Shakespeare als Marktlücke
Andreas Sturm ist mit seinem Buch „Das Shakespeare-Prinzip – 13 Wege zum Erfolg (WOLL Verlag)“ ein kleiner Coup gelungen. Warum? Geht man in England durch Buchgeschäfte, gibt es eigene Abteilungen, die sich dem größten Dichter der Menschheitsgeschichte widmen. In Deutschland hingegen spielen Goethe, Schiller und Thomas Mann die erste Geige.
Was fehlte also? Ein Shakespeare-Buch für den deutschen Markt, das mit einer für Deutschland untypischen Leichtigkeit daherkommt, aus der Feder eines heimischen Autors. Wenn ich mich frage, warum mir Sachbücher von Andreas Rödder (21.0 bzw. Konservativ 21.0) oder Jan Fleischhauers „Unter Linken“ so gut gefallen, haben diese einen gemeinsamen Nenner. Beide Autoren haben eine Vorliebe fürs Englische. Englischer als Shakespeare geht nicht.
Shakespeare als wirtschaftlicher und politischer Ratgeber
Sturm, selbst als Politiker unterwegs, zitiert Shakespeare als Lebensratgeber. So navigiert er mit dem großen Autor durch die Widrigkeiten des Lebens. Das gibt dem Buch einen originellen Spin. Fragte Heiner Geißler 2004 noch, was Jesus heute sagen würde, tut Sturm etwas Ähnliches mit Shakespeare. Was würde Shakespeare heute zum Brexit sagen, war die Frage des Vortrags am 31.10.19 im Frankfurter Presseclub, der gut besucht war. Ist Boris Johnson ein moderner Richard III.? Was hatte Ferdinand Piech von Shakespeare gelernt?
Wie setzt man eine einmal getroffene politische Entscheidung um? Warum ist Theresa May als Prime Minister gescheitert? War Josef Ackermann eine Shakespeare-Figur? Englands größter Autor nahm in seinen Dramen die mittelalterlichen Herrscherfiguren der Insel unter die Lupe, verwob Persönliches und Politisches. Eine Figur von Shakespeares Tragik der jüngsten Vergangenheit wäre vermutlich Helmut Kohl.
Wie also navigiert man durch ein politisches Leben, wenn man so viele Tragödien sieht? Indem man von den großen Gestalten abschaut, wie man es nicht machen sollte. Bei Shakespeare kann man sich da wunderbar orientieren.
Wie ein Fußball-Trainer
Moderne Fußball-Trainer bedienen sich der Video-Analyse, meist, um Fehler unter dem Mikroskop zu analysieren. Sich anzuschauen, was man falsch gemacht hat, ist immer am lehrreichsten. Am besten ist es natürlich, wenn andere diese Fehler machen, auf dass man sie nicht selbst begeht.
Ist es beim Fußball die Stellvertreter-Funktion, dass nämlich Spieler und Trainer für Tugenden und Untugenden stehen, so dass jeder Betrachter seine eigene Lieblingsmannschaft wählt gemäß dem, was sie verkörpert, scheint es in der Politik ähnlich zu sein. Warum mag man Typen wie Boris Johnson, Franz-Josef Strauß oder andere? Weil sie für Tugenden oder Schwächen stehen, die man bei sich selbst entdeckt.
Beim Vortrag in Frankfurt spielt Sturm dann auch eine Szene einer Partie an, in der Boris Johnson im Rahmen eines Benefiz-Fußballsspiels frontal mit seinem Kopf in seinen Gegenspieler Maurizio Gaudino läuft. Was verkörpert so jemand? Befremdet dies? Fasziniert es? Setzt da jemand einfach nur um, was man als Ei des Kolumbus bezeichnet oder spiegelt dies Boris Johnsons Nähe zu Richard III. wider? Auch wenn man es mit den Analogien nie zu weit treiben sollte, kann man doch aus dem Verhalten Rückschlüsse ziehen? Warum tut Macbeth oder King Lear, was er tut? Was können wir daraus erlernen?
Kurzweilig ist Sturm sowohl in Vortrag wie im Buch. Die Analyse sitzt. Dass – und hier schließt sich der Kreis – er in einer englischen Manier schreibt, sieht man an den augenzwinkernden Sätzen, er bleibt stets kurzweilig. Garniert wird das Hardcover Buch mit Karikaturen, die Shakespeare und Sturm zeigen.