Hanna Nagel, Deutscher Kunstverlag, Berlin 2022, 978-3-422-98949-8, 42 EURO (D)
Die Kunsthalle Mannheim widmet der herausragenden Grafikerin und Zeichnerin Hanna Nagel (1907-1975) 90 Jahre nach Ihrer ersten Einzelausstellung 1931 eine erneute Präsentation.
Ein großer Teil des umfangreichen zeichnerischen Œuvres von Hanna Nagel befindet sich in Privatbesitz und ist bislang nur bruchstückhaft publiziert und kaum ausgestellt worden. Die Kunsthalle Mannheim holt dieses ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zurück und begeht damit einen wichtigen Schritt für die Wiederentdeckung dieser herausragenden Position. „So beschäftigt uns das Werk von Hanna Nagel nicht nur deshalb, weil es von einer Künstlerin stammt, deren Frühwerk man der Neuen Sachlichkeit zuzurechnen ist, sondern auch, weil es uns inhaltlich aufzeigt, wie Fragen nach sozialer Gerechtigkeit, Ausgrenzung und politischer Relevanz schon in den 1920er und frühen 1930er Jahren mit Vehemenz durch die Kunst thematisiert wurden.“ (S. 6)
Insgesamt präsentiert die Kunsthalle ca. 190 Arbeiten auf Papier, ergänzt um Hanna Nagels singuläres Selbstbildnis in Öl aus dem Jahr 1929 sowie um die 13 Werke aus dem Besitz des Museums. Gezeigt werden zum Teil noch unbekannte Arbeiten des neusachlichen Frühwerks aus den späten 1920er- und frühen 1930er-Jahren, aber auch eine Auswahl aus den „Dunklen Blättern“ der Jahre 1932 bis 1945.
Dies ist die offizielle Begleitpublikation zur Ausstellung. Sie erscheint gleichzeitig in deutscher und englischer Sprache.
In einem ausführlichen Essay leitet die Kuratorin der Ausstellung, Inge Herold, in Leben und Werk von Hanna Nagel ein. Zuerst gibt es eine Rezeption des Werkes der Künstlerin und Hinweise zu ihrer ersten Ausstellung in Mannheim 1931.
In einer Rückblende werden dann die früheren Lebensjahre und ihre künstlerische Ausbildung skizziert, bevor es um Nagels Werke geht. Darunter die Selbstdarstellungen als berufstätige Künstlerin, Frau, Ehefrau und Mutter, Konflikte im Geschlechterverhältnis, ihre Auseinandersetzung mit dem §218, der die Abtreibung eines Kindes im Mutterleib mit bis zu fünf Jahren Haft bestrafte und die Veränderung ihrer Motive Mitte der 1930er Jahre (Mystifizierung und Rückgriff aus historisierende Motive, Chopin-Zyklus usw.)
Ein Lebenslauf in Tabellenform mit privaten Aufnahmen, die Liste der ausgestellten Werke und eine Bibliografie beschließt das Buch.
Dieses Buch und die Ausstellung folgt dem Trend der Wiederentdeckung der von der männlich geprägten Kunstgeschichte vergessenen oder verschmähten Künstlerinnen, die wieder zurück in den Fokus geholt werden. Besser spät als nie.
Das Buch ist systematisch strukturiert, das Essay stellt Leben und Werk vor oder genauer: was davon bekannt ist. Die Themen und Bilder von Hanna Nagel sind zeitlos und sind heute immer noch hochaktuell und virulent. Wobei auch die Bilder auch als eine Art Seelenbiografie gesehen werden können.