Pünktlich zum „Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust“ “, der seit 2006 am 27. Januar – Tag der Befreiung vom KZ-Auschwitz durch russische Truppen – weltweit begangen wird, präsentierte die Israelitische Kultusgemeinde in München eine qualitativ herausragende und tief bewegende Dokumentation über ein Ereignis, das Geschichte geschrieben hat. Mit dem atemberaubenden Rhythmus der besten heutigen US-TV-Serien wird auf die Entstehung einer Fernsehübertragung eingegangen, die als das erste „globale Medienereignis“ tout court gilt.Man schrieb das Jahr 1961 als ein amerikanisches Filmteam nach Jerusalem fuhr, um den Eichmann-Prozess aufzuzeichnen. Das Team war auf ausdrücklichem Wunsch vom damaligen israelischen Premierminister David Ben Gurion eingeladen worden, der die Weltöffentlichkeit an dem wohl spektakulärsten Prozess gegen NS-Verbrecher teilhaben lassen wollte. Die Aufregung war groß in Israel, wo allgemein noch keine genaue Kenntnis über die wahre Dimension und die Schwere der NS-Greueltaten herrschte. Viele unter denÜberlebenden hatten sich bislang in Schweigen gehülltund es vorgezogen – um überhaupt weiter leben zu können! -, den Blick in dieZukunft und nicht in die Vergangenheit zu richten.Auch technische Problemen stelltenbei Ankunft des TV-Teams in Israel eine großeHürde. Nicht klar war es anfangs, ob die Richter die Aufnahmen im Gerichtsaal genehmigen würden. Erst nachdem die Kameras in den Wänden des Theaters eingebaut wurden, wo sich der Prozess abspielte, durfte es seine Arbeit aufnehmen. In einem Mix vongespielten Szenen und Originalaufnahmen entwickelt sich die packende Story, die mit der Zeit eine sich dramatisch zuspitzende Eigendynamik gewinnt. Mehr noch als das Geschehen im Gerichtssaal mit den erschütternden Berichten der Opfer rückt die Reaktion des Fernsehteams in den Fokus des Interesses, das vier Monate lang unter einem oft unerträglichen psychologischen Druck filmt und mit Entsetzen die emotionslose, eisige Haltung des Angeklagten verfolgt, der in allen Phasen der Anhörung nicht nur jegliche persönliche Verantwortung bestreitet, sondern sich als unfähig erweist, selbst eine Spur von Mitgefühl zu zeigen. Und es ist diese weit auseinander klaffende Diskrepanz zwischen der Empathie des Teams und der menschenverachtenden Kälte Eichmanns, die den Dokufilm auszeichnet und so wertvoll macht. Ein hervorragend von TV -Star Antony La Paglia gespielter verantwortlicher Regisseur Leo Hurwitz sorgt für eine zusätzliche Steigerung, indem er die Kamera zunehmend auf Eichmann konzentriert, in der Erwartung – wie er sagt – ein Anzeichen von Reue zu verspüren, das nie kommen wird.Und dies ohne dabei jener Faszination des Bösen zu unterliegen, das im Falle Eichmanns keinesfalls „banal“- wie die im Gerichtsaal anwesende Hannah Arendt schrieb– , sondern ganz einfach teuflisch wirkt. Hochkarätig mit Martin Freeman und Rebecca Front besetzt, besticht die 92 minütige BBC-Produktion von Regisseur Paul Andrew William und Simon Block als Drehbuchautor vor allem durch ihre Art realistisch zu vermitteln, wie schockierend sich die Darstellung vom perfekt organisierten Massenmord anhand von Zeugenaussagen zum ersten Mal in einer Dokumentation auswirkte, die in 37 Ländern ausgestrahlt wurde.
Uns bleibt nur zu wünschen, dass „Die Eichmann-Show“ bald auch über unsere Bildschirme laufenund möglichst – nicht zu allzu später Stunde -von vielen Zuschauern gesehen wird.
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