Dr. med. August Bender (1909 – 2005) studiert Medizin und wird am 1. Mai 1933 Mitglied der NSDAP. Er bewirbt sich1938 bei der SS und wird nach der Beförderung SS-Sturmbannführer. Er dient hauptsächlich als SS-Arzt / SS-Führer bei den Totenkopfverbänden im KZ Buchenwald. Er ist sowohl für die Gesundheit der Lagerinsassen (Lagerarzt: Arbeitsfähigkeit oder Tod), als auch für das arische Personal als Truppen– und Familienarzt zuständig. Zwischen 1940 und 1943 verbringt er seine Zeit in der Waffen-SS an der südlichen russischen Front.
Im August 1944 bombardieren die USA aus der Luft den Kasernenbereich, Teile des Lagers und einige Industrieanlagen des KZ-Buchenwald.
Im Mai 1945 gerät der SS-Mann in US-amerikanischen Gefangenschaft. Er wird zunächst zu 10 Jahre Haft verurteilt. Mitarbeiter, untergeordnetes Personal und Vorzugshäftlinge (= jüdische und nichtjüdische Vorzugshäftlinge , welche die todgeweihten Häftlinge bewachen) bescheinigen dem SS-Mann nicht nur vor Gericht Menschlichkeit gegen Häftlingen, in der Absicht, seine Haftstrafe zu verkürzen. Der eigentliche Grund der Haftverkürzung liegt jedoch darin, dass die USA mit den besetzten West-Deutschen den Schulterschluss gegen die Sowjetunion suchen. Die einstigen Sieger geben dem Murren der besiegten arischen Bevölkerung nach, einen Schlussstrich hinter der Vergangenheit zu ziehen und keine Siegerjustiz mehr anzuwenden. Bald wird die Haft auf drei Jahre (1945 – 1948) verkürzt.
1949 eröffnet der ehemalige SS-Arzt eine Hausarzt-Praxis in Kelz bei Vettweiß in der Voreifel. Erst mit 78 Jahren nach beinahe 40 Jahren beendet er 1988 die ärztliche Tätigkeit.
Ab 1953 wird er zahlendes und sehr aktives Mitglied der HIAG: Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der ehemaligen Angehörigen der [Waffen-]SS.
Ein Foto im Buch zeigt eine arische Familie mit vielen blonden Kindern, die sich außerhalb des KZ Buchenwald vergnügt.
Landarzt und SS-Sturmbannführer: Der Kreuzauer Arzt Dr. med. August Bender.
von Nico Biermanns
Verlag: Bertram-Wieland-Archiv für die Geschichte der Arbeiterbewegung
09/2019
132 Seiten 12.90€
ISBN-13: 978-3981858907
Nun muss einiges geklärt werden.
Ärzte gehörten zu der Berufsgruppe mit den meisten NSDAP- und SS-Mitglieder, häufiger noch als Lehrer! Der Grund liegt darin, dass durch Vertreibung und Ermordung der vielen jüdischen Ärzten lukrative freie Posten frei werden. Es ist somit als arischer Arzt von Vorteil, Mitglied der NSDAP und der SS zu sein.
Knapp 40 Jahre ist der bis zum eigenen Tod überzeugte Nazi Hausarzt für Kelz und Vettweiß. Er wird von der Landbevölkerung geachtet, ja geliebt. Nach seinem natürlichen Tod 2005 (erst vor 15 Jahren!) wird er in Vettweiß öffentlich geehrt – zwischenzeitlich sind die Beweise aus der Öffentlichkeit verschwunden. Bis heute wird der Totenkopf-Arzt von seinen vielen ehemaligen Patienten offen verehrt. Ohne zu fragen, erfährt man nur Gutes über ihn. Selbst die Mitgliedschaft in der Waffen-SS-Nachfolgeorganisation HIAG stört weder Bürgermeister, Lehrer, Pfarrer, noch den einfachen Bürger.
Ist dies erstaunlich? Nein! Die Naziideologie verschwindet nicht alleine durch die Kapitulation. Die wichtige Aufarbeitung, wie sie Nico Biermanns hoffentlich erfolgreich ausführt, ist überlebenswichtig für unsere derzeit stark gefährdete Demokratie. Die Aufarbeitung kann jedoch erst ab eine Zeitpunkt erfolgreich sein, in der die allermeisten Patienten des SS-Arztes – sogar als Kinder – selber das Zeitliche gesegnet haben. Solange die Bewohner von Vettweiß das positive Verhalten des Haus- (und somit des SS)-Arztes verbreiten, wird die Aufklärung über SS-Mörder nicht fruchtbar sein.
Durch den Tod des hervorragenden Nazis verliert die unmenschlichen Hitler-Ideologie in Vettweiß langsam, aber stetig an Anhängerschaft. Patienten, die jedoch vor 1980 geboren sind, werden sich weiterhin gerne an den lieben Onkel Doktor erinnern und sich einer objektiven Aufarbeitung der Geschehnisse entgegenstellen. Die meisten Patienten des SS-Arztes sind bereits verschieden. Die jüngsten ehemaligen Patienten sind erst 40 Jahre alt. Es wird also noch eine Weile dauern bis die politische und ethische Aufarbeitung erfolgreich beendet sein wird. Das Verlegen von und die Probleme mit Juden-Stolpersteinen kann nicht als politische Läuterung durchgehen, eher als schlechtes Gewissen.