„DER KRIEG, DER KOMMEN WIRD, IST NICHT DER ERSTE“ – ITALIEN IM I. WELTKRIEG – ERSTE AUSSTELLUGEN IN ROVERETO UND VENEDIG

Der Krieg, der kommen wird, ist nicht der erste. Vor ihm waren andere Kriege. Als der letzte vorüber war, gab es Sieger und Besiegte. Bei den Besiegten das niedere Volk hungerte. Bei den Siegern hungerte das niedere Volk auch.
Bertolt Brecht -1909

Italien bereitet sich vor, im kommenden Jahr, an den Ausbruch vom I. Weltkrieg, la „Grande Guerra“ – den „Großen Krieg“ , wie er immer noch genannt wird – , zu gedenken. Verschiedene Initiativen sind bereits gestartet. Allen voran ein umfangreiches, crossmediales Projekt vom MART ROVERETO, das bis zum 20. September 2015 an drei musealen Orten der Stadt präsentiert wird, die selbst zum Kriegsschauplatz wurde. Sein Titel „Der Krieg , der kommt, ist nicht der erste – Grande Guerra 1914-2014.“ ist an den gleich lautenden Vers aus Brechts „Deutschen Marginalien“ angelehnt. Die Ausstellung liest sich wie eine „Erzählung über den Krieg und vom Krieg“ durch Werke weltbekannter Künstler der Moderne – zum großen Teil aus der im MART aufbewahrten „Futurismus“- Sammlung – sowie von zeitgenössischen Autoren. Bereichert wird sie durch Installationen, Fotos, Plakate, Postkarten, Briefwechsel und Tagebücher, die sowohl die alltägliche Normalität des Kriegsgeschehens als auch die sinnlose Grausamkeit des organisierten Massenmordes lebendig dokumentieren.


www.mart.trento.it/guerra

Speziell fokussiert auf die Lagunenstadt ist die Venedig gewidmete Ausstellung, die die Fondazione Venezia und die Fondazione Musei Civici Veneziani bis zum 8. Dezember in dem suggestiven neu-gothischen Bau „Casa deiTre Oci“ auf der Insel Giudecca zeigen, aus dem sich eine atemberaubende Aussicht öffnet, die die Stadt und die Lagune gleichzeitig einschließt.
Venedig, das sich um die Jahrhundertwende von den verheerenden Auswirkungen der österreichischen Herrschaft langsam erholt hatte, wurde gegen Ende des I. Weltkriegs heftigen Bombenangriffen von der kaiserlich-österreichischen Marine und aus der Luft ausgesetzt. 350 S/W Fotos erzählen von der Dramatik einer Situation, in der sich die Stadtgezwungen sah, vor den Angriffen ihres traditionellen Feindes verteidigen zu müssen. In 42 Luftangriffen fielen insgesamt 1029 Bomben auf dem Stadtgebiet, davon allein 300 in der Nacht zwischen dem 26 und 27. Dezember 1918. 52 Tote und 84 Verletzte waren unter der Bevölkerung zu verzeichnen, bei einem Sachschaden riesigen Ausmaßes.
In der in vier Bereichen aufgeteilten Ausstellung, die sich „Venedig verteidigt sich„ nennt – erfährt man weniger über die Kriegshandlungen und viel mehr über die Strategien, die die Stadt in die Wege leitete, um ihren unschätzbaren Reichtum an Bauten und Kunstschätzen zu retten. Dazu gehörten die vorsorglichen Schutzmaßnahmen mit Sandsäcken und Mauervorrichtungen vor Kirchen und Palästen, die Unterbringungen von Kunstwerken an sicheren Orten, die Umwandlung von Altanen (Dachterrassen aus Holz) in Stellungen für die Luftabwehr, die Aufstellung von gefesselten Sperrballonen, die den Luftraum für Kampfflugzeuge unkenntlich machen sollten oder den Bau von Schutzräumen. Die Bilder gewähren einen Einblick in das Alltagsleben der Menschen, ihre Betroffenheit nach den Luftangriffen und erinnern gleichzeitig an Ereignisse größerer Tragweite wie die Mobilmachung von 1915 oder die offiziellen Feiern und Gedenkveranstaltungen für die Gefallenen. Von besonderem Interesse sind die Aufnahmen, die eine Rekonstruktion der Schäden an den Bauwerkengestatten, die hier und da noch sichtbare Einschüsse trugen. Dokumentiert wird u.a. der Verlust der grandiosen Deckenfresken von Gianbattista Tiepolo in der Scalzi-Kirche, deren völlige Zerstörung bei dem Versuch, den anliegenden Bahnhof zu treffen, großes internationales Aufsehen erregte. Nur wenige Bilder sind gezeichnet, wie jene vom Venezianer Tommaso Filippi, der Direktor vom namhaften Foto-Studio Naya zu Venedig war. Die meisten blieben anonym und stammen von Beauftragten vom Ministerium der Kriegsmarine, die sie ohne Genehmigung schossen.
Zu der von Civita Tre Venezie organisierten Ausstellung ist bei den Edizioni Marsilio ein Katalog mit Beiträgen von Cesare de Michelis, Camillo Tonini und Claudio Franzini erschienen, der sie kuratiert hat.

Bis zum 11.01.2015

www.treoci.org

www.visitmuve.it

Über Anna Zanco-Prestel 178 Artikel
Dr. Anna Zanco-Prestel, hat Literaturwissenschaften (Deutsch, Französisch und Italienisch) und Kunstgeschichte in Venedig, Heidelberg und München studiert. Publizistin und Herausgeberin mit Schwerpunkt Exilforschung. U.d. Publikationen: Erika Mann, Briefe und Antworten 1922 – 69 (Ellermann/DTV/Mondadori). Seit 1990 auch als Kulturkoordinatorin tätig und ab 2000 Vorsitzende des von ihr in München gegründeten Kulturvereins Pro Arte e.V.

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