Jahrgedächtnis für den ehemaligen DBK-Vorsitzenden und Kölner Erzbischof Joseph Höffner
24 Jahre nach seinem Tod ist der ehemalige Kölner Erzbischof Joseph Kardinal Höffner (1906 bis 1987) aktueller denn je. Denn im Zusammenhang mit der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima sowie der in der Konsequenz daraus erfolgten Energiewende der deutschen Bundesregierung mit dem Einstieg in den Ausstieg aus der Kernenergie ist der vormalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) so häufig zitiert worden, dass die außerordentliche und nachhaltige Wirkungskraft dieses Sozialwissenschaftlers und herausragenden Vordenkers der Sozialen Marktwirtschaft wieder einmal überdeutlich wurde. „Es ist Aufgabe der Fachwissenschaft festzustellen, ob der Bau von Brütern und Aufbereitungsanlagen, ob der Transport und die Ablagerung des Atommülls nach dem heutigen Stand der Wissenschaft und Technik auf eine Art und Weise möglich sind, daß mit Sicherheit Explosionen, Strahlenschäden und sonstige Katastrophen ausgeschlossen sind“, führte Höffner im Jahr 1980 im Eröffnungsreferat zur Herbst-Vollversammlung der DBK in Fulda aus. Dass es diese Sicherheit nicht gibt, konnte Höffner noch zu Lebzeiten im Jahr 1986 am Beispiel der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl erleben. Erneut waren seine viel beachteten und sehr früh eingebrachten Ausführungen und Bedenken zur Kernenergie, deren friedliche Nutzung nach seiner Lesart wesentlich zunächst und vor allem die damit verbundenen ethischen Fragen beantworten müsse, von geradezu brennender Aktualität. So wie heute. „Gleichwohl wäre der Ausstieg aus der Atomenergie als Konsequenz aus Fukushima für Höffner nicht akzeptabel gewesen“, betont Professor Lothar Roos, Vorsitzender der Joseph-Höffner-Gesellschaft. Der Bonner Theologe und Sozialethiker erinnerte bei der Festveranstaltung der Gesellschaft in Kooperation mit dem Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Köln anlässlich des Jahrgedächtnisses daran, dass sich Höffner stets für den langfristigen Ausstieg aus der Kernenergie sowie gegen einen Verzicht als deutschem Alleingang ausgesprochen habe. Höffners ehemaliger Sekretär, der heutige Kölner Weihbischof Manfred Melzer, ergänzte in diesem Zusammenhang, dass Höffner „immer Realist genug gewesen ist, um zu sehen, dass es einen Ausstieg nur in einer Übergangszeit geben kann und nur Sinn macht, wenn die deutschen Nachbarn mitgehen“. Dass der Ausstieg in diesem Jahr nun so ruckartig und gar nicht gemäß des Denkens von Höffner eingeleitet worden ist, erklärt sich Melzer nur damit, dass Tschernobyl – womöglich auch aufgrund des damaligen technischen Wissensstands – „gar nicht jenen Druck entwickeln konnte wie er von Fukushima ausgegangen ist“.
Da drängt sich unweigerlich der Eindruck auf, dass in der immerhin 25 Jahre währenden Zeitspanne zwischen Tschernobyl und Fukushima laut Höffnerscher Lesart die „Kernenergie allenfalls als Übergangsenergie“ genutzt worden ist, ohne dass sich die Verantwortlichen in Politik und Wissenschaft hinreichend darüber klar geworden sind, wie lange diese Übergangszeit eigentlich dauern solle. Ein Eindruck, den der ehemalig Physiker der Universität zu Köln sowie Projektleiter an der Kernforschungsanlage Jülich, Otto Schult, in seinen als „Gedanken eines Physikers zu aktuellen Themen“ apostrophiertem Festvortrag bestätigte. Der 78-Jährige stellte dabei die Energiewende und die damit verbundenen Auswirkungen in den Mittelpunkt seines Ausführungen zu der Frage „Wie wollen wir morgen leben?“ Der Wissenschaftler unterstrich, dass es bei jeder Technik keine hundertprozentige Sicherheit gebe, auch wenn der Mensch diese gewährleistet sehen möchte. Vielmehr müsse darum gehen, wie ein „Mehr“ an Sicherheit, ein Höchstmaß zu erreichen sei. Schult illustrierte dies an der Kernschmelze, die es im Jahr 1979 im Reaktor Harrisburg gegeben hat und die durch entsprechende Sicherheiten wie etwa der Reaktorhülle beherrschbar geblieben ist. Nicht zuletzt solche Ereignisse hätten Kardinal Höffner, so der Physiker, seinerzeit bewegt, die Forschung und Wissenschaft für die Entwicklung neuer, nachhaltiger und möglichst umweltfreundlicher Energieträger in die Pflicht zu nehmen und einen Verzicht auf die Kernenergie anzumahnen, „der global erfolgen muss“. Fast rhetorisch warf Schult da die Frage auf: „Ist die Energiewende wieder einer der zu vielen deutschen Sonderwege?“
Wirkliche Nachhaltigkeit erfordere nach Meinung von Schult eine rasche Änderung unserer Lebensweise und einen besonders sparsamen Umgang mit Ressourcen, aber: „Die jetzige Regierung gibt diese Rahmenbedingungen nicht vor.“ Dabei komme es eben insbesondere auf die Wende in den Köpfen, mehr noch in den Herzen an, „ein Weg vom Selbst und ein Hin zum Wir im Sinne von Bescheidenheit, Klugheit, Maßhalten und Nachhaltigkeit.“
Immer wieder illustrierte Schult seine wissenschaftlichen Ausführungen, etwa über die zeitlich begrenzte Verfügbarkeit einzelner fossiler Energieträger, die noch auszubauenden Energiealternativen Wasser, Wind und Sonne sowie die deutschen Chancen, sich in globaler Forschung, Wissen und modernster Technologien für den generationen- und länderübergreifenden Aufbau von Energiesystemen und Energiespeicherungen zu profilieren, mit einem sehr persönlich und emotional gehaltenem Bekenntnis zur Christlichen Soziallehre. „Initiative und Eigenverantwortung, Solidarität, Subsidiarität sowie die Gemeinwohlorientierung des Individuums mit all seinen Rechten und Pflichten haben sich stets bewährt; die Goldene Regel, globale Kooperation und faires Teilen sichern allen Menschen morgen ein gutes Leben.“
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