C. W. CeramGötter, Gräber und Gelehrte. Roman der Archäologie.Rowohlt Verlag, Hamburg (März 2008) 466 Seiten, Gebunden ISBN-10: 3498009354ISBN-13: 978-3498009359Preis: 15,00 EURO
C. M. Ceram kompiliert die Erkundungszüge in die Vergangenheit zu einem erregenden Abenteuer von Geist und Tat – ein Streifzug durch 5000 Jahre menschliche Geschichte, ein ungeheuer faszinierender Tatsachenroman.
„Und sie sprachen untereinander: Wohlauf, lasst uns Ziegel streichen und brennen! und nahmen Ziegel zu Stein und Erdharz zu Kalk und sprachen: Wohlauf, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, des Spitze bis an den Himmel reiche, dass wir uns einen Namen machen! Denn wir werden sonst zerstreut in alle Länder.“ (Erstes Buch Moses, Kapitel 11, Verse 3 und 4). Diese Worte aus dem meistgelesenen Buch der Welt – der Bibel – berichten über den Turmbau von Babel sowie die Geschehnisse von der Erschaffung der Welt bis zum Wirken der Söhne Jakobs in Ägypten. Jeder Nichtchrist wird ihren Wahrheitswert anzweifeln und sie als verklärende Religionsinhalte abtun. Aber vieles hat sich tatsächlich in ähnlicher Form ereignet. Die Beweisführung unterlag einem Wissenschaftszweig, der gern als trocken und langweilig abgetan wird – der Archäologie oder Altertumskunde. Man gräbt irgendwo auf der Welt rum, so die allgemeine Meinung, in der Hoffnung, etwas Ruhmreiches zu finden. Meistens entpuppt sich das Ruhmreiche dann als Tonscherbe, die keiner gebrauchen kann. Einzig ein Mann, der berühmteste Archäologe der Welt – mit Namen „Indiana Jones“ -, der zurzeit wieder die Kinos stürmt, lässt eine pedantische und anstrengende Wissenschaft aufregend erscheinen.
Doch halt! Zwar ist das vorliegende Buch nicht so spektakulär wie die Kinoversion, doch Kurt W. Marek, der von 1915 – 1972 Journalist und Cheflektor im Rowohlt Verlag war und unter dem Pseudonym C. W. Ceram (das von hinten gelesene Anagramm offenbart seinen korrekten Namen) mehrere erfolgreiche Sachbücher veröffentlichte, erzählt beinahe genauso aufregend, mystisch und abenteuerlich wie Stephen Spielbergs Version. Ein entscheidender Vorteil gegenüber der filmischen Umsetzung: hier haben wir es mit wahrheitsgetreuer Wissensvermittlung zu tun. Ceram oder Marek versucht nichts weniger als die Verknüpfung der Geschichte früher menschlicher Hochkulturen mit der Geschichte ihrer Erforschung durch die Archäologie und anderer Wissenschaften.
Der „große Dilettant“ Heinrich Schliemann
„Götter, Gräber und Gelehrte“ ist ein Phänomen: Bereits 1949 geschrieben, erreichte dieses Buch bis heute eine deutsche Auflage von über 1,8 Millionen Exemplaren. Es wurde in 25 Sprachen übersetzt und gehört damit zu den erfolgreichsten Büchern der westdeutschen Nachkriegszeit. Bis heute hat es nichts von seiner Frische und Spannung verloren.
Tauchen Sie ein in 5000 Jahre menschliche Geschichte und lassen Sie sich nicht von den ersten Worten Cerams „abschrecken“, der da meint: „Ich rate dem Leser, das Buch nicht auf der ersten Seite zu beginnen. Ich tue das deshalb, weil ich weiß, wie wenig die überzeugendste Versicherung des Autors verfängt, dass er einen außerordentlich interessanten Stoff vorzutragen habe (…) Ich empfehle, auf Seite 81 anzufangen und das Kapitel über Ägypten, das 'Buch der Pyramiden', zuerst zu lesen. Dann habe ich die Hoffnung, dass auch der misstrauischste Leser unserem Thema wohlwollender gegenübertritt und sich entschließt, gewisse Voreingenommenheiten übers Bücherbord zu werfen.„
Die Rezensentin hat sich der Aufforderung des Autors nicht „gebeugt“, beginnt doch Ceram mit den ersten Anfängen der „Spatenforschung“, in den Ruinen versunkener Stätten wie Pompeji und Herculaneum, betrieben von Männern, denen jene Mischung aus Abenteuerlust, Wissensdurst und Goldgier zu Eigen war, von der die moderne Unterhaltungskultur von eben jenem Indiana Jones bis Lara Croft noch heute zehrt.
Noch einmal soll Ceram zu Wort kommen, der die Art und Weise dieses Werkes treffend beschreibt: „Unser Buch ist ohne wissenschaftliche Ambitionen geschrieben. Vielmehr wurde nur versucht, eine bestimmte Wissenschaft derart zum Gegenstand der Betrachtungen zu machen, dass die Arbeit der Forscher und Gelehrten vor allem in ihrer inneren Spannung, ihrer dramatischen Verknüpfung, ihrem menschlichen Gebundensein sichtbar wurde.“ Wie Ceram am Mythos des „großen Dilettanten“ Heinrich Schliemann weiterstrickt, der mit Homers „llias“ in der Hand Troja findet, wie er Howard Carters Entdeckung des Grabs von Tutenchamun im Tal der Könige dramatisiert, wie er die Entzifferung der Hieroglyphen durch einen jungen Franzosen (fast im Alleingang) oder die Erkundung eines dunklen Brunnens auf Yucatan, in dem einst Jungfrauen geopfert und nun Tausende von Obsidianklingen und Türkisbesetzte Schmuckstücke geborgen wurden, beschreibt, das ist unübertroffen. Er schöpft meist aus den Memoiren der Beteiligten und fügte nur die Stimmung hinzu, aber das unerhört gekonnt.
Keine Peitschen schwingende Helden aber spannende Geschichte
Das Buch führt uns nicht zeitlinear durch die Epochen sondern räumlich und ist in vier große Kapitel gegliedert. Der Roman beginnt bei den Griechen und Römern („Das Buch der Statuen“), erzählt von so großen Funden wie Troja und dem vermeintlichen Gab des Agamemnon.
Das faszinierendste Kapitel ist sicherlich „Das Buch der Pyramiden“. Hier läuft Ceram zur Höchstform auf und überzeugt sicherlich die letzten Zweifler. Der Leser betritt Grabkammern und staunt über Kostbarkeiten und Mumien, die sie enthalten, wenn sie nicht schon vorher – wie meistens geschehen – von Grabräubern geplündert wurden. Das ist Archäologie, wie sie sich sicherlich die meisten erträumen: die großen Entdeckungen von Schätzen einer längst vergangenen Zeit.
In Kapitel drei – „Das Buch der Türme“ – geht es dann Mesopotamien, ins Zweistromland nach Babylon oder Ninive, auf den Spuren der Bibel. Hier lebte offensichtlich die älteste Kultur, die wir kennen und der wir wahrscheinlich unsere Schrift verdanken und die schon vor 4000 Jahren Astronomie und Mathematik kannte – die Sumerer.
Als letztes reist Ceram schließlich nach Mittelamerika. „Das Buch der Treppen“ zeichnet das wechselvolle Schicksal der mittel- und südamerikanischen Azteken- und Maya-Reiche nach, die durch zwielichtige Eroberer wie Cortez ihr Ende fanden; dies allerdings so gründlich, dass wir über Menschen, die vor kaum fünf Jahrhunderten gelebt haben, weniger wissen als über die Ägypter vor 5000 Jahren.
Zahlreiche, zum Teil farbige Abbildungen und ein Anhang mit chronologischen Zeittafeln, Literaturhinweisen, Karten und ein Personen- und Sachregister ergänzen dieses wunderbare Werk, das in einer neuen Auflage umfassend modernisiert wurde.
Zugegeben, ein Peitschen schwingender Held, der schöne Frauen aus höchster Gefahr rettet, befindet sich wohl kaum unter den wirklichen Archäologen. Ebenso wenig werden wir unter den Ägyptologen Abenteurer begegnen, die alte Mumien durch Beschwörungsformeln zum Leben erwecken, damit sie die Welt vernichten. Aber aufregend bleibt diese Sparte der Wissenschaft dennoch. Es gibt genug Entdeckungen und Geschichten, die uns fesseln können und eben diese Geschichten erzählt „Götter, Gräber und Gelehrte“ und endet mit den weisen Worten des Autors: „Es wird weitergegraben in aller Welt. Denn wir brauchen die letzten 5000 Jahre, um die nächsten 100 mit einiger Gelassenheit ertragen zu können.„
Fazit:
„Götter, Gräber und Gelehrte“ ist ein „Roman der Antike“, der trockene Wissenschaft höchst interessant und spannend verpackt. Geschichten über die Geschichte, deren Entdecker und die Bedeutung für unsere Zeit.
„Wenn wir als Menschen Bescheidenheit lernen wollen, so ist es nicht nötig, unseren Blick auf den bestirnten Himmel zu richten, Es genügt der Blick auf die Kulturwelten, die Tausende von Jahren vor uns da waren, vor uns groß waren und vor uns vergingen.“ (C. W. Ceram)
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