Der heilige Josef, Jesu Ziehvater fehlt. Im Siegsdorfer Christkindlmuseum ist er seit zehn Jahren – so lange gibt es dieses Museum schon – dabei. Zwar spielt auch dort nicht er, sondern seine blutjunge Gattin, die heilige Maria, die Hauptrolle. In der ins Münchner Jagd- und Fischereimuseum für die gesamte Weihnachtszeit 2022/23 aus dem oberbayerischen Siegsdorf verlegten „Himmelswerkstatt“ sitzt Maria an der Nähmaschine mitten im himmlischen Getümmel. Umgeben ist sie, von Rosi Bauer aus Wachs geformt und in die üblichen Marien-Gewänder gesteckt, von sieben Engeln, rotwangigen Helfern beim Nähen, Sticken, Häkeln und gewiss auch beim Weihnachtsplätzchen-Backen. Zuschauen dürfen all die großen und kleinen Christkindl-Figuren. Ein mit kostbarem alten Schmuck gezierter Christbaum verbreitet Heimeligkeit. Fehlt nur noch der Weihrauch und das Knistern im Feuerofen. Betreten der „Himmelswerkstatt“ verboten! Reinschauen darf man, solange man will.
Vor 30 Jahren hatte Rosi Bauer an eben dieser Stelle, also im Gebäude der alten Münchner Augustinerkirche, die seit gut 60 Jahren das Museum der bayerischen Jäger und Fischer ist, ihre erste große Ausstellung. Nun ist sie 80. Und kein bisschen müde, ihre inzwischen auf gut 1000 Objekte und 50 Krippen angewachsene Sammlung der Öffentlichkeit zu präsentieren. Sie ist Restauratorin und Sammlerin, ihre selbst hergestellten oder aufgefrischten Jesulein aus Wachs oder Holz sind den Originalen aus ganz Europa und darüber hinaus nachempfunden und entsprechend ausgestaltet. Die Repliken, die die Kennerin aus Siegsdorf bei Traunstein nach München brachte, verdienen allseitige Anerkennung. Kaum eins der berühmten „Kindl“ fehlt: nicht das Prager Jesulein, das Loretokindl, die Kindl aus Sarnen oder Altenhohenau, aus Filzmoos oder Reutberg. Oder das Ara Coeli aus Rom.
Vor allem nicht das diesem Haus historisch verbundene „Augustinerkindl“. Mehrere Nachbildungen dieses an Ort und Stelle vor 400 Jahren Wallfahrer aus nah und fern anlockende Jesuskind der Augustiner sind zu bestaunen. Eins sieht beinahe so echt aus wie das traditionell in der wenige Schritte entfernten Bürgersaalkirche zur Weihnachtszeit präsentierte Stück. Dass sein Kopf eine Bruchstelle aufweist, spielt auf eine Legende an. In dem im Museumsshop erhältlichen Büchlein „`s Christkindl kommt“ erzählt dazu das Augustinerkindl selbst: „Der Lichtmesstag 1624 wird mir lange im Gedächtnis bleiben. Fiel ich doch dem Pater, der mich aus der Klosterkirche hinaustragen sollte – am 2. Februar war nun mal Schluss mit Weihnachten! – aus der Hand und auf den gefliesten Steinboden. Bruch! Der arme Junge (gemeint ist das junge Mönchlein)! Er behielt das Missgeschick für sich …“ Der Prior sollte, so geht die Legende weiter, nichts davon mitkriegen. Wie durch ein Wunder war das lädierte Kindsköpferl über Nacht wieder heil – Jesus wollte den ungeschickten jungen Ordensmann in Schutz nehmen. So hob die Wallfahrt an. Scharenweise, so erzählt das Augustinerkindl in dem Buch weiter, „bekam ich Besuch. Alles wollte das zusammengeflickte Potscherl aus Wachs sehen. Und ihm sein Leid klagen. Es um Hilfe vor Ort anrufen. Dass auch sie alles wieder zusammengeflickt kriegen möchten.“
Die Ausstellung „Wallfahrts-Jesulein aus vier Jahrhunderten“ dauert bis 2. Februar 2023. Sie ist täglich von 9.30 Uhr bis 17 Uhr (donnerstags bis 21 Uhr) geöffnet, nur nicht an Heiligabend und Silvester.