Eigentlich hatten wir erwartet, dass der coronabedingte Mangel an Arbeitskräften eine vorübergehende Erscheinung bleiben würde. Aber seit einigen Wochen zeigt sich: Es hat während der Pandemie offenbar doch weitaus größere und vor allem auf Dauer angelegte Veränderungen im Arbeitsmarkt gegeben als angenommen. Zahlreiche Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind aus Tätigkeiten mit unsteten Arbeitszeiten in Jobs gewechselt, die zumindest angenehmere Arbeitszeiten und oftmals bessere Einkommen garantieren. Besonders betroffen sind Hotels und Gaststätten, aber auch der Luft- und Bahnverkehr und das Handwerk. Der Personalmangel ist nicht nur ein Ärgernis für die Kunden; er wird zum Problem für unsere ganze Volkswirtschaft. Was sind die Gründe, und was können wir dagegen tun?
Ganz unabhängig von Corona sinkt das Arbeitskräftepotential in Deutschland. Die geburtenstarken Jahrgänge gehen sukzessive in den Ruhestand, geburtenschwächere Jahrgänge kommen nach. Deshalb wird in der nächsten Rezession auch die Arbeitslosigkeit voraussichtlich nicht wieder so stark ansteigen wie vor zwanzig Jahren. Aber es war trotzdem ein schwerer politischer Fehler der Ampel, im vergangenen Monat die letzten Reste der Hartz-Reformen abzuräumen. Das Prinzip „Fordern und Fördern“ gilt nicht mehr, es wird praktisch sanktionslos nur noch gefördert. Die (steigende!) Arbeitslosigkeit mit 2,3 Millionen Arbeitslosen wird sich so nicht wieder reduzieren lassen. Auf dem Arbeitsmarkt lässt sich also das Problem jedenfalls kurzfristig nicht lösen.
Nach wie vor sind rund 276.000 Beschäftigte in Kurzarbeit. Diese Zahl mag man angesichts der angespannten Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt nicht glauben, aber es bewahrheitet sich, dass die gut gemeinten Leistungen samt Aufstockung auf 87 Prozent und darüber eben doch in einem kleineren Teil der von coronabedingter Arbeitslosigkeit Betroffenen bis heute zu einer gewissen Immobilität beitragen.
Und schließlich die Bahnhöfe und die Flughäfen: Die Sicherheitskontrollen sind auch Sache des Staates, nicht der Verkehrsbetriebe. Der Bund aber weigert sich beharrlich, die Ressourcen, die er zur Verfügung hätte, auch einzusetzen. Dass die Gewerkschaften in dieser Lage noch mit Streiks drohen und sie zum Teil bereits ausrufen, ist angesichts der Inflation verständlich, angesichts der angespannten Lage aber schon mehr als zweifelhaft.
So dürften wir noch eine ganze Weile mit dem knappen Gut Arbeitskraft befasst bleiben. Die erwartete Zunahme von Insolvenzen könnte im Verlaufe des Jahres für etwas Entspannung auf dem Arbeitsmarkt sorgen. Aber das ist kein Trost, denn dann haben wir wieder andere Probleme.
Quelle: MerzMail