Seit 1999 gibt es in Jena die “ganz kleine galerie” im Institut für Biochemie an der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität, die sich der Kunst und ihrer Verbreitung im Arbeitsalltag verpflichtet fühlt. 1999 war Bernd Wiederanders Direktor dieses Instituts, als er die Galerie ins Leben rief. Heute ist er emeritiert, aber noch immer kann er die Räume für die Ausstellungen nutzen – die derzeitigen Chefs des Instituts sehen es gern, dass ihr Haus in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird und gewähren dem Emeritus sogar Schlüsselgewalt – was für eine Rarität unter Emeriti.
Was hat Wiederanders bewogen, die “ganz kleine galerie” zu betreiben? Mitarbeiter eines Instituts, die vordergründig mit der Wissenschaft verbunden sind, laufen Gefahr, die Welt um sie herum zu vergessen oder gar zu ignorieren. Trotzdem haben die meisten von ihnen den Anspruch, als gebildet zu gelten, Bildungsbürger zu sein. Diesem Anspruch Substanz zu verschaffen ist das Anliegen des Kurators der Ausstellungen.
Früh hat er in Halle Einblicke in das Wesen der bildenden Kunst erhalten und dabei erfahren dürfen, wieviel Freude und Gewinn man daraus erhält: In seiner ersten Arbeitsstelle stellten regelmäßig Lehrer und Künstler der Hochschule für Industrielle Formgestaltung Burg Giebichenstein ihre Arbeiten aus: Grafiken, Ölgemälde, Emailkunst,…. Karin Riebensahm, Uwe Pfeiffer, Wille Sitte, Bernd Göbel, selbst Gerhard Lichtenfeld hat seine Skulpturmodelle und Skizzen dort ausgestellt. Das wollte Wiederanders in Jena imitieren, als sein Institut renoviert worden war und die leeren Wände dazu aufforderten, mit Kunst geschmückt zu werden.
Anfangs dominierten einfache Arbeiten die Galerie, aber bereits die Ausstellung von Zeichnungen aus einem Kindergarten machte deutlich, dass sich der Kurator nicht mit bedeutungsarmen Expositionen zufriedengeben wollte (1). Mit der Zeit gewann die Galerie an Popularität und damit auch deutlich an Qualität, denn der Kurator erhielt zahlreiche Anfragen, die ihm Auswahlmöglichkeiten eröffneten und ihm erlaubten, etablierte Künstler neben jungen ambitionierten Künstlern oder auch Laien auszustellen. In den zurückliegenden 20 Jahren ragen einige der mittlerweile 75 Ausstellungen besonders heraus: Ulrich Bewersdorff, Universitätszeichenlehrer aus Halle mit Holzschnitten und den Originaltafeln dazu (2); Peter Stechert, Plenairmaler und Lehrer an der Mal- und Zeichenschule Weimar mit Ölbildern (3); die Laienkünstlerin Elke Teuscher mit hochwertigen wunderbaren Radierungen (4); Goran Matosevic war mit konkreter Kunst vertreten (5); das Publikum wurde mit diversen Akt-Darstellungen konfrontiert, so mit den Fotografien des Universitäts-Fotoklubs Unifok Jena und mit Skizzen der Chinesin Feng Yun (6,7); ein weiterer Höhepunkt war der Auftritt des jungen Namibiers Hage Mukwendje, der in seiner Heimat bereits einige Preise gewonnen hat und hier beeindruckende Skizzen zeigte (8). Obwohl grafische und Fotoarbeiten die dominierenden Objekte darstellen, wurden auch einmal Skulpturen und Coudragen gezeigt (9, 10), um das Anliegen des Ausstellungsmachers zu verdeutlichen, die Vielfalt darstellender Kunst und die dazu gehörenden Techniken zu präsentieren und die Betrachter anzuregen, sich mit Kunst zu befassen.
Dazu muss allerdings festgestellt werden, dass sich die Resonanz beim Tagespublikum, den Mitarbeitern des Instituts und den Studierenden, meist auf die Feststellung reduzieren lässt, dass die Objekte gefallen, oder eben nicht. Eine Diskussion über die Arbeiten selbst kommt lediglich bei den Eröffnungen zustande, die im Übrigen von einer nunmehr fast konstanten Zahl von zwischen 30 und 50 Gästen besucht werden. Einziges, aber auch erfreuliches Dokument der Wahrnehmung ist jedoch die bereits häufig gemachte Beobachtung, dass während der Ausstellungspausen, in denen leere Wände eine gewisse Trostlosigkeit verströmen, die Frage von Mitarbeitern gestellt wird, “was denn und vor allem wann denn als nächstes” ausgestellt würde. Immerhin!
Für den Macher der Ausstellungen bleiben die durch nichts zu ersetzenden Begegnungen mit den vielen Künstlerpersönlichkeiten, ihrer Bescheidenheit, ihren Macken, ihrem Temperament, das sich häufig in den Arbeiten spiegelt, ihrer Gastfreundlichkeit, ihrer Freude sich austauschen zu können, ihrem Stolz und ihrem Selbstbewusstsein, häufig aber auch ihrem Zweifel an sich selbst und ihrem Werk, ihrem Lebensstil und und und…auf jeden Fall genug Motivation, die “ganz kleine galerie” nicht so bald sterben zu lassen, vielleicht schafft sie ja die 100!