„Also ich würde mich zu der gehobenen Mittelschicht äh in Deutschland äh äh äh zählen. Und äh nicht zu dieser kleinen sehr vermögenden, sehr wohlhabenden Oberschicht. Dazu gehöre ich sicher nicht!“, sprach Herr Merz mit e. Er lebe „in geordneten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen, die mir eine hohe persönliche und politische Unabhängigkeit geben.“ Und auf die Frage: „Sind Sie Millionär?“, antwortete er: „Äh äh also äh ich liege jedenfalls nicht darunter“. Was für eine naive Frage der Bild! Merz bewegt sich in völlig anderen Dimensionen. Doch betrachten wir es etwas genauer. Wie reich ist der womöglich kommende CDU-Vorsitzende und nächste Bundeskanzler wirklich? Vor allem aber: Wie ist es um seine gesunde Selbsteinschätzung, Wahrhaftigkeit und Bodenhaftung bestellt?
Letztes Jahr gab es schon einmal einen Millionär, der Kanzler werden wollte
Die meisten werden sich noch sehr gut erinnern können: Im letzten Jahr gab es schon mal einen, der Kanzler werden wollte, ja der sogar schon ganz sicher war, bald der neue Regierungschef der Bundesrepublik Deutschland zu sein. Er wäre, der erste Millionär gewesen, der es in dieses Amt geschafft hätte. Nun gibt es seit einigen Wochen wieder einen, der sich anschickt, das in den nächsten Jahren werden zu wollen, vielleicht sogar schon in wenigen Monaten. Aber zunächst möchte ich auf einen ganz wesentlichen Unterschied zwischen diesen beiden hinweisen, denn Millionär ist nicht gleich Millionär.
Martin Schulz, Jahrgang 1955, der letztes Jahr sein Glück beim Wähler suchte, es dort aber nicht fand, da jener Schulzens Partei gerade noch so über die 20 Prozent-Marke hievte, der SPD mithin das schlechteste Wahlergebnis seit Bestehen der Bundesrepublik bescherte, hat in seinem ganzen Leben kaum mal ein paar Euro am freien Markt verdient. Ja, der Sozi hat weder ein abgeschlossenes Studium, wahrscheinlich nicht mal einen abgeschlossenen Beruf – hierüber gibt es zumindest keine verlässliche Quelle, die einen solchen belegen würde -, und hat sogar die Schule ohne Abitur abgebrochen. Sein gesamtes Millionenvermögen stammt nahezu ausschließlich aus Zwangsenteignungen von Bürgern, aus denen dann unsere Politiker bezahlt werden, die hierbei selbst festlegen, wie viel aus diesen Zwangsenteignungen nicht für andere Dinge des Staates, sondern für sie selbst abgezwackt werden.
Merz: Mein Standardtagessatz beläuft sich auf 5.000 Euro
Ganz anderes Friedrich Merz, ebenfalls Jahrgang 1955. Der Mann hat sein Abitur gemacht, studierte Rechtswissenschaft (als Stipendiat der Konrad-Adenauer-Stiftung), legte sein Erstes Staatsexamen ab, war dann als Referendar am Landgericht Saarbrücken, legte sein Zweites juristisches Staatsexamen ab und war kurze Zeit (1985 bis 1986) Richter auf Probe am Amtsgericht Saarbrücken. Kurzum der Mann hat schon mal einen ordentlichen Beruf gelernt, müsste also nicht in der Politik tätig sein, um zu Geld zu kommen. Dass Merz auch in der freien Wirtschaft gefragt ist, war schnell klar. Schon von 1986 bis 1989, also mit Anfang 30, war Merz als Syndikusrechtsanwalt beim Verband der Chemischen Industrie beschäftigt.
Nachdem Angela Merkel ihm 2002 die Position des Oppositionsführers im Deutschen Bundestag weggenommen hatte, die sie zusätzlich zum CDU-Parteivorsitz für sich beanspruchte, und Merz nun „nur noch“ stellvertretender Fraktionsvorsitzender war, war er „nebenher“ für eine Kölner Anwaltskanzlei tätig. Seit 2005 war er dann neun Jahre lang Partner bei der internationalen Kanzlei Mayer Brown LLP. Im Januar 2010 wurde er in den Verwaltungsrat von HSBC Trinkaus & Burkhardt berufen und im Juni 2010 in den Aufsichtsrat gewählt. vom Bankenrettungsfonds Soffin wurde Merz damit beauftragt, den Verkaufsprozess der WestLB an einen privaten Investor zu leiten. Hierfür verlangte er ein recht stolzes Tageshonorar von 5.000 Euro pro Kalendertag, also etwa 1,8 Millionen pro Jahr, was Merz selbst als „Standardstundensatz“ bezeichnete.
Darüber hinaus ist Friedrich Merz seit vielen, vielen Jahren in diversen Aufsichtsräten, die kaum alle aufgezählt werden können, unter anderem bei der IVG Immobilien AG (bis 2010), beim AXA Konzern (bis 2014), seit 2009 als Vorsitzender des Aufsichtsrats der WEPA Industrieholding SE, ein Toilettenpapierproduzent, seit Dezember 2017 als Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafen Köln/Bonn GmbH usw. usf. Vor allen Dingen war er dann ab März 2016 als Aufsichtsratschef (active chairman) und Lobbyist bei BlackRock Germany tätig. BlackRock ist der weltweit größte Vermögensverwalter. So jetzt aber zu der Frage: Was verdiente Merz denn all die Jahre so?
Seit wann sind Sie nicht Vermögens-, sondern Einkommensmillionär?
Hier ein erster Anhaltspunkt. Was Friedrich Merz bei BlackRock die letzten Jahre verdiente, ist nicht bekannt und das möchte er auch nicht angeben. Aber was wir wissen, ist folgendes: Über Merz steht beim Vermögensverwalter BlackRock nur noch Konzernchef Larry Fink. Und der erhält pro Jahr 28 Millionen Dollar (ca. 25 Millionen Euro). Die Frage also, liebe Bild-Journalisten, ob Friedrich Merz Millionär sei, war, mit Verlaub, von seltener Naivität und Unkenntnis der Verhältnisse. Eine adäquate Frage wäre zum Beispiel gewesen, nicht: „Haben Sie ein Millionenvermögen?“, sondern: „Seit wann sind Sie Einkommensmillionär?“. Ich hoffe, der Unterscheid ist klar.
Bereits in seiner Zeit bei Mayer Brown LLP von 2005 bis 2014 soll er nur aus dieser Tätigkeit zwischen 500.000 und 1.000.000 Euro pro Jahr verdient haben plus die Bezüge aus den Verwaltungs- und Aufsichtsratstätigkeiten. Und auch in seiner Zeit als Bundestagsabgeordneter bis zum Jahre 2009 war Friedrich Merz an der Spitze der Topverdiener. Als die Nebeneinkünfte erstmals veröffentlicht werden mussten, das allerdings in sehr groben Spannen, also keine exakten Zahlen, wogegen Merz gleichwohl erfolglos klagte, weil er selbst diese ganz groben Angaben ablehnte, schätzte manager-magazin.de die „Nebeneinnahmen“ von Merz, also zusätzlich zu seinen Abgeordnetendiäten, damals vorsichtig auf eine Viertelmillion Euro im Jahr.
Dass Sie mich bitte richtig verstehen, ich kritisiere das nicht, selbst wenn Merz eine Million pro Monat verdienen sollte. Wenn BlackRock sagt, „das ist uns der Mann wert“, und bereit ist, ihm so viel zu zahlen, dann ist das völlig in Ordnung. Nur eines passt dann eben nicht, Herr Merz: Wenn Sie öffentlich so tun, als wären Sie Teil der „gehobenen Mittelschicht“. Sorry, das sind Sie nicht und das ist entweder nicht ehrlich oder Ihnen mangelt es an gesunder Selbst- und Fremdeinschätung. Dazu gleich mehr.
Merz ist kein Millionär von nebenan, sondern entweder ein mittelschwerer Millionär oder gar ein Superreicher
Ob Merz also Vermögensmillionär ist, diese Frage, liebe Bild, ist lächerlich und die Ahnungslosigkeit, mit der hier gefragt wird, geradezu rührend. Millionäre gibt es in Deutschland ca. 1,3 bis 1,4 Millionen. Jeder dreißigste Haushalt in Deutschland ist also Millionärshaushalt. Dass Merz, der Aufsichtsratschef von BlackRock Germany, hier dazu gehört, ist nicht nur selbstverständlich, die Frage ist absurd. Merz ist kein Millionär von nebenan (1 bis 5 Millionen Nettovermögen).
Eine adäquate Frage müsste lauten, ob er zu den mittelschweren Millionären (5 bis 30 Millionen) gehört oder zu den Superreichen (über 30 Millionen), womöglich sogar über ein neunstelliges Vermögen (über 100 Millionen) verfügt. Dass er mindestens zu den mittelschweren Millionären gehört (mind. 5 Millionen), höchstwahrscheinlich auch mindestens im achtstelligen Bereich liegt, sollte vollkommen klar sein bei diesen Jahresverdiensten. Ob er auch die 100.000 Millionen-Grenze (neunstellig) schon erreicht hat, dazu gleich mehr. Doch zunächst eine einfache finanzmathematische Überlegung, die vielen wohl nicht klar sein dürfte, die aber zum kleinen Einmaleins eines jeden Finanzconsultant gehört.
Die zweite Million ist sehr viel leichter als die erste und jede folgende wird immer noch leichter
Die erste Million ist immer die schwerste. Die zweite ist um ein vielfaches leichter, die dritte noch viel leichter, die vierte ein Kinderspiel usw. Weshalb ist das so? Nun, sobald Sie die erste Million an Vermögen haben, kommt zu ihrem monatlichen Verdienst, der bei Merz ja ebenfalls im siebenstelligen Bereich liegen dürfte, noch die Kapitaleinkünfte dazu. Nun arbeitet quasi das Geld für sie mit. Und das arbeitet irgendwann so schnell, dass Sie Schwierigkeiten haben, mit ihrem Jahresverdienst hier mitzuhalten. Wer in Aktien investiert, kann im langfristigen Durchschnitt ca. 8 bis 10 Prozent Rendite p.a. einfahren.
Das heißt, wenn jemand bereits 10 Millionen hat und die geschickt anlegt, dann werden aus diesen 10 Millionen bei 8 Prozent Durchschnittsrendite in nur neun Jahren 20 Millionen. Bei 10 Prozent Rendite dauert die Verdopplung sogar nur 7,3 Jahre. Dabei kommt dann nicht nur jedes Jahr eine neue Million nur aus der Rendite hinzu, sondern das Vermögen wächst exponential alleine schon aus den Kapitaleinkünften. Hinzu kommt ja aber noch jedes Jahr der neue Verdienst. Doch zurück zur Frage: Ist Merz eher ein mittelschwerer Millionär oder eher ein Superreicher oder verfügt er sogar schon über ein neunstelliges Vermögen, also über mehr als 100 Millionen?
Wie hoch ist das Gesamtvermögen von Merz?
Auch dazu gibt es einen Hinweis. Das manager magazin veröffentlichte Anfang Oktober 2018 eine Liste der 1.001 reichsten Deutschen. Wir reden hier also bezogen auf ca. 40 Millionen Haushalt von den 0,0025 reichsten Prozent. Um zu diesen zu gehören, brauchte es ein Vermögen von mindestens 90 Millionen Euro (der Reichste liegt bei ca. 30.000.000.000 Euro, also weit im elfstelligen Bereich). So und nun können wir schauen, ob Friedrich Merz hier mit aufgeführt ist. Wenn ja, liegt er im neunstelligen Bereich oder ganz knapp darunter, wäre also mindestens ein dreifach Superreicher.
Und die Antwort lautet: Nein, Friedrich Merz gehört laut manager magazin nicht zu den 1.001 Reichsten in Deutschland. Das heißt sein Gesamtvermögen beziffert sich unter 90 Millionen Euro. Damit haben wir ein Obergrenze des Bereichs, in dem er liegen dürfte. Dass die Untergrenze von 5 (mittelschwerer Millionär) und auch die von 10 Millionen Euro überschritten sein dürfte, davon darf bei diesen Gehältern, die Merz seit Jahren bezieht, fest ausgegangen werden. Ob er zu den Superreichen (mind. 30 Millionen) gehört, ist schwer einzuschätzen. Sein Vermögen sollte irgendwo zwischen 10 und 90 Millionen liegen.
Wenn Sie zur „gehobenen Mittelschicht“ gehören, Herr Merz, dann lebe ich in bitterster Armut, bin quasi am Verhungern
Nun aber zurück zu der eigentlich entscheidenden Frage. Reichtum sollte keine Schande sein und nichts, wofür man sich schämen muss. Dass dies in Deutschland oft anders gesehen wird, ist Teil der deutschen Krankheit. Wenn nun aber Merz sagt und womöglich sogar meint oder denkt, er wäre mit einem achtstelligen Vermögen Teil der „gehobenen Mittelschicht“, dann stellt sich die Frage – und die Antwort hierauf könnte eine verheerende Wirkung für seine Eignung als CDU-Vorsitzender und nächster möglicher Kanzler haben -, wie es um die Urteilskraft und die Bodenhaftung dieses Mannes bestellt ist. Um Ihnen zu helfen, beides wiederzuerlangen, lieber Herr Merz, die folgenden Zeilen für Sie ganz persönlich.
Zur oberen Mitte gehört laut dem Instituts der deutschen Wirtschaft Köln ein Ehepaar, welches keine Kinder unter 14 mehr im Haushalt hat, mit einem Jahreseinkommen von ca. 48.000 bis 79.000 Euro. Wenn Sie also mindestens das Zehn-, womöglich sogar das Hundertfache der Obergrenze der oberen Mitte überschreiten, lieber Herr Merz, gleichwohl aber meinen, Sie würden zu dieser Gesellschaftsschicht gehören, dann stimmt etwas mit Ihrer Selbst- und Fremdwahrnehmung nicht.
Wie soll man sich denn jemand als Kanzler vorstellen können, der jeden Bezug zur normalen Bevölkerung verloren hat?
Laut der Deutschen Bundesbank liegt der Median der Nettovermögen deutscher Haushalte bei knapp über 60.000 Euro. Die eine Hälfte hat mehr als 60.400 Euro, die andere Hälfte weniger als 60.400 Euro an Vermögen. Wenn wir also Merz auf mindestens 10 Millionen taxieren – sehr vorsichtig geschätzt!, es könnte auch 20, 30 oder mehr Millionen sein -, dann liegt er mindestens 167 mal so hoch. Sein Nettovermögen ist also Minimum so hoch wie das von 167 durchschnittlichen Haushalten, womöglich sogar noch viel höher. Mit mehr als 722.000 Euro Nettovermögen gehört man zu den Top-5-Prozent der Haushalte. Auch diese Marke nimmt Merz – selbst wenn wir nur von 10 Millionen als Vermögen ausgehen – mindestens 14-fach, womöglich auch 20-, 30-, 40-fach oder mehr. Das heißt, Merz gehört auch innerhalb der Top-Fünf-Prozent wieder zur Spitze.
So und nun bekomme ich mit Merz ein Problem. Nicht weil er so reich ist. Von mir aus könnte er statt 10 oder 30 Millionen auch ein Milliardenvermögen haben. Aber wenn ihm selbst überhaupt nicht bewusst ist, wie weit er von der Mitte entfernt ist, dann zeugt das davon, dass er inzwischen jede Bodenhaftung, jede gesunde Selbsteinschätzung und jede realistische Einschätzung der gesellschaftlichen Verhältnisse verloren hat. Wie soll man sich denn so jemanden als möglichen Kanzler vorstellen können?
Nun war ich selbst einer der ersten, der Merz schon vor einem Jahr, als kaum einer an ihn dachte, öffentlich in Spiel brachte, als ich Anfang Dezember 2017 schrieb Merkels möglicher Nachfolger: Friedrich Merz. Doch ich muss gestehen, nach dieser und auch anderen Äußerungen von ihm der letzten Tage kommen mir mehr und mehr Zweifel.
Die Bild fragt, Friedrich Merz antwortet
Update vom 18.11.2018
Merz hat inzwischen auch öffentlich zugegeben, nicht dass er Vermögensmillionär ist – das war ohnehin jedem klar, der auch nur minimale Ahnung von der Materie hat -, sondern dass er, wie oben angedeutet, Einkommensmillionär ist, also mehr als eine Million Euro pro Jahr verdient. Damit gehört Merz bezogen auf die Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen zu den 0,05 Prozent Top-Verdienern (ca. 19.000 von 40.200.000). Wenn wir auch diejenigen mitrechnen, die nicht lohn- bzw. einkommensteuerpflichtig sind, dann gehört er sogar zu einer noch extremeren Spitze.
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Quelle Jürgen Fritz