Die meisten Deutschen haben, sollte es sie überhaupt interessieren, keine Ahnung, ob das, was der umstrittene Film „Die Unschuld der Muslime“ von Sam Bacile zeigt, sachlich stimmt oder ob sein Inhalt Erfindung ist. Daher soll, nachdem die akute Aufregung abgeebbt ist, eine Information zu Machart und Inhalt des Videos, das (noch) auf Youtube zu sehen ist, gegeben werden. Dabei soll zunächst nicht interessieren, wer tatsächlich das Video gedreht hat oder aus welchem Grund es fabriziert worden ist.
Der Streifen über den Propheten des Islam ist nach Ausweis der Teile, die im Internet auf Youtube gesehen werden können, filmisch geradezu lächerlich. Die schauspielerische Darbietung ist eine Katastrophe, ebenso die Kostüme und die Ausstattung. Er ist zudem schlecht gemacht. Die Figuren sind zum Beispiel deutlich sichtbar per Bluescreen in eine Wüstenlandschaft hinein geschnitten. Die Dialoge und die Handlung sind krude. Allerdings scheint es immerhin Perspektiv- und Zeitwechsel zu geben. Durch diese offen zur Schau gestellten Defizite hat der Film aber auch einen gewissen Reiz, der zum Beispiel Filmen von John Waters eignete, die vielleicht manche Leser noch kennen. Besonders diejenigen mit Divine, der amerikanischen Drag Queen, waren so geschmacklos, dass sie für viele schon wieder sehenswert waren. Sie waren Trash und das ist wohl auch der Film „Die Unschuld der Muslime“, der angeblich fünf Millionen Dollar gekostet hat, was ja wenig ist. Ob der Trash Billigeffekt oder Absicht ist, bleibt unklar. Ob der Film, wie nun von Darstellern behauptet wird, ohne ihr Wissen nachsynchronisiert wurde, kann von hier aus nicht beurteilt werden. Es muss aber befürchtet werden, dass diese Beteuerungen schon der Aufforderung zum Mord am Produzenten und an den Darstellern geschuldet sind, die von islamischen sogenannten Geistlichen ausgesprochen worden ist. Was sieht man auf Youtube denn genau? Die Szenen sollen kurz nacherzählt und kommentiert werden. In der Youtube-Filmzusammenfassung von 14 Minuten sieht man zunächst, wie heutigentags koptische Christen unter der Duldung der islamischen ägyptischen Polizei einem Pogrom zum Opfer fallen. (Das ist leider Realität.) Ein koptischer Arzt setzt, geschockt, anschließend Islam mit Terror gleich. Dann wird die Kindheits- und Jugendgeschichte des islamischen Propheten gezeigt, der als Waise bei seinem Stiefvater aufwächst (so überliefert) und von der älteren und reichen Khadija, seiner erste Frau und Anhängerin, nach einem ihn erschreckenden Offenbarungserlebnis sexuell getröstet wird (so bei Ibn Hisham, Mohammeds erstem Biografen, berichtet). Danach folgt die islamische Fabel, die Mohammed im Dialog mit dem sprechenden Esel Yafoor zeigt (aus „Der Anfang und das Ende“ von Ibn Kathir, Kapitel 6; im Islam ein Beispiel dafür, dass sogar die Tiere sich dem Propheten zuwenden). Waraka ibn Nawfal, ein ebionitischer Priester und der Cousin Khadijas, schreibt auf ihre Bitte hin für den Propheten eine Mischung aus Thora und Bibel, den Koran, weshalb auch die Offenbarungen mit Warakas Tod eine Zeit lang aufhören. Mohammed denkt daraufhin an Selbstmord und will sich von einem Berg stürzen (in einem Hadith von Al-Bukhari überliefert). Anschließend sehen wir ihn, wie er seine Mannen für den blutigen Kampf motiviert, indem er ihnen erlaubt, den Feinden alles einschließlich der Frauen zu rauben (in verschiedenen Ahadith, so bei Al-Bukhari), er rezitiert Verse aus dem Koran, die ihm erlauben, jede Frau zu nehmen, die er begehrt, auch wenn es den anderen Muslimen nicht erlaubt ist. (Tatsächlich hatte der Prophet laut Überlieferung mehr als vier Frauen.) Ein Jude erklärt ihm, der den Juden die Zerstörung Jerichos vorwirft, dass Gott Jericho immerhin 450 Jahre Zeit gegeben habe, sich zu bekehren, bevor er es zerstört habe, und zudem kein Schutzgeld erpresst habe. Juden und Muslime würden doch an einen Gott glauben, worauf Mohammed erwidert, das reiche nicht, man müsse an Gott und an seinen Propheten glauben (entspricht dem islamischen Glaubensbekenntnis). Wer sich nicht bekehre, müsse Schutzgeld zahlen oder sterben. Kurz spekulieren die Gefährten des Propheten über seine angebliche Homosexualität in Verbindung mit Umar ibn al-Chattab, was nur bei letzterem einigen islamischen Überlieferungen (zum Beispiel Al-Bukhari) entspricht. In einem weiteren Ausschnitt verbietet Mohammed die Adoption, um Zainab, die Frau seines Adoptivsohns, heiraten zu können und ergänzt aus diesem Grund den Koran mit einem weiteren Vers (Sure 33:36). Eine uralte Frau, die Krieg und Gewalt des Propheten anklagt, wird zwischen Kamele gespannt und zerrissen (sie heißt Umm Qirfa bei Ibn Hisham). Es folgt eine Szene mit den in der Überlieferung bezeugten, weit jüngeren Ehefrauen Aisha und Hafsa, die ihn in einer albernen Szene als Pantoffelhelden durchs Zelt jagen. Am Schluss verkündet ein blutbespritzter Mohammed mit dem Schwert in der Hand, dass alle Nichtmuslime Ungläubige seien und ihre Länder, Frauen und Kinder den Muslimen gehören. (Kein Muslim wird bestreiten, dass Mohammed Schlachten geschlagen und Eroberungskriege geführt hat.) Ein oder zwei Szenen sind für mich nicht aufzuschlüsseln gewesen, weil sie im Video aus jedem filmischen Zusammenhang herauskopiert sind.
Das Prinzip des Films scheint aus dem Zusammenschnitt klar zu sein: Er erfindet so gut wie nichts, sondern operiert mit bekannten islamischen Überlieferungen, Legenden und Geschichten zum Propheten. Auch die Zitate scheinen zu stimmen und in der islamischen Welt allbekannt und anerkannt zu sein. Es handelt sich also um islamische Quellen. Von daher fragt man sich, was daran anstößig sein kann. Erschrecken manche Muslime vor ihrer eigenen Tradition? Was allerdings absolut nicht der Tradition entspricht, ist die Darstellung der Entstehung des Koran. Diese ist gewissermaßen historisch-kritisch und geht von verschiedenen menschlichen Autoren aus, darunter Mohammed. Aber das kann Nichtmuslimen ja zugestanden werden, Muslime glauben ja auch nicht, dass Jesus die zweite Person des dreifaltigen Gottes ist. Wenn Islamwissenschaftler hier von Polemiken oder Beleidigungen sprechen, wollen sie – offenbar wider besseres Wissen – nicht zugeben, dass zur Entstehung des Koran keine zeitgenössischen Dokumente existieren, ebensowenig wie bewiesen werden kann, dass Jesus auferstanden ist.
Es ist also zunächst das islamische Verbot der Darstellung des Propheten und Anderer, das übertreten wird und daher als Provokation wirkt. Im arabischen Fernsehen wurden Teile des Trailers gezeigt, interessanterweise war der Prophetendarsteller zu sehen, die Figur der Khadija war per Weichzeichner unkenntlich gemacht. Man hat also die Absurdität der Darstellung durchaus gesehen und auch demonstrieren wollen. Zweitens ist die Art und Weise haarsträubend, wie die an sich korrekten Zitate und biografischen Details gebracht werden. Der Begriff „Trash“ ist absolut passend. Der Betrachter weiß gar nicht, ob und wie das überhaupt ernst genommen werden kann, so amateurhaft ist das gemacht. Araber sehen aus wie Amerikaner aus dem Mittelwesten, Bärte sind angeklebt und so weiter… Aber wenn man keine Ahnung von den biografischen Überlieferungen, Legenden und Geschichten hat, wird man darüber hinaus denken, das sei alles aus Böswilligkeit und Haß erfunden, man wird den Inhalt für kompletten Blödsinn halten – was er nicht ist. Es sind tendenziös ausgewählte islamische Quellen. Man muss sie kennen, um den Film bewerten zu können. Wer im religiös analphabetischen Deutschland kennt sie schon? Religiöse Ahnungslosigkeit ist die Unschuld der Deutschen. Wenn man also die Intention des Videos zusammenfassend beurteilen will, muss man es als ein anti-islamisches einstufen.
Das Raffinierte an diesem Machwerk ist weiter, dass der Zuschauer sich fragt, ob der Film besser wäre, wenn er professioneller gemacht wäre. In der Türkei wurde vor kurzem ein teurer Historienfilm produziert über die Eroberung von Konstantinopel („Fetih 1453“), der vor griechen- und christenfeindlichem Chauvinismus, ja Rassismus sowie historischen Lügen und Faktenverdrehung nur so strotzt. Die Darstellung des byzantinischen Kaisers grenzt an Karikatur, die einseitige Verherrlichung des brutalen Eroberers Mehmed ist grotesk. Technisch ist der Film perfekt. Macht ihn das besser? An seinem Anfang verkündet ein, um sein Gesicht nicht zu zeigen, von hinten gefilmter Mohammed, dass Konstantinopel erobert werden müsse. Warum eigentlich? Und was hat ein religiöser Prophet damit zu schaffen? Im Islam, wenigstens in der Türkei, scheint der filmisch solchermaßen vom Propheten abgesegnete, aggressive islamische Imperialismus vollkommen unstrittig und akzeptiert zu sein; der Streifen war immerhin die bislang teuerste türkische Produktion. Der Film „Die Unschuld der Muslime“ führt diese religiös motivierte Gewalt ebenfalls auf den Propheten zurück. Der Unterschied ist nur, dass er diese Gewaltmotivation nicht billigt. Die von ihm gezeigten Geschichten und Legenden aus der überlieferten Biografie Mohammeds sind zutreffend, nur die Auswahl der einzelnen Geschichten ist tendenziös und die Darstellung soll vorsätzlich lächerlich wirken. Das rührt daher, weil der Film seinen Inhalt, der ja sachlich stimmt, verurteilt. Darf er das nicht? Das Problem ist, dass Mohammed den Muslimen als sündenfreier Mensch gilt, sein Lebenswandel als vorbildlich. Diese fromme und nicht weiter hinterfragte Auffassung gerät natürlich in Konflikt mit einem Film, der die problematischen Seiten der biografischen Überlieferung auf trashige Weise offenlegt. Ob die islamische Welt auf einen Film über Mohammed, der dieselben Geschichten und Zitate auf professionelle und affirmative Weise brächte, ähnlich entrüstet reagieren würde?
In den deutschen Medien wurde einheitlich von einem „islamfeindlichen“ Film geredet, was etwas anderes ist als anti-islamisch. Es darf bezweifelt werden, dass die Macher dieser Sprachregelung den Film oder das Video tatsächlich gesehen und den Inhalt geprüft haben. Der Film über Mohammed scheint ähnlich lästerlich wie zum Beispiel in Bezug auf Jesus „Das Leben des Brian“, den man sich einmal unter den heutigen Auspizien wieder anschauen sollte. Freilich konnte selbst Monty Python Jesus keine Gewaltausübung unterstellen. Wenn die von Islamfeindlichkeit Redenden aber Baciles Film doch gesehen haben, muss man sich fragen, warum in den deutschen Medien nicht der Begriff „christenfeindlich“ auf ein Machwerk wie „Fetih 1453“ oder sogenannte Kunstwerke wie gekreuzigte Frösche oder ähnliches angewandt wurde. Das Satiremagazin „Titanic“ als das „christenfeindliche Hetzblatt“ – na, wie hört sich das an?
Hier besteht Diskussionsbedarf. Die muslimischen Verbände mögen genau zeigen, was an diesem Film nicht stimmt, wo er Unwahrheiten verbreitet, sie sollten nicht nur pauschal ablehnen. Von Blasphemie, also Gotteslästerung, zu reden, wie es der pakistanische Eisenbahnminister tut, ist schon deshalb falsch, weil Mohammed nicht Gott war. Nur eine sehr erweiterte Interpretation von Blasphemie könnte hier überhaupt greifen. Ruft der Film zur Gewalt gegen Muslime auf, hetzt er gegen sie? Das im Netz einsehbare Video bietet dafür keinen Anhalt; im Gegenteil herrscht in Wirklichkeit, wie im Video gezeigt, in praktisch allen islamisch beherrschten Staaten Christenverfolgung. Es ist ein (schlechter) anti-islamischer Film: Ist es nur seine trashige Aufmachung, die manche Muslime stört, oder hat er gar eine entlarvende Funktion, weil er unangenehme Wahrheiten zeigt? Tatsache ist aber auch – und das sollte man bei der medial angeheizten Erregung nicht vergessen -, dass 90% der Muslime sich überhaupt nicht für dieses Video interessieren.
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