Der Gaslieferstopp Russlands zielt auf die politische Stabilität in der Republik Moldau

Ein schwieriger Winter in der Republik Moldau +++ Länderberichte der Konrad-Adenauer-Stiftung

Oil rig, Refinery, Industry image, Quelle: jp26jp, Pixabay License, Freie kommerzielle Nutzung, Kein Bildnachweis nötig

„Seit dem 01. Januar 2025 befindet sich die Republik Moldau in einer doppelten Energiekrise mit politischer Sprengkraft. Zuvor hatte Gazprom seine weiterhin kostenlosen Gaslieferungen an die von Russland abhängige Region Transnistrien im Osten des Landes eingestellt. Als Folge des Lieferstopps ist auch die Stromversorgung für die gesamte Moldau gefährdet. Erst die nächsten Wochen und Monate werden zeigen, welche Folgen diese Energiekrisen auf die politische Entwicklung in der Republik Moldau haben werden. Jedoch ist bereits jetzt klar, dass Russland bereit ist, den Status Quo im Transnistrienkonflikt aufzugeben. Das übergeordnete Ziel Moskaus ist, die Parlamentswahlen im Herbst 2025 zu beeinflussen.

Mit dem Stopp der russischen Gaslieferungen hat Chişinău zwei Krisen parallel zu bewältigen, die im Wahljahr 2025 die politische Stabilität und die Wiederwahl einer proeuropäischen Parlamentsmehrheit gefährden könnten. Zunächst hat Gazprom die eigenen Gaslieferungen nach Transnistrien unterbrochen, da der bisherige Transfer durch die Ukraine nicht mehr möglich ist und das russische Unternehmen bis jetzt keinen anderen Lieferweg via Türkei oder Rumänien gewählt hat. Seitdem ist Transnistrien mit circa 360.000 Einwohnern ohne Gas, warmes Wasser und stundenweise ohne Strom. Ende Januar droht ein kompletter Zusammenbruch der Stromversorgung. Denn lediglich noch vorhandene Kohlereserven ermöglichen es, weiter – wenn auch stark eingeschränkt – Strom zu produzieren. Die dortigen Unternehmen und das öffentliche Leben sind in den letzten drei Wochen fast vollständig zum Erliegen gekommen. Der von Chişinău kontrollierte Landesteil ist zwar bereits unabhängig vom russischen Gas, hat jedoch bei der Stromversorgung weiterhin indirekt von den Lieferungen aus Russland an Transnistrien profitiert. Denn bis zum 31. Dezember des letzten Jahres deckte Chişinău 70 bis 80 Prozent des eigenen Strombedarfs durch kostengünstige Lieferungen aus Transnistrien ab, die im dortigen Kraftwerk Cuciurgan mit dem importierten Gas produziert worden sind. Nicht nur die niedrigen Tarife waren hierfür ausschlaggebend, sondern weiterhin fehlt es an neuen Stromnetzen als Ersatz für die sowjetische Infrastruktur in der Region. Seit dem 01. Januar muss die Regierung in Chişinău nun tagtäglich den Strombedarf mit wesentlich teureren Ankäufen aus Rumänien, eigener Produktion durch erneuerbare Energien und Wärmekraftwerken sowie Drosselung des Verbrauchs decken.

Transnistrien hat sich, östlich gelegen in der Republik Moldau und durch den Fluss Nistru getrennt vom westlichen Teil des Landes (einige Kommunen liegen auch auf dem westlichen Ufer), 1990 von Moldau abgespalten. Vorausgegangen war ein Konflikt zwischen sowjettreuen Eliten in dem von Schwerindustrie geprägten Transnistrien und den nun in Chişinău dominierenden rumänischsprachigen Akteuren, die für eine Unabhängigkeit votierten, über die politische Zukunft der Sowjetteilrepublik Moldau. Diese Entwicklungen gipfelten 1992 in einer militärischen Konfrontation, bei denen russische Truppen auf der Seite Transnistriens eingriffen. Seitdem herrscht in der sogenannte Hauptstadt Tiraspol ein prorussisches De-facto-Regime (Selbstbezeichnung: Pridnestrowische Moldauische Republik), deren Personal lange Zeit von Unabhängigkeit und einem anschließenden Anschluss an Russland sprach. Die Bevölkerung, die sich zu jeweils etwa einem Drittel aus Moldauern, Russen und Ukrainern zusammensetzt, ist in den letzten drei Jahrzehnten noch stärker geschrumpft (Einwohnerzahl 2024: 350.000) als in anderen moldauischen Regionen. Seit 2005 wurden Verhandlungen zur Konfliktlösung im 5+2-Format (Moldau, Transnistrien; Mediatoren: OSZE, Russland, Ukraine; Beobachter: USA, EU) unter Koordination der OSZE geführt, die bisher ohne Erfolg blieben. Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine gibt es nur noch direkte Gespräche zwischen der moldauischen Regierung und den „De-facto-Behörden“ im transnistrischen Landesteil. Russland hat diesen Pseudostaat, der auch von Moskau nie als unabhängig anerkannt wurde, seit mehr als dreißig Jahren militärisch, wirtschaftlich und politisch unterstützt, um weiterhin mit dieser Region und der damit verbundenen Spaltung innerhalb Moldaus die Entwicklungen im politischen Chişinău und im gesamten Land weiterhin beeinflussen zu können.

Vor diesem Hintergrund ist auch der gegenwärtige russische Gaslieferstopp zu verstehen. Die jetzige(n) Energiekrisen in der Republik Moldau werden massive wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Konsequenzen für das gesamte Land zur Folge haben und gefährden die politische Stabilität im Jahr der Parlamentswahl, die voraussichtlich im September 2025 stattfinden wird. Bereits jetzt ist klar, dass die Strompreise sich im Vergleich zum Vorjahresniveau etwa verdoppeln werden. Trotz eines umfassenden Kompensationsprogramms für besonders vulnerable Gruppe in der Bevölkerung und Unterstützungsplänen der Regierung für Unternehmen, wird dies zu weiter ansteigenden Produktionskosten und höheren Lebenserhaltungskosten führen. Das trifft ein Land und eine Gesellschaft, die die Krisen der letzten Jahre noch stärker als andere europäische Länder zu spüren bekommen haben. In einer sehr angespannten Sicherheitssituation aufgrund der direkten Nachbarschaft zur angegriffenen Ukraine und in einer insgesamt schwachen Wirtschaftslage werden diese Entwicklungen nur schwer zu überwinden sein. Darüber hinaus droht bei einem dauerhaften Stopp der russischen Gaslieferungen das Szenario einer humanitären Katastrophe und eines wirtschaftlichen Zusammenbruchs Transnistriens. Auch wenn manche moldauischen Experten in diesem Fall eine Chance auf eine schnelle Reintegration des östlichen Landesteils sehen, wäre eine solche Entwicklung nur möglich mit dem Abzug der weiterhin dort stationierten russischen Truppen (ca. 1500 Soldaten). Es ist höchstunwahrscheinlich, dass Moskau hierzu bereit sein wird. Vielmehr könnten sie diese Militärpräsenz nutzen, um eine stärkere Annäherung zwischen Tiraspol und Chişinău zu verhindern und die Lage weiter zu eskalieren.“

HIER weiterlesen

Quelle: Länderberichte der Konrad-Adenauer-Stiftung