Der Ausruf „Der Teufel ist los!“ geht auf die Vorstellung der tausendjährigen Herrschaft von Jesus Christus und seiner Anhänger zurück. In dieser Epoche ist der Teufel gebunden und sitzt quasi im Abgrund fest. Danach allerdings wird er für „eine kleine Zeit“ losgelassen, so heißt es zumindest in der „Offenbarung“ (20,3). Es scheint, dass diese „kleine“ Zeit gekommen ist. Wir schreiben das 21. Jahrhundert und wir können nicht einmal mehr sagen, dass der Teufel los ist, weil wir gar keine Vorstellung mehr davon haben, was denn dieser „Teufel“, der „Satanas“ überhaupt sein soll. Dabei lassen sich die Ursprünge des Glaubens an einen „Deibel“ durchaus eruieren. Der Begriff leitet sich ab von dem griechischen Wort „diabellein“, was soviel wie trennen und entzweien bedeutet. DieWurzel des italienischen „diabolo“, nämlich „diabellein“, bedeutet vieles, u.a.: hinüberbringen, übersetzen, entzweien, verhasst machen, verfeinden, verwerfen, verleumden, verklagen, beschimpfen, täuschen, betrügen, irreführen.
Satan, zu einem vagabundierenden, rastlosen, unsteten Dasein verurteilt, kennt keine fest Bleibe; denn obgleich er, infolge seiner engelhaften Natur, über ein Reich zerfließender Wüstenei und Luft herrscht, so ist es doch gewißlich Teil seiner Strafe, daß er, ohne jeden angestammten Ort oder Raum ist, der es ihm gestatten würde, seinen Fuß darauf ruhen zu lassen.
(Daniel Defoe, englischer Romancier)
Das griechische Wort „daimon“ bedeutet „geschiedener Geist“ und stammt seinerseits vom Begriff „daiesthai“, der teilen oder zuteilen bedeutet. Der griechische Philosoph Sokrates besaß bekanntlich einen, den er auch im Sinne eines „guten Gewissens“ verstand. Ein Dämon galt bei den Griechen als ein Schicksalsbringer, des bösen sowie des guten Schicksals. Auch verstand man den Dämon in seiner Funktionals Mittler zwischen den Göttern und den Menschen. Um auf der Erde bestehen zu können, schrieb man den Dämonen die Fähigkeit zu, einen Körper anzunehmen also die Fähigkeit zur Inkorporation, was ihnen ermöglichte, sowohl Lust als auch Schmerz zu empfinden, also an der Welt der Sinne zu teilzunehmen. Der Teufel gehört also zur Welt. Der österreichische Dichter Peter Rosegger schreibt treffend hierzu:
Der Herrgott liabt d' Welt;
Hots mit Rosan umwunden.
Da Teufel denkt: Hallo!
Hots Pulver erfunden.
Der Herrgott liabt d' Welt;
Hots gut Weinl erkorn.
Und da Teufel mochts noch,
Is a Schnapsl draus worn.
Der Herrgott liabt d' Welt;
hat die Priaster erschoffen.
Da Teufel, sein Feind,
der geht her und mocht Pfoffen.
Der Herrgott liabt d' Welt;
hat d' schön Dirndln aufbrocht.
Und da Teufel, der Teufel
hat olti Weiber draus g'macht.
Da Herrgott sogt jo,
und da Teufel sogt noa,
und dron kennt ma's holt leicht
aus ananda de Zwoa.
Im neuen Testament, welches unsere westlich-christliche Kultur wesentlich durchdrungen hat, wird der Dämon als der unreiner Geist verstanden und mit dem Triumph des Christentums prägte diese Interpretation unser Dämonenverständnis. Es gibt aber noch andere „böse“ Geister in anderen Kulturkreisen. Im Islam wird zum Beispiel zwischen Satanen und Dschinns unterschieden. Letztere gelten sogar als gut, sofern sie sich für Allah entscheiden. Das Gute, die Liebe vereint; das Böse, der Hass trennt. Doch es gibt auch das Böse, das Gutes gebiert, so betont zumindest Poul Bjerre, schwedischer Psychoanalytiker.
Der Teufel is überhaupt nicht das Schlechteste, ich laß mich lieber mit ihm als mit manchem Menschen ein. Er ehrt das Alter, seine Großmutter steht hoch in Ansehen bei ihm, das is halt a schöner Charakterzug. Er halt aufn´ Handschlag, man siehts, daß er viel mit die Ritter z' tun g'habt, er erfüllt seine Verträge weit prompter als manch irdischer Schmutzian; freilich nachher am Verfallstag, da kommt er auf d' Minuten, Schlag zwölfe, holt sich seine Seel´ und geht wieder schön ordentlich nach Haus in seine Höll´; 's is halt a Geschäftsmann, wie sich's gehört.
(Johann Nepomuk Nestroy, österreichischer Dramatiker)
Seit Jesus „Dämonen“ ausgetrieben hat, wurden bis in die heutige Zeit viele Krankheiten wie Neurosen, Psychosen, Epilepsieanfälle, Schizophrenie, Wahnsinn bis hin zu abartigen Verhaltensmustern (z.B. Amoklauf) als Besessenheit durch „böse Geister“ interpretiert.Exorzismen wurden und werden betrieben, auch wenn sie sich heute größtenteils nur noch auf das mehr oder minder unspektakuläre Rituale wie Gebete beschränken. Nichtsdestotrotz sind sie das Überbleibsel eines Glaubens, der sich fest in den Köpfen der Menschen verankert hat. So schrieben die Christen(ähnlich der griechischen Auffassung) den Dämonen einen Körper zu und vermuteten auch, dass sie sich deswegen von etwas ernähren mussten. Wer angesichts dieser „naiven“ Vorstellungen lächelt, vergesse nicht,dass die Vorstellung des Bösen nicht aus unserem Alltag gewichen ist. Katastrophen, bestialische Verbrechen gegen die Menschlichkeit und unverständliche Grausamkeit sorgen dafür, dass er/es immer wieder die säkulare Bühne der apokalyptischen Ideologien betritt, freilich unter verschiedenen Namen oder als Abstraktion, oft auch als Inkorporation. Zur Erinnerung eine kurze, willkürlich ausgewählte Chronologie der Endzeiten des beginnenden 21. Jahrhunderts:2001findet der Terrorakt gegen die westliche Welt und die Großmacht USA statt, durch den das westliche Selbstbewusstsein empfindlich angegriffen wird. 2002 indiziert der Krieg gegen den Terror die fortschreitende kollektive Unsicherheit insbesondere der Vereinigten Staaten von Amerika. 2004 wird eine neue Ära der Kommunikation, Freundschaft und Gewalt eingeleitet: Facebook kommt auf den Markt und mit ihm der unwiderstehliche Wunsch nach unendlich vielen „Friends“ und die Möglichkeit, eine (junge) Masse zu mobilisieren. Dies zeigt sich rund sechs, sieben Jahre später in den Auswüchsen und Früchten des „arabischen Frühlings“. Dazwischen gibt es natürlich die üblichen Naturkatastrophen, Vergewaltigungen und Inzestfälle, Morde und der Erde gefährlich nahe Meteoriten. 2008 scheint sich der Teufel in die Banken und Börsen eingeschlichen zu haben. Das erregt um einiges mehr Aufsehen, als viele Ereignisse der Jahre davor. Na klar, es ist Geld im Spiel. Mit dem portugiesischen Sprichwort „Gott ist das Geld – und wenn es weg ist, ist der Teufel los!“ lässt sich die Weltwirtschaftskrise charakterisieren. Kurz scheint es, dass uns der Teufel im Nacken sitzt, den wir aber erfolgreich ignorieren. Barack Obama kommt an die Spitze; es scheint, dass den „weißen Teufeln“ endlich die Idee vom „schwarzen Teufel“ ausgetrieben worden ist. Zumindest an der Oberfläche des US-amerikanischen Staates. 2009 macht wieder der Nah-Ost-Konflikt von sich reden – „Gott sei Dank!“ nur kurz. Danach hat die Welt wichtigere Probleme: die Schweinegrippe. Selbst dem „Wiener Schitzel“ ist nicht mehr zu trauen. 220.000 Menschen sterben 2010 in Haiti. Die Armut ist grenzenlos wie auch die aufkommende Verzweiflung und Gewalt. Natürlich ist das ein sehr verkürzter Auszug aller Vorfälle, die man nur allzu gern dem Teufel in die Schuhe schieben würde. 2011 bestraft das Unglück in Fukushima die Welt für ihren ungezügelten Fortschrittswillen und kurz darauf die Eurokrise die Wirtschaftswelt und politischen Opportunismus. Es wird klar: Der unendliche Wohlstand der westlichen Welt ist längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Viele sind wütend auf die Verfehlungen der Politik, enttäuscht von den vielen unerfüllten Versprechungen und desillusioniert. Es ist eine prekäre Situation, in der wir leben, denn, um es mit den Worten des deutschen Dramatikers Emil Gött auszudrücken, seine besten Opfer sucht der Teufel unter denen, die enttäuscht sind, weil sie meinten, der Himmel habe zu halten, was sie sich von ihm versprechen.
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