Die Invastion der USA am Hindukusch – Ein Rückblick

Unter dem Deckmantel des „Kampfes gegen den Terror“ begannen die USA am 7. Oktober 2001 einen militärischen Großangriff auf das islamistische Taliban-Regime in Afghanistan und auf die dortigen al-Qaida-Stützpunkte. Vielmehr diente und dient die Invasion geostrategischen und imperialistischen Zwecken.

von Michael Lausberg

Die Terroranschläge am 11. September 2001 – vier koordinierte Flugzeugentführungen mit anschließenden Selbstmordattentaten auf wichtige zivile und militärische Gebäude in den USA – verursachten den Tod von etwa 3.000 Menschen.

9 Tage später betonte US-Präsident Bush in einer außerordentlichen Regierungserklärung vor dem US-Kongress zunächst den Dank der USA für die internationale Solidarität und hob dabei Großbritannien besonders hervor. Dann benannte er das internationale Terrornetzwerk al-Qaida unter Osama bin Laden als für die Anschläge verantwortliche Organisation, auf die alle Beweise hindeuteten, und verlangte Bin Ladens sofortige Auslieferung durch das Regime der Taliban in Afghanistan. Andernfalls kündigte er einen „Krieg gegen den Terror“ an

Geostrategische Interessen der USA

Die US-Regierung verfolgt mit diesem Krieg weit gefasste weltpolitische Interessen. Sein Hauptzweck ergibt sich aus folgenden Zusammenhängen. Der Zusammenbruch der Sowjetunion vor zehn Jahren hat in Zentralasien ein Vakuum hinterlassen. Dieses Gebiet beherbergt die zweitgrößten nachgewiesenen Vorkommen an Erdöl und Erdgas weltweit.

Spezialeinheiten der USA, Großbritanniens und Australiens durchkämmten das ganze Land und ermordeten angebliche Mitglieder von al-Qaida und der Taliban. Tausende von Taliban-Häftlingen wurden von den Milizen der Nordallianz in Städten wie Masar-e Scharif und Kundus ermordet. Hunderte Menschen, von denen viele keinerlei Verbindungen zu al-Qaida hatten, wurden nach Guantanamo Bay, nach Kuba oder in die Geheimgefängnisse der CIA, die „black sites“, gebracht und gefoltert. Die Regierung unter Bush verteidigte diese Kriegsverbrechen mit der Behauptung, die Opfer seien „illegale feindliche Kämpfer“, die nicht unter dem Schutz der Genfer Konventionen stünden.

In diesem Krieg sind wie bei allen Kriegen Zivilisten wie Frauen, Kinder und alte Menschen die primären Opfer. Die Invasion Afghanistans war auch weniger ein Krieg als eine Reihe von Massakern. Das US-Militär nutzte die Gelegenheit, um eine ganze Palette mörderischer Waffen und Taktiken zu testen. So wurden Bomben, die sieben Meter dicke Betonschichten durchschlagen können, gegen mutmaßliche Netzwerke aus Bunkern und Höhlen eingesetzt. Gebiete, in denen man Taliban-Kämpfer vermutete, wurden mit dem so genannten „Daisy Cutters“ in Schutt und Asche gelegt oder mit einem Teppich aus Streubomben überzogen. Die Fliegerbombe „Daisy Cutter“ verwandelt ein Gebiet mit einem Radius von bis zu 1700 Metern in ein Inferno.

Auf das Blutvergießen in Afghanistan folgte die pakistanische Militäroffensive in den grenznahen Stammesgebieten im Nordwesten Pakistans, die die USA vehement gefordert hatte. Tausende wurden getötet und Millionen aus ihrer Heimat vertrieben. In den darauffolgenden Jahren terrorisierte das US-Militär Afghanistan wie auch den Nordwesten Pakistans mit drohnengestützten Raketenangriffen. Die Einwilligung der pakistanischen Regierung, die zuvor eine der Hauptstützen der Taliban war, wurde auf erpresserische Art und Weise durchgesetzt.

Scheinargumente für den „Krieg gegen den Terror“

Die politischen Vertreter der USA behaupten noch heute, der Grund für den Krieg in Afghanistan und Pakistan sei gewesen, al-Qaida wegen der terroristischen Gräueltaten vom 11. September 2001 zu bestrafen. Die Invasion war, wie Präsident George W. Bush erklärte, der erste Kampf im „Krieg gegen den Terror“. Die Regierung unter Bush fabrizierte als Vorwand für die Invasion den Vorwurf, die Taliban hätten al-Qaida Unterschlupf gewährt und sich geweigert, deren Anführer, Osama bin Laden, auszuliefern.
Diese Rechtfertigungen beruhten mehrheitlich auf Scheinargumenten. Die Taliban und die überwiegende Mehrheit der al-Qaida-Mitglieder waren an den Anschlägen vom 11. September nicht beteiligt. Diese Anschläge wurden von einer Terroristenzelle in den Vereinigten Staaten verübt, die mit Unterstützung von Vertretern der herrschenden Elite Saudi-Arabiens agierten, dem neben Israel wichtigsten Verbündeten der USA im Nahen Osten. Die Anschläge waren erfolgreich, weil sich die Geheimdienste der USA de facto zurücknahmen, obwohl ihnen die betreffenden Individuen mit al-Qaida-Verbindung bekannt waren und sie sie bereits überwachten. Die mörderischen Gewaltakte vom 11. September wurden dann zum Vorwand für die Invasion Afghanistans und später, nur achtzehn Monate danach, für die Invasion des Irak.

Die Invasion Afghanistans kann nur als Teil einer Reihe von miteinander verbundenen Entwicklungen verstanden werden. Sie reichen vom Golf-Krieg 1990–1991 gegen den Irak, über die Errichtung von festen Stützpunkten der USA im Nahen Osten, die US-Interventionen am Horn von Afrika und auf dem Balkan, sowie dem Krieg gegen Serbien 1999, bis hin zu den immer noch nicht restlos aufgeklärten Ereignissen vom 11. September 2001.

Frühere Unterstützung von islamischen Fundamentalisten durch die USA

Die Ursprünge von al-Qaida und den Taliban gehen auf frühere finanzielle und logistische Unterstützung des US-Imperialismus zurück, mit denen die Sowjetunion destabilisiert werden sollte. Seit 1978 finanzierte und bewaffnete die CIA, auf Befehl der damaligen Regierung Carter und in Zusammenarbeit mit Pakistan und Saudi-Arabien, islamistische Fundamentalisten. Diese sollten Krieg gegen die von der Sowjetunion gestützte Regierung in Kabul führen und die sowjetischen Truppen in einem langwierigen Krieg gegen die Rebellen aufreiben. Unter jenen, die damals von der US-Regierung unterstützt wurden, befanden sich auch der saudische Millionär bin Laden und mehrere wahabistische Islamisten aus der ganzen Welt. Sie wurden in pakistanischen Trainingslagern mit dem Namen al-Qaida („der Stützpunkt“) ausgebildet.
Während der gesamten 1980er-Jahre bejubelte die Regierung unter Reagan die islamistischen Mudschaheddin als „Freiheitskämpfer“ und verurteilte die sowjetische Invasion Afghanistans, als „ein Verbrechen gegen das afghanische Volk“.

Im Verlauf der letzten fünfzehn Jahre hat Washington dann in einem Ausmaß Gewalt gegen das afghanische Volk verübt, das weit über das hinausgeht, was die Sowjetunion jemals versucht hatte. Die imperialistische Intervention der Großmächte Sowjetunion und USA hat bisher hat sie weit über eine Million Tote und Verwundete gefordert. Mehr als sechs Millionen Menschen sind aus dem Land geflohen, was Afghanistan zu dem Land auf der Welt macht, aus dem die meisten Flüchtlinge stammen.

Innenpolitische Folgen

Der „Krieg gegen den Terror“ hatte weitreichende Auswirkungen innerhalb der Vereinigten Staaten selbst. Er wurde zum Vorwand für zahlreiche Regierungsmaßnahmen: der die Bürgerrechte stark einschränkende „Patriot Act“ von 2001, eine faktisch unkontrollierte staatliche Bespitzelung, die unbefristete Inhaftierung, Militärgerichte, die beschleunigte Militarisierung der Polizeibehörden und die pauschale Verfolgung von Amerikanern mit muslimischem Hintergrund. Der Angriff auf demokratische und bürgerliche Rechte in den USA wurde zum Vorbild für eine ähnliche Politik auf der ganzen Welt.

Über Michael Lausberg 572 Artikel
Dr. phil. Michael Lausberg, studierte Philosophie, Mittlere und Neuere Geschichte an den Universitäten Köln, Aachen und Amsterdam. Derzeit promoviert er sich mit dem Thema „Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen 1946-1971“. Er schrieb u. a. Monographien zu Kurt Hahn, zu den Hugenotten, zu Bakunin und zu Kant. Zuletzt erschien „DDR 1946-1961“ im tecum-Verlag.

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