Er will`s ja, den ganzen Abend lang, nicht so ausdrücklich sagen: Der Mensch ist – ein „Ekzem“, zumindest hat er (nicht nur) eins. Oder besser: eine. Eine „Entzündung der Haut“, wie der Duden das aus dem Griechischen entlehnte Wort eindeutscht. In seiner (seit Anfang Februar dieses Jahres auf dem Spielplan der Münchner Kammerspiele stehenden, vom sich in wenigen Tagen von hier in Richtung holländische Heimat verabschiedenden Hausherrn Johan Simons inszeniert und von Sina Barbra Gentsch hübsch trashig ausgestatteten) Revue „Ekzem homo“ fragt sich Gerhard Polt mit seinen unverwüstlichen Kumpanen nach dem Wesen des Menschen durch: Wie, was ist der Mensch – und warum? Antwort: schlicht und nichtssagend: didldum. Also ein „Didldum“?
Einmal lässt Opa Polt, seit 1979 ständiger Gast auf den Brettern der Münchner Kammerspiele, die Sau raus und formuliert, was dann auch auf der Begleitkarte zu der Aufführung steht, übrigens der vorletzten dieser Spielzeit (die, wie jede andere vorher, total ausverkauft war): „Der Mensch ist eben einfach ein Zwischenwirt! Eine Heimat für Parasiten, Viren, Bazillen, Versicherungen, Geschäftsleute, Beerdigungsinstitute, Waffenhändler, Religionen und Fußpilze! Vor allem aber ist er ein Kostenfaktor …“ Und Polt weiß nicht so recht, ob er träumt – oder ob es ihm träumt. Ob er Subjekt ist oder Objekt. „Was soll ich sagen?“
Was er sagen will, das weiß der Mann mit dem unglaublichen Bühnen-Präsenz-Potential sehr wohl. Alles einstudiert? Alles, jedes Wort, festgelegt? Beinahe denkt man: Gibt`s doch nicht. Kann nicht sein. Das alles läuft ab wie – improvisiert, wie im Moment erfunden, gerade eben aus Kopf und Bauch entstiegen. Wenn Polt los legt als Rentner-Brezenmann, der seinen Grüabign haben will da, wo er sich als ergrauter Ruheständler mit lästigem Grill-Nachbarn (wunderbar in verschiedenen Röllchen, Posten und Dialekten: Stefan Merki) und knackig-farbiger Pflegerin (Funke Konate), dann geht es minutenlang erst mal um Bubi, den Enkel, der mit ihm, wie auch immer, auf die von Deutschland weit entfernte Rentner-Insel gezogen ist und den er Morus lehren muss, als treusorgender Großvater.
Der Bubi ist, wie vieles andere dann auch, bald vergessen – und es kommen andere als rein erzieherische Themen auf: Steuer und ihre Hinterziehung (inkl. Abgase-Abgabe für Pupser), Denkmalsch(m)utz, neuer (dem tumben Münchner Publikum unwürdiger) Konzertsaal, Justiz- und Polizisten-Irrtümer, Brandschutzschulung der Feuerwehr Hausen, natürlich auch Mutter Kirche. Da laufen Polt und Merki (dieser als polnischer Aushilfspriester in schneeweißem Papst-Look) zur Höchstform auf – unter anderem mit einem ins geradezu unendlich ausfahrbaren Klingelbeutel-Modell für EC-Karten-Besitzer. Und Polt hat dann seinen absoluten Solo-Höhepunkt als armer-blöder Miesbacher Landrat in der viel zu engen Badewanne mit Goldarmatur und Champagner-Self-Service-Brettl.
Doch wäre Polt der, hätte er nicht die Well-Buam Christoph, Karli und Michael mit von der Partie? Die bringen das musikalische Didldum in den – wegen des nicht enden wollenden Applauses – immer wieder mit Gstanzln und Impro-Couplets erweiterten Abend, der auch ohne diese herrlich erheiternden Zugaben ein unschlagbarer Münchner Theater-Event gewesen wäre. So viel Musi, so viele Instrumente, vom Alphorn bis zur Drehleier, im fliegenden Wechsel von einem zum anderen der „Rest“-Biermösl-Blasn, die ihrem Gerhard Polt nicht weniger treu geblieben sind als es das Publikum ist, inklusive der Damen und Herren, die hier, aus Niedersachsen oder dem Nahen Osten, gerade urlauben und vermutlich nicht alles bis ins Detail verstanden haben. Denn Polt, der Schlierseer und noch immer bekennende kritische Katholik mit Ministrantenhintergrund, fasziniert auch ohne dass man jeder Volte und Volute seiner kabarettistischen Rede voll auf den Grund kommt.
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