Am Wochenende hatten die Grünen noch auf ihrem Parteitag beschlossen, dass nur zwei AKWs als „Reserve“ bis Mitte April weiterlaufen, aber keinen Strom produzieren dürfen. Das dritte sollte abgeschaltet werden. Die FDP forderte dagegen, dass alle drei noch am Netz befindlichen Meiler mindestens bis 2024 weiterlaufen müssten. Ein Krisentreffen am Sonntag im Kanzleramt ging ergebnislos zu Ende.
Am Montag kam der dritte „Wumms“ von Olaf Scholz, nur wurde er diesmal nicht so genannt. Dank seiner Richtlinienkompetenz verfügte der Kanzler, dass alle drei AKWs bis zum 15. April Strom produzieren dürften, damit das Land über den Winter kommt. Danach soll endgültig Schluss sein. In den Qualitätsmedien wurde Scholz überwiegend gefeiert für seine vermeintliche Führungsstärke. Dabei ist sein Entschluss nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Die Energiekrise, in die uns die Politik gesteuert hat, werden wir so nicht los, im Gegenteil. Dafür bräuchte es das politische Eingeständnis, dass die so genannte „Energiewende“ krachend gescheitert ist und das Land an den Abgrund der Deindustrialisierung gebracht hat. Dazu ist noch Niemand bereit, auch die Union nicht, die ja eingestehen müsste, dass sie unter Merkel einen Irrweg beschritten hat. Ohne die willige Hilfe der Union hätte das grüne Diktat niemals umgesetzt werden können.
Bezeichnend war das Palaver der Politiker, das der Verkündung des Scholz-Entschlusses folgte. Wirtschaftsminister Habeck beeilte sich, den Kanzler zu unterstützen, weil er glaubt, so die endgültige Abschaltung der AKWs festzurren zu können. Seine Parteichefin Lang war weniger flexibel und forderte noch Gespräche, die aber nichts ändern werden. Grüne Parteifreunde beeilen sich, das Kanzler-Diktum als grünen Sieg zu reklamieren, weil der Ausstieg endgültig im April erfolgen soll. Auch die FDP erklärt sich zum Sieger, obwohl sie sich für einen Weiterbetrieb bis mindestens 2024 einsetzen wollte und mit ihrer Zustimmung zum Scholz-Plan wieder einmal als Bettvorleger gelandet ist.
Vor allem aber hat das Spektakel gezeigt, dass es keinem Politiker um das Land geht, sondern nur um Befindlichkeiten von Parteien.
Oppositionsführer Merz reagierte windelweich, es sei zwar wohl notwendig gewesen, „um die Ampel auf Kurs zu bringen“, aber die „Atomkraftwerke müssen – wie es die FDP gefordert hat – bis 2024 mit neuen Brennstäben weiterlaufen.“
Sich hinter der Regierungspartei FDP zu verstecken, ist keine Opposition, die diesen Namen verdient. Merz hat immer noch nicht begriffen, dass er seinen Lebenstraum, Kanzler zu werden, nicht mit, sondern nur gegen die Grünen war machen kann.
CSU-Chef Söder ist lediglich „enttäuscht“. Das Problem sei nur vertagt. Es sei „zwar eine Lösung im Ampelstreit, aber nicht für das Stromproblem in Deutschland. Die Gefahr eines Blackouts im kommenden Jahr bleibt bestehen“.
Warum verzichtet er dann darauf, Druck auf die Regierung zu machen und eine wirkliche Lösung des Problems zu fordern? Richtig, er hat ja auch die „Energiewende“ als alternativlosen Schritt in die Zukunft gefeiert.
Politiker scheren sich zwar nicht um ihr Geschwätz von gestern, aber ein Eingeständnis von ihnen, die Weichen falsch gestellt zu haben, ist nicht zu erwarten. Dafür brauchen sie Druck von ihren Wählern. Der wird sich hoffentlich noch vor dem ersten Blackout so erhöhen, dass ein Kurswechsel in der Energiefrage erzwungen wird.
Oder die Bevölkerung muss auf die harte Tour lernen, dass es nicht genügt, kein Vertrauen zu Politikern zu haben, sondern dass der Souverän dafür sorgen muss, dass die gegenwärtige Gurkentruppe durch fähige, verantwortungsbewusste Mandatsträger abgelöst wird.
Quelle: Vera Lengsfeld