Der Deal oder weniger anrüchig ausgedrückt die Verständigung zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft, Verteidiger und Angeklagten über das Strafmaß soll nun gesetzlich geregelt werden. Die Bundesregierung sieht Handlungsbedarf, weil es seit über 20 Jahren zum Alltag in Strafverfahren gehört, dass sich Gericht und die Beteiligten über dessen Ergebnis verständigen, worüber die Medien insbesondere bei großen Wirtschafts- und Steuerstrafverfahren berichtet haben. Der BGH hat schon in 2005 eine gesetzliche Regelung angemahnt. Der Gesetzgeber soll nun den Spagat zwischen umfassender Wahrheitsermittlung mit gerechter und der individuellen Schuld angemessenen Strafe und dem in den USA üblichen und auch hier drohenden „Konsensprinzip“ lösen, um Rechtssicherheit und vor allem die gleichmäßige Rechtsanwendung zu erreichen, damit der Deal kein Privileg der Reichen oder Weiße-Kragen-Täter ist, die sich eine aufwendige Verteidigung leisten können.
In der Tat kenne ich Absprachen schon seit 1974, als ich als Rechtsanwalt anfing und bis 1980 als Strafverteidiger in ganz Deutschland unterwegs war. Damals waren es vereinzelte Fälle. Ein Geständnis hat sich schon immer strafmildernd ausgewirkt, wobei es zwei Arten von Geständnissen gab und gibt. Im Falle der klaren Überführung zeigt der Täter damit Reue und Schuldeinsicht, was weniger stark bewertet wird. Bei unklarer Beweislage hat ein Geständnis ein größeres Gewicht, weil dadurch das Verfahren abgekürzt wird.
Inzwischen sind Deals an der Tagesordnung. Diese Praxis will die Bundesregierung jetzt kodifizieren, allerdings auf das Strafmaß beschränken. Eine Verständigung über den Schuldspruch soll es nicht geben. Abgesehen vom grundsätzlichen Zweifel, ob in Strafsachen, in denen der Staat als „Rechtsmonopolist“ klären soll, ob und wie sich eine Person strafbar gemacht hat, eine Verständigung zwischen den Beteiligten Grundlage eines Urteils sein darf, sich ein betuchter Angeklagter die Bewährungsstrafe oder Einstellung mit einer hohen Geldauflage erkaufen kann, über deren Verteilung dann der Richter oder der Staatsanwalt verfügt, bin ich skeptisch, ob das Gesetz sein Ziel erreichen wird. Denn derjenige, der sich schon im Ermittlungsverfahren einen Verteidiger leisten kann, wird versuchen, bereits in diesem Stadium den Sachverhalt so „hinzutrimmen“, dass der Schuldspruch günstiger ausfällt. Selbst im Prozess kann der Sachverhalt durch punktuelle Geständnisse und Beschränkung auf Teile und/oder einige Taten „manipuliert“ werden, was letztlich ebenfalls die Strafe beeinflusst. Der „kleine Straftäter“, der ohne Verteidiger beim Amtsgericht verhandelt oder derjenige, dem ein weniger engagierter Pflichtverteidiger beisteht, muss sich auch künftig darauf verlassen, dass Staatsanwalt und Richter von sich aus einer Verständigung nähertreten, deren Berechtigung und Tragweite er möglicherweise gar nicht einschätzen kann. Die Anwendung dieses Instruments im Sinne der Gerechtigkeit und Gleichheit vor dem Gesetz wird weiterhin vom Ethos der Richter und Staatsanwälte abhängen, ob ihnen eher an einer schnellen Erledigung oder mehr an einer umfassenden Wahrheitsermittlung mit einem gerechten Urteil liegt.
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