Wieder einmal ist die Demokratie Gegenstand lebhafter Kontroversen. Ist sie in der Lage, notwendige Entscheidungen herbeizuführen? Kann sie gegenwärtige Menschheitsprobleme wie Klimawandel, Migrationsströme oder Verletzungen von Menschenrechten lösen? Vermag sie binnengesellschaftliche und globale Gerechtigkeit herzustellen? Und was die Mehrheit am meisten beschäftigt: Kann sie materiellen Wohlstand schaffen und dauerhaft sichern?
Die ehrliche Antwort ist: Die Demokratie kann nichts von alledem. Denn wie alle menschlichen Konstrukte ist sie immer nur so gut, aber eben auch so schlecht wie die Menschen, die sie mit Leben erfüllen. Es kann nicht oft genug wiederholt werden: Demokratie ist Herrschaft des Volkes. Wer sich gegen diese Herrschaft wendet, wendet sich unvermeidlich auch gegen sich selbst.
Nun heißt das nicht, dass es Individuen, gesellschaftliche Gruppen oder institutionelle Arrangements gibt, die diese Herrschaft befördern, belasten oder gar unterminieren. Es gibt so etwas wie eine demokratische Gesinnung, die demokratisches Handeln beflügelt. Und es gibt das Gegenteil: Denk- und Handlungsweisen, die die Demokratie zersetzen.
Letzteres trifft nicht nur auf die erklärten Feinde der Demokratie zu. Diese sind sogar vergleichsweise leicht abzuwehren, wecken sie doch gewollt oder ungewollt Widerstandskräfte. Ungleich problematischer sind jene, die sich zwar selbst für gute Demokraten halten, zugleich aber – gelegentlich in aller Unschuld – Lebensstile praktizieren, die mit Demokratie schwerlich vereinbar sind.
Die Demokratie gründet auf einer Gemeinschaft von Menschen mit gleichen Rechten und Pflichten. Wo es diese Rechte- und Pflichtengleichheit nicht gibt, gibt es auch keine Demokratie. Anders gewendet: Demokratie und Privilegien schließen einander aus. Privilegien sind das Attribut feudaler Ordnungen. In Demokratien ist für sie kein Raum.
Und doch gieren auch in Demokratien nicht wenige nach eben solchen Privilegien. Das beginnt scheinbar harmlos mit einem Geldschein, der in einem gut besuchten Restaurant einen besonders schönen Tisch sichern soll, setzt sich fort über den Bekannten, der im Krankenhaus doch noch eines der begehrten Einzelzimmer ergattern kann und steigert sich zu schamloser Vorteilsnahme bis hin zu Korruption.
Auf wenig reagiert ein demokratisch verfasstes Gemeinwesen so empfindlich wie auf diese Art von Verhalten. Wer es gut mit der Demokratie meint, wird deshalb peinlich darauf achten, dass er nicht selbst zum Ärgernis wird. Unterschiede, die auch nur den Verdacht einer Privilegierung wecken könnten, bedürfen der sorgsamen Begründung.
Das ist nicht immer einfach. Lässt sich beispielsweise ein aufwendiger Lebensstil, der mit einer reichen Erbschaft einhergehen könnte, wirklich überzeugend begründen? Oder die Masse herausgehobener Positionen in Wirtschaft und Politik? Wer selbstkritisch ist, wird bekennen, dass es hier mit Begründungen mitunter nicht weit her ist. Durch demokratisches Gewand blitzt nicht selten purster Feudalismus.
Doch ob begründbar oder nicht: Die von irdischem Glück Begünstigten tun in einem demokratisch verfassten Gemeinwesen gut daran, wo immer es geht zu teilen. Wo eine Kultur des Teilens herrscht, wird sich Unmut über die Demokratie in engen Grenzen halten. Denn dieser Unmut speist sich vor allem aus dem Gefühl ungerechtfertigter Benachteiligung. Es liegt bei den Begünstigten, diesem Gefühl die Grundlage zu entziehen.