Fragt man, was den besonderen Wert dieser über Wochen und Monate kontinuierlich anwachsenden Serie ausmacht, dann findet man Antworten in der Geschichte der Fotografie und in der Intention der Fotografin, stets das Konkret-Menschliche im Fokus ihrer Arbeit zu halten, den persönlichen Ausdruck, die individuelle Erscheinung. Es geht ihr nicht vordergründig um visuelle Reize und gelungene Kompositionen. Sie spielen natürlich eine Rolle als Mittel zur Erreichung ihres zentralen Anliegens: das Menschliche und damit Verbindende in all den Szenen zu zeigen, die jüdisches Leben heute in einer kleinen Gemeinde und einer Stadt wie Erfurt charakterisieren. Hier wird jüdisches Leben nicht einfach illustriert und dabei auf Allgemeinverständlichkeit des Gezeigten abgezielt, wie man es von einer üblichen fotografischen Reportage erwarten könnte. Nein, weit darüber hinaus gelingt hier das Sichtbarmachen fragiler zwischenmenschlicher Geflechte, subjektiver Gesten und Befindlichkeiten. Im Zentrum immer wieder der menschlich berührende Moment, der dem einen oder anderen Augenzeugen vielleicht entgangen ist, nicht jedoch der feinen Wahrnehmung der Fotografin, die sich dabei als eine Künstlerin ihres Fachs erweist. Zur Kunst wird beobachtendes Fotografieren, wenn das in der Wirklichkeit häufig nur vorübergehend und kontingent Erscheinende im Bild die Form eines Besonderen gewinnt, das unsere Aufmerksamkeit nachhaltig auf sich zieht und zugleich als etwas Charakteristisches, allgemein Gültiges begriffen werden kann. So bleibt es über die Erinnerung an das konkrete Ereignis hinaus für uns attraktiv und bedeutsam. Bei Elena Kaufmann mündet das beobachtende Fotografieren immer wieder in eine Emphase des Menschlichen und Verbindenden, das zu erkennen sie in besonderer Weise begabt ist. Mit ihrer Arbeit zur Erfurter jüdischen Gemeinde reiht sie sich in eine Traditionslinie der Life-Fotografie ein, der verschiedene international agierende Fotografen vor über siebzig Jahren mit der Gründung von MAGNUM PHOTOS ein Credo verliehen.