Demo für Behindertenrechte am Münchner Marienplatz
„Es gibt zu viele Barrieren“
München – Seit gut eineinhalb Jahrzehnten gilt in Deutschland nun schon die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen. Doch in der Praxis werden Menschen mit Beeinträchtigung noch immer in vielen Bereichen massiv benachteiligt, kritisiert der Behindertenverband Bayern. Deshalb hatte der Verband am Samstag zu einer weiteren Demonstration am Münchner Marienplatz aufgerufen. Zu der achtstündigen Kundgebung unter dem Namen „Randgruppenkrawall“ kamen über den Tag verteilt mehr als 200 Menschen – darunter auch viele mit Beeinträchtigung.
„Es gibt zu viele Barrieren, mit denen wir im Alltag zu kämpfen haben“, berichtete die Vorsitzende des Verbands Patricia Koller in ihrer Rede. Das beginne bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, der Suche nach barrierefreien Arztpraxen oder Veranstaltungsorten. „Und es geht weiter mit den Kämpfen mit den Krankenkassen, Problemen mit Pflegediensten und Sanitätshäusern“, sagte die Münchnerin, die selbst im Rollstuhl sitzt. Sogar im eigenen Zuhause sind viele Beeinträchtige mit massiven Schikanen konfrontiert. Nur jede fünfzigste Wohnung in Deutschland ist barrierefrei gestaltet.
Koller schilderte am Samstagnachmittag eindringlich ihre Erfahrungen: „Am schlimmsten und unnötigsten finde ich persönlich die Behinderung durch die Behörden, den Bürokratie-Irrsinn und den undurchschaubaren Paragraphendschungel.“ Sie wünscht sich ein bundesweit funktionierendes Beschwerdesystem. Für Koller ist klar: „Deutschland ist auch heute noch behindertenfeindlicher, als viele glauben.“
Alt-Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) beklagte in seiner Rede, dass es Menschen gebe, die wollten, „dass Rollstuhlfahrer aus ihrer Umgebung verschwinden, weil ein so strapaziöser Anblick die Grundstückspreise senken würde.“ Er forderte, auch Menschen mit eingeschränkter Mobilität müssten „am Leben uneingeschränkt teilnehmen können“.
Die nach Ansicht des Verbands kaum stattfindende Inklusion an Bayerns Schulen war ebenfalls ein Thema. „Wir brauchen mehr Schulbegleiter“, so Koller. Klar ist: Ohne diese können viele beeinträchtigte Kinder keine Regelschule besuchen, mitunter noch nicht einmal eine Förderschule. In Bayern besuchten trotz Anspruch auf den Besuch einer Regelschule zuletzt sogar noch mehr Jungen und Mädchen eine Förderschule als noch vor einigen Jahren. Bayernweit gehen mehr als zwei Drittel der Schüler auf solche Schulen, die früher Sonderschulen hießen. Bis zu drei Viertel von ihnen verlassen diese separierten Bildungsreinrichtungen jedoch ohne jeden anerkannten Abschluss.
Sozialbetreuerin Beate Jenkner kritisierte in ihrer Rede, dass Förderschüler besonders von physischer und psychischer Gewalt betroffen seien. Jenkner berichtete zudem über die berufliche Situation von Menschen mit Behinderung. „Viele werden in Werkstätten ausgebeutet.“ Für deren Betreiber seien diese dagegen „ein lukratives Geschäft“. Seit Jahren kämpften die Beschäftigten der Werkstätten erfolglos für einen Mindestlohn.