Die gegenwärtigen beruflichen Karrierechancen von Frauen 50plus – in Deutschland

Definition der Begrifflichkeiten ,,Arbeit“ und ,,berufliche Karriere“

Arbeit ist im Allgemeinen als die Aktivität zu bezeichnen, durch welche Menschen Produkte hervorbringen und sich somit ihren Lebensunterhalt sichern (vgl. DSTATIS. 2008: 109f.). Arbeit ist jedoch nicht automatisch mit bezahlter Beschäftigung gleichzusetzen. So haben in traditionellen Kulturen – ohne ausgebildetes Geldwirtschaft – nur sehr wenige Menschen für eine Entlohnung gearbeitet. Auch in modernen Gesellschaften, die deutsche inbegriffen, existieren noch einige Arten von Arbeit, wie beispielsweise die vorwiegend von Frauen übernommene Hausarbeit oder die Kindererziehung[1], für welche kein direktes Entgeld ausgezahlt wird und welcher vielfach auch keine entsprechende gesellschaftliche Wertschätzung zuteil wird (vgl. Giddens. 1999: 629). Beschäftigungsverhältnisse im Sinne einer ArbeitnehmerInnen-ArbeitgeberInnen Struktur, einsetzend mit dem Prozess des Übergangs von agrarischen zu industriellen Produktionsweisen[2] im Zuge der Industrialisierung beginnend in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, sich von England aus über Weite Teile Europas erstreckend, und die Idee einer eigenen erfolgreichen beruflichen Karriere, sind eher moderner Natur. Diese finden ihren Ursprung in einer sich historisch bedingten veränderten, spezifischen Arbeitsteilung, der an Bedeutung gewonnenen Voraussetzung einer qualifizierten Schul- und Ausbildung und eines qualifizierten Berufsabschlusses. Der Stellenwert eigens erwirtschafteten Geldes hingegen ist nicht nur unter lebenserhaltenden, existenziellen Gesichtspunkten als bedeutsam zu erachten, sondern eine geregelte Arbeit bzw. ein stabiles Beschäftigungsverhältnis kann allerhand menschliche Bedürfnisse befriedigen und zudem aufgrund einer, im besten Falle geordneten Zeitstruktur, zu Stabilität, Beständigkeit und einer Orientierung innerhalb des eigenen Lebens beitragen. Darüber vermag eine für sich selbst inspirierende, nicht monotone Arbeit eine entscheidende Relevanz für das eigene Selbstverständnis zu bedeuten. Zudem können durch Kontakt zu MitarbeiternInnen soziale Beziehungen und die eigene Identität gestärkt werden (vgl. Giddens. 1999: 333ff.). In modernen Gesellschaften sind diese Vergesellschaftungsleistungen der Wirtschaft besonders gewichtig, was durch ihre Charakterisierung als ,,Arbeitsgesellschaften“ deutlich gemacht wird: Arbeit gilt als das Mittel, welches den Menschen nicht nur die wirtschaftliche Reproduktion sichert, sondern stellt darüber hinaus auch den Fokus ihrer grundlegenden Werte und Weltauffassung dar. So bezeichnet Marx die Arbeit als ,,den Kern der Gesellschaft“ (vgl. Rosa/Strecker/Kottmann. 2007: 33). Anzumerken ist überdies, die Relevanz von Arbeit jedoch nicht ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des materiellen Überlebens und der Organisation wirtschaftlicher und politischer Interessen ins Auge zu fassen, sondern ebenfalls unter dem Gesichtspunkt kultureller Einheit von Gesellschaften, sowie der Erfahrung und Identität ihrer Mitglieder (vgl. Scholz. 2007: 49ff.).

Historische Veränderungen von Arbeit und Beschäftigungsverhältnissen in Deutschland

Während bezahlte Arbeit bis vor wenigen Jahrhunderten noch ein von Männern besetztes Gebiet darstellte und Frauen lediglich für die unbezahlte, wenig wertgeschätzte Haus- und Kinderarbeit innerhalb des Privaten zuständig waren, hat sich, durch die Trennung von beruflicher Beschäftigung und Haushaltstätigkeiten im Zuge der Industrialisierung ab der Mitte des 18.Jhds., ein Wandel in Richtung gleichberechtigter Aufteilung der Geschlechteraufgaben vollzogen, der sich zugunsten von Frauen gestaltet.
Ein besonderes Charakteristikum gegenwärtig existenter, gewinn- und kapitalorientierter global agierender Wirtschaftssysteme westlicher Gesellschaften – die deutsche eingeschlossen – ist die Herausbildung einer ineinander verflochtenen, jedoch höchst komplexen Arbeitsteilung (vgl. Sennett. 1998: 131ff.). Dieser für die heutige deutsche Arbeitsstruktur die entscheidenden Weichen darstellende Modernisierungsprozess der Arbeitsteilung hat seine Ursprünge innerhalb des Taylorismus‘, einem Prinzip der Prozesssteuerung und rationalistischen Optimierung von Arbeitsabläufen. In dessen Verlauf wurde die Arbeit auf verschiedenartige einfachste – jeweils eine explizite Spezialisierung voraussetzende und zeitlich abgestimmte – Beschäftigungsschritte aufgeteilt (vgl. Kleemann/Voß. 2010: 415ff.). Die damit einhergehende und zwangsläufig zustande kommende wachsende wirtschaftliche Verflechtung schafft eine zunehmende Abhängigkeit unter den Menschen, da für das Sichern der eigenen Existenz fortan ein faires Zusammenarbeiten vieler von Nöten ist. Dies ändert auch die einstige, größtenteils selbstbestimmte und sich zeitlich selbst einzuteilende – meist landwirtschaftliche – Arbeitsweise hin zu einer vom Arbeitgeber zugeteilten, in eine starre Struktur gepressten, ausdifferenzierten Arbeitsweise. Dort wo in früheren Agrargesellschaften jeder Mensch sämtliche Produktionsschritte eigens zu verrichten hatte und selbst für seinen Erfolg bzw. Misserfolg zuständig gewesen ist, findet nun im Zuge des fortschreitenden Modernisierungsprozesses[3] des Taylorismus und Fordismus eine extreme Ausbeutung der Menschen statt. Der Mensch scheint nur noch die ihm zugeteilten spezifischen Arbeitsschritte verrichten zu können und dabei völlig zu ignorieren, wie mit den monotonen Arbeitsschritten eine Entfremdung von der eigentlichen Arbeit und eine zunehmende Abhängigkeit vom Kapital einhergeht. Aufgrund der Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft durch seitens des Arbeitgebers, stumpft der moderne Mensch innerhalb des Arbeitsprozesses zusehends ab (vgl. Abelshauser. 1983: 119ff.).Ihm kommt oftmals keinerlei Kontrolle mehr über die Produktionsmittel und -ziele zu, er ist vielmehr in seiner Arbeit fremdbestimmt. Durch das gezwungen sein, seine Arbeitskraft dem Arbeitgeber verkaufen zu müssen, ist der moderne Mensch als, vom Arbeitsprozess entfremdet, zu bezeichnen (vgl. Jaeggi. 2012: 44ff.). Die eigene Tätigkeit erscheint ihm nicht als Ausdruck seines eigenen Werkes, der Mensch findet sich darin nicht selbst wieder, sondern verwirklicht vielmehr fremde (Profit)Zwecke. Der moderne Arbeiter kann oft gar nicht überblicken, welchem Zweck seine Tätigkeit (am Fließband) dient und er kann auch in dem Produzierten nichts Persönliches zum Ausdruck bringen (vgl. Rosa/Strecker/Kottmann. 2007: 44ff.)[4]. Diese Art der Ausbeutung ist jedoch dem einzelnen Unternehmer nicht als moralische Ungerechtigkeit anzulasten, denn er hat letztlich eine ebenso beschränkte Wahl, wie die für ihn arbeitenden Arbeiter – wenn der Unternehmer dem Arbeiter einen höheren Lohn bezahlt, dann geht der Unternehmer im Konkurrenzkampf mit anderen unter. Folglich ist Ausbeutung eine Eigenschaft der kapitalistischen Produktionsverhältnisse und nicht einer persönlichen Beziehung zwischen Unternehmern und Arbeitern (vgl. ebd.: 38ff.). Neben dem, bereits erwähnten Taylorismus, weitet der Fordismus[5] fortführend besagte tayloristische Arbeitsteilung auf die breite Massenproduktion per Fließband aus. Dies kann als die Basis des gegenwärtigen, sämtliche Sphären des privaten und beruflichen Lebens durchdringenden, globalen und vor allem verselbstständigende Zuge angenommenen gegenwärtigen Kapitalismus‘ des 21.Jhds. bezeichnet werden (vgl. Radkau. 2008: 286ff.). Sowohl die tayloristische, als auch die fordistische Arbeitsteilung stellen – als sog. low-trust-Systeme[6] – den Ausgangspunkt für die im Westen Deutschlands gegenwärtig vorherrschende Arbeitsmarktsituation dar, geprägt von enormem Entfremdungscharakter hinsichtlich der Arbeit, Erfolgsdruck und einer nicht gerecht verteilten Beschäftigungsstruktur. Dies bekommt im Besonderen die Bevölkerungsschicht von Frauen mittleren bis älteren Alters und anderen sozial benachteiligten Gruppen[7] zu spüren. Aufgrund der Unterdrückung von, im Sinne des Regimes der kapitalistischen Profit- und Kapitallogik agierender, Arbeitgeber verlieren Menschen im gegenwärtigen Deutschland, durch den Entfremdungscharakter moderner Beschäftigungsverhältnisse, mehr und mehr die eigene Individualität und Selbstbestimmung – irrelevant ob auf Frauen oder Männer bezogen. Vertreter der Denktradition der kritischen Theorie wie Adorno, Marx, Fromm oder Weber bekräftigen exakt diese Ansicht, Menschen seien durch den Geist bzw. die verselbstständigenden Profit- und Kapitallogik des globalen Kapitalismus und des nicht entfliehen Könnens aus existentiellen materiellen Wirtschaftsprozessen daran gehindert, sich frei und den eigenen Bedürfnissen entsprechend verwirklichen zu können (vgl. Rosa/Strecker/Kottmann. 2007: 39f.)[8]. Das im Zuge des fortschreitenden Industrialisierungsprozesses für die Menschen Neue, das Unbekannte hat einen ,,schauerlichen Reiz“ erzeugt, dessen Folgen unabsehbar und unberechenbar zu sein scheinen. Verlockend und zugleich beängstigend sei für die Menschen die Erfahrung, sich im Zeitalter einer, in sämtlichen Lebensbereichen rasant beschleunigten Welt zu befinden und sich ständig neu orientieren zu müssen. Die veränderte Raum- und Zeitwahrnehmung hat Unsicherheit und Angst erzeugt – Angst vor Geschwindigkeit, Angst vor Unfällen, Angst vor Maschinen, da für den Einzelnen, die mit den technischen Erneuerungen einhergehenden, Optimierungen und Komplexitäten nicht mehr beherrschbar scheinen (vgl. Schivelbusch. 2000: 106ff.). Darüber hinaus erforderte die generelle Beschleunigung des Handels, des Verkehrs und der industriellen Produktion veränderte Lebens-, Verhaltens- und Arbeitsbedingungen. Im Zuge einer, durch Zirkulation[9] erzeugten, Raumverdichtung entstand nach und nach ein weltweiter Austausch von Waren, Gütern, Informationen und folglich ein effektives Verbindungsnetz großindustrieller Produktion (vgl. Schmidt/Sandl. 2002: 63ff.). Die Anschlussfähigkeit an diese zirkulären Zusammenschlüsse ist zunehmend zum entscheidenden Faktor geworden und entscheidet fortan über Erfolg oder Misserfolg, über Weiterexistenz oder Bankrott. Wer nicht Teil dieses Kreislaufs ist, gilt schon bald als rückständig oder gar krank – die Simmelsche kulturpessimistische Zukunftsprognose spricht dazu Bände. Die Moderne erlaubt den Menschen kaum noch zur Ruhe zu kommen, notorische Unruhe und eine Abstumpfung oder gar Verkümmerung des eigenen Seelenlebens wird künftig zur emotionalen Grundausstattung. Der demographische Strukturwandel Deutschlands von einer ehemals im primären Sektor vorherrschenden beständigen Beschäftigungssituation hin zur Herausbildung einer Dienstleistungs- und Informationsgesellschaft und die damit verbundene enorme Expansion des tertiären Sektors verändert die Arbeitswelt folglich nicht nur quantitativ, sondern auch massiv in qualitativer Art und Weise.


Soziale und geschlechtsspezifische Ungleichheit

Während die in patriarchalischen Strukturen verankerte geschlechtsspezifische Arbeitsteilung im Ursachengeflecht der gegenwärtigen Frauenbenachteiligung auf dem deutschen Arbeitsmarkt rückläufig ist und sich klare Trennungen allmählich auflösen, steigt zunehmend nicht nur der geschlechtsspezifische Erfolgs- und Konkurrenzdruck zwischen Frauen und Männern, sondern auch die Benachteiligung zwischen jungen und älteren ArbeitnehmerInnen. So arbeiten Frauen immer häufiger in Dienstleistungsbranchen, die vom Abbau bedroht sind. Zudem befinden sie sich auch gegenwärtig noch in nicht gleichwertiger Art in technischen oder zukunftsorientierten Beschäftigungsbereichen wieder, wie beispielsweise die IT– Branche zeigt[10]. Durch die Tertiärisierung steigen die Qualifikationsanforderungen; dies lässt hochqualifizierte Frauen als klare Sieger der bildungspolitischen Reformbemühungen der vergangenen 60 Jahre im Zuge der Bildungsexpansion hervortreten.
Formal gering Qualifizierte, die bereits gegenwärtig aufgrund eines fortschreitenden Rationalisierungsprozesses[11] überdurchschnittlich vom Beschäftigungsabbau betroffen sind, werden allerdings als Verlierer dieses Trends hervorgehen. Flexiblere Arbeitsstrukturen eröffnen Frauen – vor allem im Alter 50plus – hingegen nicht nur einerseits die Möglichkeit einer höheren Erwerbsbeteiligung und einer Autonomieerweiterung, sondern bergen andererseits auch die Gefahr der Abdrängung in Beschäftigungsverhältnisse mit nur wenig oder keinerlei Arbeitsplatzsicherheit in sich (vgl. Rosa/Strecker/Kottmann. 2007: 20f.). Durch verlängerte Ausbildungszeiten, aufgrund der im Zuge der Bildungsexpansion vorangetriebenen und heute auf dem Arbeitsmarkt erforderlichen Höherqualifizierung, einem jedoch früheren Ausstieg aus dem Berufsleben und daher einer kürzeren Lebensarbeitsdauer aufgrund von Schwangerschaft und Kindererziehung, verdichtet sich für Frauen im Allgemeinen die beruflich aktive Zeit auf eben jene Phase, in der auch die Familienaufgaben anstehen. Dies kommt erschwerend zu derjenigen Frauenbenachteiligung hinzu eine, den Männern gleichwertige, Karriere zu absolvieren. Aufgrund einer Kombination aus geschlechtsspezifisch ungleicher Verteilung familienbezogener Arbeit, tradiertem patriarchalischem Geschlechterrollenverhalteninnerhalb des gesellschaftlichen Bewusstseins und Interagierens und einer Benachteiligung in Bezug auf das numerische Alter von ArbeitnehmerInnen wird es zukünftig auch weiterhin Wettbewerbsnachteile für – vor allem älteren – Frauen geben.

Frauen neigen zu Untertreibung – Männer dagegen zu Übertreibung

Trotz der durch die Bildungsexpansion begünstigten Höherqualifizierung und einer weitgehend eingeebneten Chancenbenachteiligung im Zugang zu Bildung neigen Frauen aufgrund der, im gesellschaftlichen Bewusstsein verankerten, patriarchalischen Strukturen weiterhin dazu, ihr eigenes Können zu untertreiben. Männer hingegen tendieren eher dazu ihre eigenen Fähigkeiten zu übertreiben und in positiverem Lichte darzustellen, als real existent.
Obgleich Frauen gegenwärtig im Durchschnitt besser ausgebildet sind als Männer[12], bessere Noten in der Schule oder im Studium erzielen, häufiger das Abitur absolvieren und genauso oft wie ihre männlichen Kollegen mit einem hohen Bildungs- bzw. Universitätsabschluss und sozialen Kompetenzen im Allgemeinen beeindrucken, zweifeln sie häufig an den eigenen Leistungen, neigen dazu Erfolge auf günstige Umstände zurückzuführen und Misserfolge auf ihr eigenes Unvermögen (vgl. DSTATIS. 2008: 63).

Bestehende Frauenbenachteiligung

Zu der beschriebenen geschlechtsspezifischen Benachteiligung kommt im gegenwärtigen Modernisierungsprozess für ältere Arbeitnehmerinnen im Alter von 50plus, neben der Entfremdung und Anonymisierung von der Arbeit, dem Zerfall von Werten, traditionellen Gemeinschaftsbindungen und der Ohnmacht gegenüber den sich verselbstständigenden Sachzwängen – sprich Prozessen des Verlustes von Sinn- und Erfahrungsmöglichkeiten – erschwerend eine Bevorzugung jüngerer Arbeitnehmer hinzu. Zum einen wurzelt diese Tendenz im gesellschaftlichen Aberglaube, ausschließlich junge Arbeitnehmerinnen seien flexibel, belastbar und motiviert, zum anderen in der Tatsache, dass für Unternehmen junge, neu eingestellte Arbeitnehmerinnen aufgrund der herrschenden Tarifregelungen kostengünstiger anzustellen sind, als ältere. Denn je länger ein Arbeitnehmer in einem Unternehmen arbeitet, desto kostspieliger wird dieser für den entsprechenden Arbeitgeber. So nehmen Beschäftigungsverhältnisse gegenwärtig zunehmend befristeten Charakter an, wodurch der Modernisierungsprozess, samt Entkoppelung von Werten und Sinnstrukturen, und der Zerfall beständiger Beschäftigungsverhältnissen – vor allem zu Lasten von Frauen 50plus – weiter fortschreitet. Trotz eines Wandels von geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung, einer Angleichung der Qualifikationen und einer Autonomieerweiterung bleiben Frauen bis auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt in beruflicher Hinsicht Männern gegenüber klar benachteiligt. Die aktuelle Benachteiligung Frauen älteren Jahrgangs gegenüber wird wohl auch innerhalb der kommenden Jahre weiterhin bestehen bleiben. Für diese Benachteiligung zulasten der (älteren) Frauen ist ein Ursachengeflecht aus ökonomischen Erklärungsansätzen, nach wie vor existentem geschlechtsspezifischem Rollen- und Klischeedenken und der damit einhergehenden kontinuierlichen Verunsicherung von Frauen im gesellschaftlichen Gefüge verantwortlich.
Auch das deutsche Tarifsystem ist – laut WSI –nicht geschlechtsneutral. Dies ist der deutschen Rechtssprechung geschuldet, welche das deutsche Entgeltgleichheitsrecht nur lückenhaft umgesetzt hat. Die Existenz eines Betriebsrates und eine Tarifbindung, welche zu einem geringeren Lohnabstand zwischen Frauen und Männern führt, ist daher eine notwendige politische Forderung. Gleichberechtigten-Beauftragten kommt überdies die Aufgabe zu, darauf zu achten, dass die Arbeit von Frauen nicht minder gut bewertet wird als die von Männern und jüngere Arbeitnehmer zudem älteren Arbeitnehmern gegenüber nicht bevorzugt behandelt werden. Darüber hinaus könnte dem Aufgabenbereich der Gleichberechtigten-Beauftragten zugeschrieben werden, darauf zu drängen, scheinbar geschlechtsneutrale Kriterien der Einstufung ihres Grundentgeltes, wie etwa Berufsjahre, fair zu gewichten, um Frauen, die im Zuge einer Schwangerschaft mit ihrer Erwerbskarriere pausiert haben, keine Nachteile entstehen zu lassen (vgl. Schulz. 2009).


Literaturverzeichnis:

Abele-Brehm, Andrea
.
(2002): ,,Ein Modell und empirische Befunde zu beruflicher Laufbahnentwicklung unter besonderer Berücksichtigung des Geschlechtsvergleichs“.
In: Psychologische Rundschau, 53, Nr.3. Göttingen: Hogrefe Verlag.

Abelshauser, Werner. 1. Auflage. (1983): Wirtschaftsgeschichte der Bundesrepublik
Deutschland 1945 – 1980. 3a) Vom > Agrarstaat < zum > Industriestaat <.
Frankfurt: Suhrkamp Verlag.

DSTATIS. Datenreport 2008. Bundeszentrale für politische Bildung.

Ehrenberg, A.. (2004): Das erschöpfte Selbst. Depression und Gesellschaft in der
Gegenwart. Frankfurt am Main: Campus Verlag.

Hammer, V./Lutz, R. (2002): Weibliche Lebenslagen und soziale Benachteiligung.
Theoretische Ansätze und empirische Beispiele.
Frankfurt am Main: Campus Verlag.

Jaeggi, Rahel. (2012): ,,Macht Arbeit glücklich? Wie entfremdet sind wir?
In: Philosophie Magazin. Feb./März. Nr.02/2012. Philomagazin Verlag
GmbH: Berlin.

Kleemann, Frank/Voß, Günter. (2010): ,,Arbeit und Subjekt“. In: Böhle, Fritz/Voß,
Günter/Wachtler, Günther (Hrsg): Handbuch Arbeitssoziologie.
Wiesbaden: VS. Verlag.

Knab, Barbara. (2010): Die kranke Arbeitswelt. In: Psychologie Heute. 38. Jahrgang.
Heft 2. Februar (2010). Weinheim: Beltz Verlag.

Radkau, Joachim. (2008): Technik in Deutschland vom18. Jahrhundert bis heute.
Kapitel IV. 4. Frankfurt: Campus Verlag.

Rosa/Strecker/Kottmann. (2007): Soziologische Theorien. Weinheim: Beltz Verlag.

Schivelbusch, Wolfgang.5. Auflage (2000): Geschichte der Eisenbahnreise.
Zur Industrialisierung von Raum und Zeit im 19. und 20. Jahrhundert.
Frankfurt: Fischer Verlag.
Schmidt, Harald/Sandl, Marcus. (Hrsg.) (2002): Gedächtnis und Zirkulation.
Der Diskurs des Kreislaufs im 18. und frühen 19. Jahrhundert. Göttingen.

Scholz, Elvira. (2007): ,,Männer sind alle gleich“ und ,,Typisch Frau“.
Hamburg: Verlag Dr. Kovac.

Sennett, Richard. (1998): Der flexible Mensch“. Berlin: BvT Berliner Taschenbuch Verlag.

Internetquellen:

Bundesagentur für Arbeit.
(2005):
,,Entwicklung der Chancengleichheit von Frauen und Männern am Arbeitsmarkt“

http://doku.iab.de/externe/2005/k050614f01.pdf,(Zugriff am 22.06.2013)

Schulz, Stefan. (01.10.2009). Spiegel online. Bundesagentur für Arbeit.
Arbeitsmarkt für Frauen. Teil I – VI. http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,652531-4,00.html,
(Zugriff am 23.06.2013)

Spiegel online. Fotostrecke. Frauenlöhne – vielfältige Benachteiligung.
Einkommensrückstand von Frauen nach Alter. (1.10.2009).
http://www.spiegel.de/fotostrecke/fotostrecke-47334.html,
(Zugriff am 13.06.2013)

SWR-2 Wissen (Beitrag vom 30.10.2011):
,,Immer schneller und immer schlechter – Turbogesellschaft“
http://www.swr.de/swr2/programm/sendungen/wissen/archiv/turbogesellschaft/-/id=660334/nid=660334/did=8619434/wc359c/index.html,
(Zugriff am 23.06.2013)


[1] Einstige sowohl private, als auch beruflich geschlechtsspezifisch zu verrichtende Aufgaben haben im historischen Wandel eine Tendenz des Aufweichens strikter Rollenteilung erfahren und münden heute in eine überwiegend gleichberechtigte Ordnung.
[2] Dieser fortschreitende Prozess beinhaltet die Abnahme des primären landwirtschaftlichen Agrarsektors bei gleichzeitiger Expansion des sekundären industriellen Sektors. Eine Abnahme sowohl des primären, als auch des sekundären Sektors hin zu einer enormen – von kapitalistischer Profitlogik begünstigten – Tertiärisierung des Dienstleistungssektos hat begonnen sich im Laufe des 20. und 21.Jhds. zu vollziehen.
[3] Dieser in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Zeit der Industrialisierung einsetzende Modernisierungsprozess erfahren sie Menschen, über den Wandel der Arbeitsteilung hinaus, vor allem als Prozess der Auflösung von Traditionen, Konventionen und sozialen Institutionen. Ein Wandel der Arbeit erfordert neue infrastrukturelle Gestaltungsweisen des sozialen Raumes und der zeitlichen Verfügbarkeit – 14 bis 16 Stunden-Arbeitstage waren keine Seltenheit, rechtliche Regelungen der Arbeitsbedingungen hat es noch nicht gegeben. So wurde die Arbeitskraft der Menschen von Kapitalisten bzw. ,,Herrschenden“ oder in ökonomischer Hinsicht ,,Besitzenden“ zu eigenen Zwecken ausgenutzt – man denke nur an Marxsche Stichwort: Akkordarbeit im Zuge von Mehrwertproduktion.
[4] Zudem ist an dieser Stelle bedeutend zu betonen, dass Marx von der fortschreitenden Selbstentfremdung spricht, welche daher rührt, dass die Menschen sich innerhalb ihrer eigenen Arbeit weder selbst zum Ausdruck bringen, noch kreativ formen können. Ihr Wesen wird vielmehr zum bloßen Mittel ihrer Existenz, wie Marx dies bereits im frühen 19.Jhds. innerhalb des ,,Kapitals“ eindrucksvoll verdeutlicht. Die Menschen sehen sich gezwungen, sich selbst in ihren Lebensentwürfen und Ausdrucksformen an das Profitgesetz zu verkaufen.
[5] Der Begriff des Fordismus bezeichnet das von Henry Ford eingeführte Produktionssystem, welches auf dem Fließband basiert.
[6] ,,Low-trust-System“ bezeichnet eine streng organisierte und kontrollierte Arbeitsumgebung, in welcher Menschen wenig Kontrolle über und wenig Verantwortung für ihre jeweiligen Aufgabenbereiche haben – das Pendant dazu sind ,,High-trust-Systeme“, in dessen Ablauf Menschen über den räumlichen und inhaltlichen Kontext der eigenen Beschäftigung ein Mitbestimmungsrecht zukommt.
[7] Es seien an dieser Stelle noch die auf den Arbeitsmarkt bezogenen sozial benachteiligten Gruppen der jungen, un- oder angelernten Arbeitnehmer (mit Migrationshintergrund), Arbeitslose, Mütter oder Rentner zu erwähnen, welchen nicht gleich verteilte Chancen auf gesicherte Beschäftigungsverhältnisse zukommen. Müttern jedoch, die eine gesicherte Beschäftigung mit tariflich festgesetztem Kündigungsschutz und der Arbeitsplatzsicherheit auch nach der Erziehungsurlaubszeit vorweisen können, kommt bisweilen gegenwärtig – auch nach Pausieren von bis zu 3 Jahren – wenigstens die Chancen auf den Erhalt ihrer einstigen Arbeitsstelle zu.
[8] Es an dieser Stelle noch zu erwähnen, dass sowohl Marx als auch Weber in der Herausbildung des sozioökonomischen Systems des Kapitalismus die wichtigste Veränderung im Übergang von der traditionellen zur modernen Gesellschaft gesehen haben. Doch im Gegensatz zu Marx hat sich für Weber die entscheidende Veränderung nicht im Bereich der Produktion und der damit zusammenhängenden Produktionsverhältnisse angespielt, sondern in der Art der menschlichen Lebensführung.
[9]Zirkulation ist im 19. Jhd. in Europa zu einem zentralen Schlagwort geworden, mit dem sich moderne Wirtschafts- und Gesellschaftsdynamiken auf den Begriff bringen ließen.
[10] Vgl. Bundesagentur für Arbeit. Arbeitsmarkt für Frauen. (Stand: 02.07.2013):
http://www.arbeitsagentur.de/nn_26570/Navigation/zentral/Buerger/Chancengleichheit/Arbeitsmarkt/Arbeitsmarkt-Nav.html, (Zugriff am 24.06.2013).
[11] Rationalisierung ist zu verstehen als sozialer Prozess der Kosten-Nutzenmaximierung, welcher besagt, alle wirtschaftlichen Mittel, Ressourcen und Handlungs- und Wissensbestände so einzusetzen, dass sie unter geringsten Kosten größten Nutzen bewirken. Die Welt wird somit in sämtlichen Dimensionen berechen- und beherrschbar und unter Effizienzpunkten neu geordnet.
[12] Die Darstellung bezieht sich weiterhin ausschließlich auf gesamtdeutsche Verhältnisse – es wird nicht explizit auf die gegenwärtige Situation des ehemaligen DDR-Gebiets eingegangen und es wird auch kein weiterer Ländervergleich gezogen.

Über Weiß Susanne 31 Artikel
Susanne Weiß, geboren am 26.06.1987, ist Studentin der Soziologie und Philosophie an der TU Darmstadt. Nach dem Masterabschluss strebt sie eine Promotion und eine universitäre Laufbahn – im Idealfall innerhalb der Bildungs-, Wissens- oder Kultursoziologie – an. Sie ist aktiv als wissenschaftliche Hilfskraft im Bereich ,,Methoden der empirischen Sozialforschung“ tätig.

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