Über 10 Jahre war ich Mitglied bei Dir, Facebook. Nun habe ich mich abgemeldet. Warum ich das tat und warum ich hoffe, dass mir viele Deiner User folgen werden, möchte ich hiermit erklären.
Als wir uns kennenlernten, so Anfang 2008, da wurde es überall im deutschsprachigen Bereich gerade total hipp, sich bei Dir anzumelden und sich mit Leuten zu befreunden, die man aus der Schule kannte, vom Büro oder einfach aus irgendeiner Bar. Langsam aber sicher wurdest Du ein fester Bestandteil im Leben vieler Menschen, die in ihrer Freizeit – oder wenn am Arbeitsplatz niemand hinsah –Bilder aus dem Urlaub, vom Mittagessen oder den Drink nach Feierabend posteten sowie „Likes“ für lustige Bildchen mit Katzen oder dumme Sprüche gaben.
Dann begann 2009 der Wahlkampf für die Bundestagswahl in Deutschland und Du begannst damit, Dich zu verändern. Freunde und Bekannte posteten vermehrt politische Zeitungsartikel, Reden von Politikern, Wahlwerbung. Freundschaftsanfragen mehrten sich. Auf einmal begannen alle, sich mit allen zu „befreunden“, die in weiterer Hinsicht die gleiche Meinung hatten oder prominent politisch aktiv waren. Das war die Zeit, in der ich auch das erste Mal „entfreundet“ wurde. Ein Schulfreund aus der Grundschule wollte mit mir wohl nichts mehr zu tun haben, nachdem ich seine Wahlwerbung für Die Linke kritisierte. Das war allerdings eine Ausnahme, denn eigentlich war der Ton damals noch sehr freundlich und man diskutierte sehr offen, auch über Parteigrenzen hinweg. Ich kann mich z.B. noch gut daran erinnern, wie 2009 (es gab zu diesem Zeitpunkt so was wie Fan-Seiten noch nicht) Claudia Roth von den Grünen und Jörg van Essen von der FDP oder auch der damalige JU-Vorsitzende Philipp Mißfelder mehrfach auch auf meiner Pinnwand in einer Diskussion zwischen ganz normalen Wählern mitmischten. Man debattierte einfach, so wie man es im realen Leben auch gewohnt war. Ganz offen arbeitete man mit den Argumenten des anderen, versuchte sie zu widerlegen, diskutierte – ganz ohne Beleidigungen.
2009 fand die Veränderung statt, die ich im eingehenden Satz des letzten Absatzes ansprach, allerdings noch nicht so, dass man sie irgendwie negativ hätte betrachten müssen. Ganz im Gegenteil, ich fand das alles klasse. Die Vernetzung – meine Freundesliste war zur Zeit der BTW09 auf über 2000 Personen angewachsen – brachte ungeahnte neue Möglichkeiten. Man lernte tolle neue Leute kennen, von denen man einige dann auch im realen Leben traf. Die Timeline entwickelte sich zu so einer Art globaler Informationsleiste. Die geposteten Zeitungsartikel der immer mehr auf Social Media ausgelegten Online-Angebote der Tageszeitungen aus aller Welt ergaben einen Informationsfluss, wie ich ihn bis dahin noch nie gesehen hatte, und der war für mein wissensdurstiges Mittzwanziger-Hirn die absolute Erfüllung! Du, liebes Facebook, nahmst zu diesem Zeitpunkt einen festen Platz in meinem Leben ein. Morgens in der Straßenbahn las ich nicht mehr die Pendlerzeitung, ich schaute durch meine Timeline. Für den Abend verabredete man sich über Facebook und mindestens zwei Mal am Tag wurde geschaut, ob die Freunde etwas Neues gepostet hatten.
Das ganze tröpfelte nun weiter vor sich hin. Facebook fügte neue Funktionen hinzu, es gab jetzt vermehrt Gruppen von Interessengemeinschaften, die ersten Fan-Seiten erblickten das Licht der Welt, Facebook limitierte die Höchstanzahl der „Freunde“ etc. Ich persönlich lernte immer mehr Gleichgesinnte kennen, egal ob es das Hobby oder die Politik betraf. Allerdings wurde oft auch schon der Ton in den Diskussionen schärfer. „Entfreundet“ oder aus Gruppen gelöscht zu werden, wenn man mit der dort vorherrschenden Meinung nicht konform ging, wurde exponentiell steigend zur Normalität. Die „Nettigkeit“ im Netz nahm ab, was mich damals aber noch nicht sonderlich störte, ich hatte so oder so andere Prioritäten im Leben und zog mich deshalb vermehrt aus Diskussionsgruppen zurück, in denen ich für meine Meinungseinwürfe beleidigt wurde. Anfangs waren das noch Gruppen, die meiner politischen Einstellung größtenteils gegensätzlich waren, wie z.B. solche von Anhängern der Grünen oder der SPD, dann kamen in letzter Zeit sogar Gruppen meiner liberal-konservativen politischen Heimat dazu. Widerspruch wurde also oftmals nicht mal mehr in den eigenen Reihen geduldet.
Um mich herum bildete sich also eine sogenannte Filterblase. Das ging wahrscheinlich den meisten politisch interessierten Facebook-Nutzern so, egal welcher parteilichen Richtung sie angehörten. Es war ganz einfach zu bequem und einfach geworden, sich nur noch mit dem berieseln zu lassen, was man hören wollte. Richtig krass sind diese Filterblasen mit dem Fortschreiten der Flüchtlingskrise geworden. Egal, in welcher Art Facebook-Gruppe man zu dieser Zeit gewesen ist, ob pro oder contra, man fand dort keine vernünftige Diskussionskultur mehr vor. Wer etwas Kritisches zur Flüchtlingspolitik in „Refugees-Welcome“-Gruppen postete, wurde meist sofort gelöscht, nachdem ihm vorher andere User noch schnell irgendwelche Beleidigungen in die Kommentare geschrieben hatten – und umgekehrt war es genauso und ist es auch heute noch. Facebook hat unzählige kleine elitäre Clubs in Form von „Gruppen“ geschaffen, bei denen eine Beitrittsanfrage gestellt werden muss, um überhaupt Mitglied werden zu können. Bei vielen dieser Gruppen müssen Sie, bevor man Sie aufnimmt, zusätzlich zur Anfrage eine Reihe an Fragen „richtig“ beantworten, welche die Gruppen-Administratoren vorher festgelegt haben. Was meist einer Art Gesinnungsprüfung gleichkommt.
Die wichtigste Frage, die sich dabei im Bezug auf diese Entwicklung meiner Meinung nach stellt, ist, wie viele Nutzer wohl gemerkt haben, dass sie sich in einer solchen Blase befinden? Ich befürchte leider, auch im Hinblick auf unsere derzeitige gesellschaftliche Entwicklung, dass der Prozentsatz sehr gering ist. Ich bin sogar davon überzeugt, dass es den meisten Nutzern nicht bewusst ist, wie tief sie in einer solchen Filterblase stecken. Selbst in meinem Freundes- und Bekanntenkreis, bestehend aus Linken, Liberalen und Rechten, ist das offensichtlich vielen nicht bewusst.
Zwei Dinge sind dabei wohl besonders schlimm:
- Viele dieser Freunde sind Politiker, Journalisten sowie Unternehmer. Menschen, die offen – also „open minded“ – bleiben sollten für Argumente jedweder Art, um vernünftige und vorausschauende Entscheidungen treffen zu können.
- Sehr viele dieser Menschen scheinen diese Filterblasen mittlerweile auch mit ins reale Leben übernommen zu haben.
Interessanterweise scheinen die Berufsgruppen der Politiker und Journalisten dabei besonders stark betroffen zu sein, was sich auch darin widerspiegelt, dass es kaum noch echte politische Debatten zu geben scheint. Argumente der Gegenseite prallen oft nur noch ab. Jeder hält verbissen an seiner Meinung fest, selbst dann noch, wenn Denkfehler durch logische Argumentation offenkundig sind. Somit scheint die Vernunft ein Opfer der unbedingten Durchsetzung der eigenen Ideologie zu werden. Das ist zwar nicht erst seit Facebook der Fall, jedoch scheint es sich durch sein Zuwirken noch verstärkt zu haben.
Ganz besonders auffallend zu beobachten ist dies an Figuren wie Justizminister Heiko Maas, der ironischerweise mit seinem NetzDG gerade die für ihn und die Bundesregierung unbequemen Meinungen wegzensieren möchte und damit Facebook wohl am Ende zu einer Super-Filterblase im Gutmenschen-Gleichschritt formt.
Ähnlich verkorkst sieht die Situation im Journalismus aus. Begriffe wie Lügen- oder Lückenpresse kommen nicht von ungefähr. Dass sich die deutschen Medien, gerade mit der pro-Merkel- und der pro- bzw. oft sehr lückenhaften Flüchtlingsberichterstattung nicht mit Ruhm bekleckert haben, mag außer Frage stehen. Doch auch auf der „anderen Seite“ sieht es nicht besser aus. Um der einseitigen Berichterstattung in den Mainstreammedien entgegenzuwirken, schossen die Blogs im Netz wie Pilze aus dem Boden. Dass sich auch hier oft fragwürdige Inhalte finden, braucht nicht groß ausgeführt zu werden. Wer beide Blasen nicht erkennt und kritisiert, sollte vielleicht überprüfen, ob er sich nicht zu tief in einer der beiden befindet.
Was Facebook allerdings jetzt macht – oder aufgrund des Drucks von Seiten des bereits erwähnten Meinungsinquisitors Heiko Maas tun muss –, halte ich für das Gegenteil von förderlich. Ich möchte hier ganz klar sagen, dass ich keine Lösung habe, den Zustand, wie ich ihn von 2008 kenne, wiederherzustellen. Allerdings wird dies wohl kaum durch einfaches Löschen von „unbequemen“ Inhalten oder „Hass“-Postings durch groß aufgestellte Löschzentren zu händeln sein. Eine Zensur von unbequemen Meinungen, die nicht in das Weltbild der anscheinend sehr bequemen und nach außen abgeschotteten Filterblase von Heiko Maas und seinen Genossen von CDU/CSU, SPD und Grünen passen, wird die ganze Lage auf kurze Sicht nur noch verschlechtern. Die steigende Anzahl unzufriedener Bürger in eine Ecke zu treiben, aus der sich der ein oder andere sicherlich nicht mehr auf friedlichem Wege zu befreien weiß, ist sicherlich brandgefährlich – mal davon abgesehen, dass diese Zensur ein Angriff auf unsere Demokratie ist, wie es ihn seit 1945 nicht mehr gegeben hat.
Bisher hatten mich die Zensoren in Ruhe gelassen, selbst nachdem ich das erste Enthüllungs-Interview zu den zweifelhaften Praktiken der Facebook-Löschzentren mit einer ehemals dort tätigen Mitarbeiterin geführt hatte, durfte ich lange weiter ungestört meine Artikel posten. Doch nun hat mich diese Zensur innerhalb von 30 Tagen drei Mal, fast direkt hintereinander getroffen. Facebook hat mir dabei das Posten für je eine Woche verboten – unbegründet. Ohne mir eine „Verfehlung“ mitzuteilen und auch auf meinen ausführlichen Einspruch gegen die Sperre hat das Unternehmen nicht reagiert. Dabei bin ich nicht der einzige, wie bekannt sein dürfte. Blogger-Kollegen wie David Berger, Jürgen Fritz, Ines Laufer, Imad Karim usw. geht es regelmäßig genauso wie mir. Unbegründet gesperrt, Einspruch nicht beantwortet und kaum einmal entsperrt, geht das ganze Procedere wieder von vorne los. Allerdings ab jetzt nicht mehr mit mir. Ich werde Facebook diese Woche endgültig verlassen, meinen privaten Account und meine Fan-Seite schließen. Zensur kann ich als freier Mensch in keinster Weise hinnehmen!
Facebook lebt von seinen Nutzern, es sammelt Daten – was ich bis zu einem gewissen Grad hingenommen habe – und es verkauft Werbeplätze. Und für die werbenden Unternehmen ist Facebook nur so lange interessant, wie es diese Vielzahl an Nutzern hat, die es heute vorweisen kann.
Mit mir geht einer dieser Nutzer. Vielleicht folgen mir 10 und jedem dieser 10 folgen wieder 10 und so weiter, bis man auf der Facebook-Timeline nur noch Postings von Heiko Maas und Marc Zuckerberg findet. Vielleicht finden wir so zurück zur Debatte und zu einem vernünftigen Miteinander. Ich würde es mir wünschen!
PS.: Falls sich bei Facebook nun einige freuen, einen unbequemen Geist losgeworden zu sein: Nur weil ich Facebook verlasse, heißt das nicht, dass ich nicht weiter gegen die Zensurpraktiken bei euch anschreiben werde!
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