Der Judenhass erlebt eine beängstigende Renaissance

Judengasse in Salzburg, Foto: Stefan Groß

Seit wenigen Jahren erlebt der Hass auf Juden eine beängstigende Renaissance. Die ZEIT titelt vor exakt zwei Jahren, dass die Angriffe auf Juden weltweit stark zunehmen. Die Rede ist von einem Anstieg der Übergriffe von rund 40 Prozent pro Jahr. Vor allem in Westeuropa und in den USA werden Juden immer häufiger angegriffen. Die Forscher ziehen Parallelen zu den 1930er Jahren, da bei den Straftaten sämtliche Tabus fallen. Länder wie Frankreich, Deutschland, Belgien, Österreich und Schweden erleben einen besonders hohen Anstieg, hier verdoppeln sich die antisemitischen Übergriffe.

In der Folge hat sogar der Präsident des Zentralrats der Juden davor gewarnt, in muslimisch geprägten Vierteln in Deutschland eine Kippa zu tragen und Israels Premier Benjamin Netanjahu hat die Juden aufgerufen, Europa zu verlassen und nach Israel einzuwandern. Denn mit den vielen muslimischen Flüchtlingen sind zahlreiche Judenhasser nach Europa gekommen. Wer es nicht glaubt, möge Juden in muslimisch geprägten Vierteln in Deutschland, Belgien oder Frankreich fragen, wie sicher sie sich abends mit einer Kippa fühlen und was passiert, falls sie sich als Juden zu erkennen geben.

Vor unseren Augen wiederholt sich die Geschichte der Judenverfolgung, doch wir sind zu benebelt, zu blind, zu borniert, um dies zu erkennen. Längst hat die politische Linke, die zu meisten Zeit judenfeindlich agitiert hat, die Juden fallen gelassen, sie aufgegeben, aus Solidarität der vielen muslimischen Schutzsuchenden gegenüber oder weil der Hass auf Juden so tief sitzt, dass er jetzt wieder beginnt, seine hässliche Fratze zu zeigen. Ignoranz. Mittäterschaft. Schweigen. Wegsehen.

Juden sind schon immer auf sich alleine gestellt gewesen. Nun haben sie die Unterstützung der Politik verloren – und formieren sich selbst so gut sie können. Dabei geht es ihnen vor allem um eines, wie die ins Leben gerufene Webseite werteinitiative.de zeigt: Deutschland darauf aufmerksam zu machen, dass es gerade im Begriff ist, sich selbst abzuschaffen. Sich und seine christlich-jüdischen Werte.

Auf der werteinitiative.de heißt es:

Wir denken, dass unsere Gesellschaft zwar von Werten geprägt ist, diese aber nicht bewusst genug gelebt werden. Als Folge sehen wir, dass die Gesellschaft auf Herausforderungen „neurotisch“ reagiert. Neurotisch, da von Angst und nicht von Werten gelenkt.
Deutschland muss durch seine Werte „identifizierbar“ sein, wenn es ein echtes Einwanderungsland sein will. Für jeden, der hier lebt und auch für jeden, der zu uns kommen soll, muss klar erkennbar sein, welche unserer Werte zu welchen unserer Regeln führen. Integration fördert man durch viele Maßnahmen – auch durch Regeln.

Hier hat der Staat eine wesentliche Verantwortung: Er muss einerseits attraktive Integrationsangebote schaffen, und darf andererseits nicht aus falsch verstandener Toleranz darauf verzichten, Recht und Gesetz konsequent durchzusetzen; auch nicht bei extremistischen Deutschen, Islamisten oder bei kriminellen Großfamilien. Wir rufen nicht nach einem Polizeistaat, sondern nach dem Ende falscher Rücksichtnahmen. Denn innere Freiheit setzt innere Sicherheit voraus.

Der neugierige und offene Leser wird sich fragen, welche Möglichkeiten es gibt, den Judenhass zu beenden. Diese Frage beschäftigt Philosophen und Theologen seit über 3.000 Jahren, ohne dass eine zufriedenstellende Antwort gefunden worden wäre. Deshalb beschränken wir uns auf die Betrachtung der Tatsachen.

Die erste Frage lautet: Ist die Zunahme des Antisemitismus echt oder gefühlt? Wie wird die Zunahme des Antisemitismus verifiziert?

Die zunehmende Abwanderung von Juden aus Frankreich nach Israel und nach Nordamerika ist ein Indiz und kein Beweis für die Zunahme des Antisemitismus in Frankreich. Wie alle vernünftigen Menschen in Europa und anderswo verlassen auch agile Juden ein Land, wenn es wirtschaftlich bergab geht und keine Aussicht auf Besserung besteht. Zudem sind die Statistiken der betroffenen Länder höchst rudimentär. In Deutschland – so geschehen in Wuppertal – werden Angriffe auf Synagogen durch Muslime nicht als antisemitische Gewalttaten bewertet, da Angriffe auf Synagogen und Kirchen in islamischen Staaten als schützenswerte kulturelle Errungenschaft gehandelt werden. Antisemitische Beleidigungen und Hetze werden so gut wie nie geahndet und tauchen somit auch nicht in der Statistik auf. Ein aktuelles Beispiel: Ist der Vergleich eines Flüchtlingslagers mit einem KZ schon eine antisemitische Beleidigung oder trifft dieser Tatbestand erst dann ein, wenn ein Flüchtlingslager mit einem Vernichtungslager verglichen wird? Vor Jahren haben weit niedrigere Chargen deutscher Katholiken den Gazastreifen mit einem KZ verglichen. Diese (antisemitische?) Beleidigung taucht in keiner Polizeistatistik auf.

Anzumerken ist, dass antisemitische Beleidigungen erst seit wenigen Jahren von deutschen Gerichten abgehandelt werden. Und dennoch wird eine verifizierbare Zunahme der Bedrohung von Juden durch Muslime in vielen EU beobachtet.

Um den muslimischen Antisemitismus zu beurteilen, muss man ihn von den übrigen Antisemitismen abgrenzen. Welche sind die anderen Antisemitismen? Linke, rechte, bürgerliche, unpolitische, christliche, jüdische? Der christliche und der jüdische Antisemitismus wird von den Behörden gewöhnlich ignoriert, der bürgerliche und der unpolitische Antisemitismus unter „Rechtem Antisemitismus“ abgelegt. Doch wohin gehört der türkische Antisemitismus der rechtsextremen Grauen Wölfen, die sogar mit der NPD kooperieren sollen und entsprechend glaubhaften Gerüchten selbst mit dem NSU? Werden solche Verbrechen sicherheitshalber doppelt gezählt?

Glücklicherweise gibt es weltweite jüdische Statistiken, die der Wahrheit ziemlich nahe kommen. Diese besagen, dass die Zahl der antisemitischen Übergriffe überproportional von der Anzahl von Muslimen in der Region abhängt.

Welchen Einfluss auf deutsche Juden und Nichtjuden hat die „werteinitiative.de“? Werden ihre Empfehlungen befolgt?

Die Antworten lauten: „keinen“ und „nein“. Es handelt sich um eine rührige kleine, beinahe familiäre Privatorganisation in Berlin, der einige halbwegs „hochgestellte“ Personen angehören. Die winzige Organisation darf als „Bund Deutscher Jüdischen Konfession“ betrachtet werden, die bereits unter Wilhelm II existiert und unter den Nationalsozialisten sang- und klanglos verschwunden ist. Die Mitglieder betrachten sich als Deutsche und wollen nach Möglichkeit in Deutschland bleiben. Sie unterstützen Israel nach Kräften, was im Gegensatz zu den selbsthassenden „Semiten“, die sich ebenfalls als Deutsche Jüdischer Konfession verstehen, nicht der Fall ist.

Die Organisation „werteinitiative.de“ empfiehlt keine Parteien am äußeren Rand zu wählen, welche da sind: AfD und NPD. Die Linke hat eine gewisse Anzahl jüdischer Mitglieder, die die Partei davon abhält, gegen Juden öffentlich rassistisch vorzugehen und Israel für das Leid der gesamten Weit anzuschuldigen. Leider trifft das nicht auf alle Mitglieder der Linken zu.

Die einflussreichste Jüdische Organisation in Deutschland ist der Zentralrat der Juden. Auch seine Wahlempfehlungen – oder genauer: die Empfehlungen seines Vorsitzenden – verhallen gewöhnlich ungehört.

Zuletzt wollen wir die Frage anschneiden, was die christlich-jüdischen Werte sind und wie sie sich beispielsweise von den muslimisch-islamistischen Werten unterscheiden. Die Antwort ist kompliziert. Denn es gibt wohl Werte im Judentum, die mit den Werten im Christentum korrelieren. Doch im Großen und Ganzen widersprechen sich die Werte beider Religionen, was die Stellung von Gott und den Menschen betrifft. Erst die Aufklärung hat das Katholische Christentum dem Judentum angenähert. Mit dem Islam als Religion verbinden das Judentum sehr viel mehr gemeinsame Werte, vor allem das Gottesverständnis. In Fragen der jüdischen Menschenrechte ist das Judentum dem real existierenden Islam/Islamismus diametral entgegengesetzt. Beide Religionen erkennen sich gegenseitig als alleinige Monotheismen an.

 

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Über Nathan Warszawski 535 Artikel
Dr. Nathan Warszawski (geboren 1953) studierte Humanmedizin, Mathematik und Philosophie in Würzburg. Er arbeitet als Onkologe (Strahlentherapeut), gelegentlicher Schriftsteller und ehrenamtlicher jüdischer Vorsitzender der Christlich-Jüdischen Gesellschaft zu Aachen.

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