion verschiedenartiger Meinungen auf einige oder wenige haben.
Wenn man sich mit der Beeinflussbarkeit der Menschen bei der Meinungsbildung auseinandersetzt, dann muss es deutlich gemacht werden, dass diese seine Ursache in der psychologischen Veranlagung der Menschen selbst oder als natürliche Reaktion auf die Umwelt anzusehen ist. Wir haben es in der Neuzeit mit einer äußerst verwickelten Umwelt zu tun, in der es den Menschen nicht leicht fällt, sich zurechtzufinden. Er wird von einer Konfliktsituation in eine andere gedrängt. Es wird ihm fast unmöglich gemacht, aus eigener Kraft eine eigene Antwort zu finden. Deshalb ist der Trend vorhanden, auf die Meinungsbildung anderer zu schauen. Dieses führt dazu, dass Menschen sich Meinungen anschließen, die diese selbst als objektiv falsch erkennen müssten oder vielleicht sogar erkennen.
Einen schlagenden Beweis für diese These liefert eine Untersuchung des amerikanischen Sozialpsychologen E. Asch. Diese Experimente sind in großer Anschaulichkeit im Buch von Elisabeth Noelle-Neumann geschildert. Es handelt sich um das berühmte „Dreilinien-Experiment“, welches den Beweis erbringt, dass sich Menschen ohne Zögern einer Majoritätsmeinung anschließen, auch wenn es der eigenen Meinung widerspricht. Insbesondere dann, wenn diese nicht die eigenen realen Interessen berühren.
Diese Erkenntnis wird besonders augenfällig in der Mode, die auch nichts anderes als ein Ausdruck öffentlicher Meinung ist. Hier wird ganz besonders deutlich, dass es bei derartigen kollektiven Effekten oft gar nicht auf objektive Maßstäbe ankommt, sondern dass eine subjektive Richtung schließlich im Kollektiv bevorzugt wird.
Die Erkenntnis, dass der Mensch in der Regel furchtsam und vorsichtig ist, um nicht allein gelassen zu werden, und der Tatsache, das dieser kräftiger und zuversichtlicher wird in dem Maße in dem er glaubt, dass viele andere auch so denken wie er, fasst Elisabeth-Noelle Neumann in die Worte: „Seine soziale Natur veranlasst den Menschen, die Absonderung zu fürchten, unter anderen Menschen geachtet und geliebt sein zu wollen.“ Oder an anderer Stelle: „Die Anspannung, die Umwelt zu beobachten, ist anscheinend das geringere Übel, verglichen mit der Gefahr, plötzlich das Wohlwollen seiner Mitmenschen zu verlieren, plötzlich isoliert zu sein.“
Alexis de Tocqueville (1805-1859) hatte bereits die Beeinflussbarkeit der Menschen erkannt, und dieses in folgende Worte gekleidet: „In den demokratischen Völkern erscheint die öffentliche Gunst ebenso nötig wie die Luft, die man atmet, und mit der Masse nicht im Einklang sein heißt gewissermaßen nicht leben. Diese braucht nicht die Gesetze anzuwenden , um Andersdenkende zu bändigen. Die Missbilligung genügt. Das Gefühl ihrer Vereinsamung und ihrer Ohnmacht übermannt sie alsbald und raubt ihnen jede Hoffnung“.
Zum Abschluss sei noch einmal auf Elisabeth Noelle-Neumann in Sachen Massenmedien eingegangen: „Die Massenmedien sind einseitige, indirekte, öffentliche Kommunikation, sie sind der natürlichsten menschlichen Kommunikation, dem Gespräch, entgegengesetzt. Das ist es, was den einzelnen gegenüber den Massenmedien ein Gefühl der Machtlosigkeit gibt. Bei jeder Umfrage, wer in der heutigen Gesellschaft zuviel Macht habe, rangieren die Massenmedien mit an der Spitze.“
Im Rahmen dieser Ausführungen dürfte es zu weit führen, auf weitere interessante wissenschaftliche Erkenntnisse einzugehen. Der Verfasser erhofft sich, dass sich die Leser verstärkt der von den Medien ausgehenden Manipulationsversuche bewusst werden, und sich bemühen, diese für sich zu erkennen und entsprechend zu reagieren. Bereits aus diesen Ausführungen wird erkennbar, warum sich beispielsweise ein Zeitgeist hartnäckig hält, der längst als solches als gescheitert angesehen werden kann. Es soll u. a. sehr deutlich werden, von welcher gesellschaftlichen Bedeutung eine wirtschaftlich unabhängige und vielseitige Presse ist, damit Manipulationsversuche aus wirtschaftlichen und politischen Gründen sich in Grenzen halten bzw. rechtzeitig erkannt werden. Diese, wirtschaftlich und politisch unabhängige Presse, sollte sich nicht als politischer Akteur sondern als Instrument einer Meinungsbildung verstehen. Die Betonung liegt hierbei auf Bildung.

Auf die weiterführenden Literaturquellen wird wie folgt verwiesen:
Hermann Haken: Synergetik: Die Lehre vom Zusammenwirken, Erfolgsgeheimnisse der Natur. Synergetik, Ordnung aus dem Chaos
Elisabeth Noelle-Neumann: Die Schweigespirale
Solomon E. Asch. Group Forces in the Modification and Distortion of Jugdgements
Walter Lippmann, Public Opinion. Deutsch: Die öffentliche Meinung
Niklas Luhmann in: Politische Vierteljahresschrift, 11. Jahrgang 1970
Jean-Jacques Roussau, Schriften zur Kulturkritik
http://www.nachdenkseiten.de/?p=9608

Über Westphal Rainer 94 Artikel
Rainer Westphal, geboren 1944, ist seit 2 Jahren freiberuflich auf dem Sektor „Betriebswirtschaftliche Beratung und Betreuung“ mit dem Schwerpunkt Controlling tätig. Nach Abschluss der Mittleren Reife studierte er nebenberuflich Betriebswirtschaft, Volkswirtschaft und Arbeitsrecht. Aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit im Geld- und Devisenhandel verfügt er über entsprechende interne Branchenkenntnisse.

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