Das Geschäft mit Dissertationen Korrespondenz mit Wolfgang Greisenegger (4)

Wolfgang Greisenegger

Wolfgang Greisenegger gibt einen Hinweis. Über den Handel mit Dissertationen. Er bevorzugte einen anderen Arbeitsstil. Ein Miteinander in der Forschung. Diese Haltung scheint an den modernen Universitäten gefährdet.

In Wien werden Forschungsarbeiten und Materialsammlungen konfisziert. Werden diese verkauft im einträglichen Geschäft mit den Dissertationen. Das ist die Frage von Johannes Schütz.

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Wolfgang Greisenegger

Bei weiteren Fragen stehe ich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Johannes Schütz

www.tabularasamagazin.de/author/schuetz_johannes

www.theeuropean.de/johannes-schuetz

Das Geschäft mit Dissertationen
Korrespondenz mit Wolfgang Greisenegger (4)

Wolfgang Greisenegger gibt einen Hinweis.  Es gibt einen Handel mit Dissertationen.  Er bevorzugte einen anderen Arbeitsstil. Ein Miteinander in der Forschung. Diese Haltung scheint an den modernen Universitäten gefährdet.

In Wien werden Forschungsarbeiten und Materialsammlungen konfisziert. Werden diese verkauft im einträglichen Geschäft mit den Dissertationen. Das ist die Frage von Johannes Schütz.

From„Prof. Wolfgang Greisenegger“ <wolfgang.greisenegger@univie>
ToJohannes Schuetz <johannes.schuetz@media…>
SubjectRe: Der Schwierige
DateJun 17, 2021 09:39 PST
   


Lieber Johannes,

verzeih, dass ich unsere kleine Diskussion, die so manches mit dem Selbstverständnis der Universität und dem Universitären zu tun hat, nur streifen möchte.

Lass mich nur ein Nebenthema antupfen, nicht mehr. Wie Du Dich vielleicht erinnerst, hielt ich an der Präsenz der Hörer bei Vorlesungen fest. Eine der Zeit nachstolpernde Einstellung, die die Errungenschaften der Technik zu nutzen versäumte.

Sei´s drum! Ich nehme an, dass mich 8 von 10 der zur Prüfung Angetretenen
bei einer Begegnung auf der Gasse nicht erkannt hätten, da sie nie in
der Vorlesung waren. Für die 20 Prozent, die mich wenigstens einmal gesehen
hatten, habe ich mich hingestellt. Du erinnerst Dich wohl auch daran, dass ich bei Prüfungen keinen Ausweis verlangt habe, da ich solch ein Ansinnen als beleidigendes Misstrauen begriffen habe.

Ich weiß aber auch, dass manche davon gelebt haben, für andere, gegen gar nicht so wenig Geld, Dissertationen herzustellen. Vor wenigen Jahren wurde ich von einer Slowakischen Universität gebeten, ein Gutachten zu verfassen. Die Faktenlage, wie üblich: Der (die) Kandidat(in) hat Aussicht auf einen (politischen) Posten. Voraussetzung Doktorat. Man hatte für ein Studium freilich keine Zeit, da man die politische Karriere vorantreiben musste.

Auf den letzten Metern des Berufsgerangels holt einen dann die Vergangenheit ein. Irgendjemand weiß dann, wer helfen könnte … (Ich habe nicht nur einmal von Leuten gehört, die sich ihr Studium durch derartige „Hilfen“ finanziert haben). Für solche Guten Dienste dürfte es so etwas wie Tarife geben. Es geht
nicht nur um Eitelkeiten, sondern um Karrierevoraussetzungen und
Karrieristen, aber auch um Existenzen und dann wird´s schwierig!

Herzlich
Wolfgang


FromJohannes Schuetz <johannes.schuetz@media…>
To„Prof. Wolfgang Greisenegger“ <wolfgang.greisenegger@univie>
SubjectRe: Das Geschäft mit Dissertationen
DateJun 24, 2021 09:17 PST
   
   

Lieber Wolfgang,

Vielen Dank für Dein Schreiben und die interessanten Erklärungen. Es gibt dazu drei Punkte, auf die ich gerne noch näher eingehen möchte:

1. Handel mit Dissertationen
2. Bedeutung des Faches Theater-, Film- und Medienwissenschaft
3. Zustand am Juridicum der Universität Wien


Gekaufte Dissertationen

Aufgrund der Aktualität soll in diesem Brief der Handel mit Dissertationen das Thema sein.

Du gibst in Deinem Schreiben den Hinweis, dass Dissertationen auch hergestellt werden, im Auftrag und gegen Bezahlung. Demnach wurde dies zu einem Geschäftsmodell.

Die Dissertationen, die Politikern offensichtlich verkauft wurden und die in der Folge in die Kritik kamen, wurden allerdings nicht in der erforderlichen Qualität geschrieben. Es sollten dabei zumindest die Standards eingehalten werden, die für wissenschaftliche Arbeiten üblich sind. Ansonsten kann man solche Angebote nur als gewerbsmäßigen Betrug bewerten.  

Denn wird eine Dissertation ordentlich geschrieben, so kann kaum festgestellt werden, dass diese von einem Händler gekauft wurde. Selbstverständlich muss der Käufer noch entsprechend betreut werden, wie es bei einem Coaching für Politiker durchaus üblich ist, damit er bei Fragen auch zeigt, dass er fähig ist, die Dissertation zu verteidigen.


Kriminelle Vorfälle

Es gibt aber weit kriminellere Vorfälle in Wien. Das Schreiben von Dissertationen gegen Bezahlung ist noch ein redliches Geschäftsmodell, verglichen mit den aktuell durchgeführten Verbrechen.

Es dringen sogenannte Sachwalter in Arbeitsräume ein und konfiszieren alle Unterlagen. In Zusammenarbeit mit Richtern, die Amtsmissbrauch begehen. Es sind auch Publizisten betroffen. Diese kriminellen Aktionen können belegt werden und sind überprüfbar.

Ich kann die Vorfälle selbst bestätigen. Der berüchtigtste Sachwalter von Wien ist mit seinen Leuten auch in meine Wohnräume und Arbeitsräume eingedrungen. Er brach die Türen auf und tauschte die Schlösser. Er konfiszierte die gesamte Bibliothek, mindestens 15.000 Bücher, ganze Jahrgänge mehrerer Fachzeitschriften. Insbesondere auch alle Manuskripte, Notizen, Unterlagen, Aufzeichnungen, Bilddokumente, Korrespondenzen, Dokumente und Urkunden.

Dazu zählen auch Belegexemplare von Beiträgen, unveröffentlichte Vorträge und zwei Bücher, für die ich nur noch die Endredaktion hätte vornehmen müssen. Ich war damit über viele Jahre beschäftigt.  Bekanntlich wollte ich eine Dissertation vorlegen, die ich auch am Institut in Auszügen bereits vorstellte:
Filmanalyse nach den Methoden der analytischen Psychologie von Carl Gustav Jung.

Ich interpretierte Filme auch mit der psychoanalytischen Methode von Sigmund Freud. Eine weitere Arbeit widmete sich Fragen zum Wandel des Kulturbegriffs.

Es wäre auch möglich gewesen, die Arbeit über Filmanalyse mit der Methode von Sigmund Freud als Dissertation abzugeben. In der Folge hätte ich versuchen können, mit der Filmanalyse nach der analytischen Psychologie von Carl Gustav Jung, ein Habilitationsverfahren zu erreichen.

Ich habe diese Ziele nie aufgegeben, nur weil ich für ein paar Jahre mit der Planung und Konzeption von Medienprojekten beschäftigt war.  

Offensichtlich kann man in Wien aber eine solche wissenschaftliche Tätigkeit, wie sie früher durchaus üblich war, nicht mehr durchführen. Es wird in die Arbeitsräume eingedrungen, die wissenschaftlichen Manuskripte und das Forschungsmaterial werden geplündert. Öffentliche Institutionen, die darüber informiert wurden, greifen bei solchen Überfällen in Österreich grundsätzlich nicht ein.  

Angesichts Deiner Hinweise über den Handel mit Dissertationen müssen dabei die folgenden Fragen gestellt werden:
Was geschieht mit diesen Manuskripten, Unterlagen und Materialsammlungen. Sollen sie verkauft werden im einträglichen Geschäft mit den Dissertationen.
Wer handelt damit?

In diesem Zusammenhang möchte ich die Information erhalten, welche Maßnahmen der internationale P.E.N. Club einleiten kann, damit diese Übergriffe auf Autoren und Publizisten entschieden beendet werden.

Weitere Themen dann gerne noch in späteren Briefen.

In Erwartung Deiner Antwort verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen
Johannes


Wolfgang Greisenegger war Ordinarius für Theaterwissenschaft an der Universität Wien. Seine Habilitation „Die Realität im religiösen Theater des Mittelalters“ gilt als Standardwerk. Von 1984–1988 Präsident der International Federation for Theatre Research (IFTR). Von 2001 bis 2011 Präsident des P.E.N.-Club Österreich.  Greisenegger wirkte als Dekan an der Grund- und Integrativwissenschaftlichen Fakultät und schließlich als Rektor der Universität Wien.

Johannes Schütz war Theaterkritiker für das Kulturmagazin zyklus-report (Salzburg), Gastautor für das Feuilleton Spectrum der Tageszeitung Die Presse. Feldbibliograph für die International Bibliography of Theatre (IBT).  Mitarbeiter und Lehrbeauftragter am Institut für Theater-, Film- und Medienwissenschaft der Universität Wien.  Projektleiter bei der Konzeption des Community-TV-Wien (im Auftrag der Stadt Wien). Projektleiter für ein Twin-City-TV Wien-Bratislava (in Kooperation mit dem Institut für Journalistik der Universität Bratislava). Er ist jetzt als Publizist tätig.


Links:

„Das muss man aushalten“
Korrespondenz mit Wolfgang Greisenegger (3)

(Tabula Rasa Magazin, 17. 6. 2021)


Über Doktorwürde
(Tabula Rasa Magazin, 15. 6. 2021)

Ein paar kleine Glossen mit Wolfgang Greisenegger
(Tabula Rasa Magazin, 7. 4. 2021)

Finanzen

Über Johannes Schütz 107 Artikel
Johannes Schütz ist Medienwissenschafter und Publizist. Veröffentlichungen u. a. Tabula Rasa Magazin, The European, Huffington Post, FAZ, Der Standard (Album), Die Presse (Spectrum), Medienfachzeitschrift Extradienst. Projektleiter bei der Konzeption des Community TV Wien, das seit 2005 auf Sendung ist. Projektleiter für ein Twin-City-TV Wien-Bratislava in Kooperation mit dem Institut für Journalistik der Universität Bratislava. War Lehrbeauftragter an der Universitat Wien (Forschungsgebiete: Bibliographie, Recherchetechniken, Medienkompetenz, Community-TV). Schreibt jetzt insbesondere über die Verletzung von Grundrechten. Homepage: www.journalist.tel