Mit dem 2015 bei den Filmfestspielen von Venedig mit dem Silbernen Löwen ausgezeichneten Spielfilm „Paradies“ eröffnete die Gesellschaft zur Förderung Jüdischer Kultur und Tradition die von ihr veranstalteten „Jüdischen Filmtage“ in ihrer 6. Auflage. Der Publikumsandrang war so groß, dass sogar eine zweite Vorstellung im Anschluss auf die Hauptvorstellung anberaumt werden musste. In Schwarz-Weiß und mit nachgestellten Szenen aus dem II. Weltkrieg erzählt der Film eine erschütternde „Story“, in der die Schicksale einer aristokratischen russischen Emigrantin, die sich der Résistance angeschlossen hat, mit jenen eines französischen Kollaborateurs und eines SS-Offiziers verwoben sind.
Auch in dieser Edition der von Frau Ilse Ruth Snopkowski initiierten Reihe waren israelische bzw. polnisch-israelische Produktionen zu sehen wie „Wedding Doll – Chatona Menijar“ oder „Dibbuk – Eine Hochzeit in Polen“, der sich mit der Verdrängung der Erinnerung in Polen kritisch auseinandersetzt. Beide erhielten beim „Jüdischen Filmfestival Berlin & Brandenburg 2016 „ wichtige Auszeichnungen. Vielseitig vertreten war Israel ebenso in der Kategorie Dokumentarfilmen. Mit „Arabic Movie – Seret Aravi“ wurde auf eine beliebte Serie im einzigen TV- Sender der 60er Jahre erinnert, der jeden Freitag vor Beginn des Shabats Filme aus den arabischen Ländern zeigte, die viele aus Nordafrika vertriebenen Israelis mit großer Nostalgie verinnerlichten. „Desert Kids“ gewährte wiederum tiefe Einblicke in das Leben von jungen Kibbuz-Bewohnern und Beduinern in der Wüste Negev, die eine starke Verbundenheit mit dem Land Israel empfinden.
Geschichte und Aktualität verknüpfte der amerikanische Doku „German and Jews“ (2016) , der die stets wachsende jüdisch-israelische Community ins Blickfeld rückte, die neuerdings viele Israelis speziell in die deutsche Hauptstadt lockt. Analysiert wurde darin der tiefgreifende, zum großen Teil generationsbedingten Wandel in der deutschen Gesellschaft. Gespannt wurde ein Bogen von dem Schweigen über die Judenverfolgung und Vernichtung in der Nachkriegszeit bis hin zu den 70er Jahren und der gegenwärtigen immer tiefgreifender Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, wofür es keinen Verjährung geben kann. Erinnert wurde dabei an die amerikanische TV-Mini-Serie „Holocaust“, die in dem langwierigen Prozess der so genannten „Vergangenheitsbewältigung“ einen Anfang machte. Statements von Prominenten wie Herbert Grönemeyer, des inzwischen im Mai 2016 neunzigjährig verstorbenen US- Historikers deutscher Herkunft Fritz Stern oder des in Berlin lebenden Publizisten und Herausgebers von VOICE OF GERMANY Raphael Seligman rundeten das Bild ab. Auf die sehr differenzierten Meinungen der interviewten Personen – meistens gebildeter Leute aus Berlin – wurde im Laufe des anschließenden Expertengesprächs mit Diplom-Psychologen Louis Lewitan eingegangen. Mit Sachkompetenz wurde über das ambivalente Verhältnis zwischen Deutschen und Juden debattiert, die heute „im Schicksal miteinander verbunden sind“ und auch vor einem verbreiteten Philosemitismus gewarnt, der schnell von der Verehrung zur Verachtung umschwenken könne. Als unterschiedlich wurde die Lage je nach Ort und Bundesland sowie zwischen Ost- und West-Deutschland beurteilt, wobei Bayern als das Land betrachtet wurde, in dem das Zusammenleben am besten gelinge.
Als letzter Beitrag wurde der deutsche Dokufilm von Michael Kloft „Hitler und die Traumfabrik“ von 2009 gezeigt. Der 110minütige Film ist eine ausführliche und exzellent recherchierte Dokumentation über das Verhältnis zwischen dem Amerika der 30/40er Jahre und der NS-Diktatur, in deren Mittelpunkt die Filmindustrie steht. Rekonstruiert wird darin die Entstehungsgeschichte und die schwierige Realisierung vom Chaplins legendären Film Der Grosse Diktator. Herausgestellt wurde die entscheidende Rolle vom US-President Roosevelt, der Chaplin dazu ermutigte, sein Vorhaben zu verwirklichen trotz Widerstand der amerikanischen Filmindustrie, die anfänglich Chaplins Satire große Skepsis entgegenbrachte. Der von Chaplin selbst auf eigenes Risiko gedrehte Film wurde ein Riesenerfolg und leitete einen filmischen Genre ein, der bis heute die Kinosäle füllt. Der Film wirft allerdings immer noch die Frage auf, ob man über Hitler lachen könne. Chaplin selbst, der ihn – anders als ursprünglich geplant – mit einem Appell seines Alter Egos, dem namenlosen jüdischen Friseur, gegen die aufkommende Barbarei beendete – war sich darüber unschlüssig. Im Nachhinein brachte er zum Ausdruck, dass er den Film nicht verwirklicht hätte, wenn er um die wahre Dimension der NS-Greultaten besser im Bild gewesen wäre. Ähnlich äußerte sich auch Ernst Lubitsch über seine 1942 gedrehte Komödie To have and not to have, in der es um eine jüdische Schauspieltruppe geht, die ihre Flucht aus dem besetzten Warschau plant. Für Chaplin stellte Der Grosse Diktator eine besondere Herausforderung, etwas, was er tun musste. Bei näherer Kenntnis über die Schrecken in den deutschen Konzentrationslagern hätte er sich nie über „den mörderischen Wahnsinn der Nazis lustig machen können…“. Seine Absicht war, „unbedingt deren mystischen Unsinn über eine Rasse zum Gespött werden zu lassen“. Jahre später scheiterte ein anderer großer „Komiker“ des amerikanischen Films mit seinem Projekt „The Day the Clown cried“, das Fragment blieb, weil der „Clown“ – nämlich Hauptdarsteller, Produzent und Regisseur Jerry Lewis – es nicht fertig brachte, den Film als „Comedy“ fertig zu stellen (S. Artikel in Tabula Rasa Magazin Seit 2007 am Jakobsplatz v. 5.3.2017).
Kommentar hinterlassen
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.