Deutsche Kunst aus verschiedenen Generationen in der Pasinger Fabrik: Käthe Kollwitz, Alexander Dettmar und Wolfgang Tornieporth

Endspurt in der Galerien 1-3 der Pasinger Fabrik für eine seit Anfang Dezember viel beachtete Ausstellung, die absichtlich auf Kontrasten zwischen zwei Künstlern baut, die sich gänzlich voneinander unterscheiden. Unterschiedlich sind sie in der Tat in Ihrer Art Kunst zu produzieren, in ihrer Weltanschauung und selbst in ihrer Themenauswahl. „Gegensätzlicher“ – liest man schon in der Ankündigung – „kann eine künstlerische Begegnung über Generationen hinweg kaum sein. Und dennoch geht von dieser Zusammenschau eine nahezu magische Wirkung aus, die es dem Betrachter selbst überlässt, hinter der divergenten äußeren Bildgestalt die Nähe und Vergleichbarkeit der feinstofflichen Verbindungslinien zu entdecken“.
Zwei deutsche Künstler, respektive die im ostpreußischen Königsberg geborene Käthe Kollwitz, eine der Ikonen deutscher Kultur, neben dem aus Freibung stammenden, beinah ein Jahrhundert jüngeren Alexander Dettmar, der erst acht Jahre nach ihrem Tod das Licht der Welt erblickte. Ein kühnes, gewagtes Unternehmen, und dennoch ein Versuch wert, der – wie die Besucherzahlen belegen – viel Zuspruch erntete.
Sehr unterschiedlich auch die Medien, denen sich die zwei Künstler bedienen: Zeichnungen, Druckgrafik und Skulpturen bei Käthe Kollwitz, Ölgemälde bei Alexander Dettmar.
Menschenbilder, Köpfe, Figuren bei Kollwitz, rigoros menschenleere urbane Landschaften mit architektonischen Motiven in matten Erdfarben: weiß, beige, braun, ocker, von ziegel- bis weinrot bei Dettmar. Dies mit einer Ausnahme. Auf einem einzigen Bild sind zwei Frauengestalten abgebildet: Diese haben allerdings keine Gesichtszüge!
Die gewaltige Gruppendarstellung elender Arbeitermassen, ein für Käthe Kollwitz' Bilder so repräsentatives Motiv, dass Ihre Kunst im Kollektivgedächtnis mit dem Deutschland der ersten Hälfte vom XX. Jht. identifiziert wird. Der Tod als immer währende Präsenz bei ihr, kontrastierend mit der kompletten Abwesenheit von Lebewesen bei Dettmar, mit seinen imposanten aus dem Boden schießenden Bauwerken, die oft nicht mehr existent sind und die er in seinen Bildern rekonstruieren weiß. Auch irreal-imaginierte Bauten als „Kulisse des Menschlichen“ (Hellmut Seemann), als Symbol, für etwas, was die rein irdische Existenz überdauert, wie Steine und Mauern. Bauwerke als Trait-d'Union zwischen Erde und Himmel. Wie die Reihe „Zerstörte Deutsche Synagogen“, die 2012 in einer anderen bemerkenswerten Einzelschau auch in der Galerie der Pasinger Fabrik zu sehen war. An Stelle der Synagogen treten in dieser gelungenen Gegenüberstellung mit dem Oeuvre von Käthe Kollwitz Ansichten von Friedhöfen oder leeren Plätze und einsamen Orten zwischen Berlin und Paris auf, in denen sich ideell Spuren der Künstlerin
zurückverfolgen ließen.
Die Schau wurde von der Pasinger Fabrik GmbH in Zusammenarbeit mit der Ernst Barlach Museumsgesellschaft Hamburg organisiert. Eine zusätzliche München-Serie, die Dettmar im Laufe seines Aufenthaltes als „Artist in Residence“ in der städtischen „Villa Ebenböck“ in Pasing realisiert hat, war dort ab Ende Januar ausgestellt.
Bis zum 3. April zeigt die Pasinger Fabrik im Lichthof und in der Bar eine weitere Werkschau des in Hamburg geborenen Malers Wolfgang Tornieporth. Nicht von Menschenhand geschaffene Bauten rücken hier in das Blickfeld des Interesses, sondern der unglaubliche Reichtum an Farben und Formen einer Bergwelt, die sowohl Menschen als Tiere verlassen zu haben scheinen. „Bergwelt“ ist auch der Titel der beeindruckenden Serie, in der der Berg sich selbst überlassen wird, um sich zunehmend in seiner magischen Schönheit als ein „abstraktes ästhetisches Gebilde“ zu entblößen. Ganz ohne Vegetation, ohne Spuren eines menschlichen Mitwirkens wie Pfade oder Wege sein könnten, entfaltet er seinen inneren Reiz vor einem Betrachter, der – ganz ins Staunen versetzt – vor einer ungeahnten, faszinationsreichen Körperlandschaft mit Muskeln, Sehnen, Bändern und Adern steht, die ihn zu einer spannenden Entdeckungsreise einlädt.

www.pasinger-fabrik.com

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Dr. Anna Zanco-Prestel, hat Literaturwissenschaften (Deutsch, Französisch und Italienisch) und Kunstgeschichte in Venedig, Heidelberg und München studiert. Publizistin und Herausgeberin mit Schwerpunkt Exilforschung. U.d. Publikationen: Erika Mann, Briefe und Antworten 1922 – 69 (Ellermann/DTV/Mondadori). Seit 1990 auch als Kulturkoordinatorin tätig und ab 2000 Vorsitzende des von ihr in München gegründeten Kulturvereins Pro Arte e.V.

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