„Das entgleiste Busserl“ oder „Warnhinweis“ für Goethe ..?

Paar, Kuss, Naure; Quelle: tinytribes,
Paar, Kuss, Naure; Quelle: tinytribes, Pixabay, kostenlose LIzenz, kein Bildnachweis nötig

Was eigentlich ist ein Kuß?

Die Antwort fällt weltweit erstaunlich unterschiedlich aus.

In Frankreich gibt es neben – oh  ! – leidenschaftlichen Zungenküssen den alltäglichen Wangenkuß – je nach Region wird zwei bis viermal auf die Wange geküßt, wobei es sich eher um das Aznavour‘sche „Wange an Wange“ handelt.

(Hier gleich noch ein Reisehinweis: Die ganze wildwüchsige Küsserei ist seit einhundert Jahren auf französischen Bahnübergängen untersagt – weniger der Sicherheit halber, vielmehr um Zugverspätungen vorzubeugen. Beachtet wird dieses Verbot indes so wenig wie Zebrastreifen, so daß sie völlig unbesorgt sein dürfen, es sei denn ein finster dreinblickender Gendarm postiert sich in Ihrer Nähe.)

Wenn wir mal global rundschauen: In Afrika war Küssen bis tief zurück in jene wüsten Zeiten als noch numerierte Witze über Missionare in Kochkesseln im Schwange waren, schlicht unbekannt. Und als die westliche Kußkultur herüberschwappte, wurde sie 2007 in Südafrika prompt verboten.

Im mexikanischen Guanajuato hingegen existiert sogar eine „Kußgasse“, die von kußfreudigen turistas gerne frequentiert wird; allerdings unter Lebensgefahr, denn man küßt von Balkon zu Balkon hinüber, also eher was für vegane Rippengestelle.

Inder küssen ausschließlich privatim.

In einigen islamischen Staaten ist das Küssen, wie so Vieles was Spaß macht, in der Öffentlichkeit gänzlich untersagt.

Letzteres ist in den mittel- und südamerikanischen gar nicht nötig, weil dort ohnehin kaum jemand küßt.

In den sechziger Jahren wurde der Tanz „Letkiss“ geboren, bei dem während einer Häschen-Hüpf-Orgie wenigstens zwanzigmal exakt so unecht geküßt wurde, wie es jener Senor Rubiales, auf den wir gleich zu sprechen kommen, praktizierte. Der Tanz ist leider sehr aus der Mode gekommen, könnte aber ins Training von Mixed-Teams wie weiland Kilius/Bäumler, bedenkenlos wieder eingebaut werden. Wenn aber zukünftig vor jedem Kuß abgefragt werden muß, ob er auch einvernehmlich erfolgt, würde das den Spaß merklich mindern.

Natürlich gibt es auch anderweitig Küsse zu verteilen. Der sog. „sozialistische Bruderkuß“ zwischen Honecker und Breschnew, mit oder ohne Pelzkappe, bleibt uns als besonders ästhetisch in Erinnerung. Doch auch unser lieber „Gorbi“ küßte seinen DDR-Erich und am Ende den jungen Krenz. Alles Küssen war indes bloß Mimikry, weil sie sich als verlogenes Vorspiel zur deutschen Revolution 1989 entpuppten.

In diesem Kontext erinnern wir mit Abscheu den silberlingversüßten „Judaskuß“ aus dem Neuen Testament. Im Alten Testament finden wir wohlwollende Küsse zwischen David und Jonathan und auch Barsillai, die Dankbarkeit und Wertschätzung signalisieren.

Nun geschah da jüngst noch ein anderer Kuß, der weltweit Aufsehen erregte. Da soll nämlich ein 46 Jahre alter verdienter, hoher spanischer Fußballfunktionär namens Luis Rubiales vor einem Milliardenpublikum frohgemut eine Art Sexualverbrechen begangen haben. Hat er doch der Kapitänin Hermoso der just zum Weltmeister gekürten spanischen Frauenmannschaft unerwartet eine Art Kuß gegeben. Wohlgemerkt: eine Art Kuß. Weil: Es war ein Kuß, der rein physisch betrachtet deutlich unter jener zerstreuten, millisekündlichen Intensität lag, die Männer ihrer Partnerin beim morgendlichen Verlassen der ehelichen Wohnstatt zugleich mit dem Hinweis „Der Hund liegt hier sehr ungünstig“ zuhauchen, beidseits in Gedanken schon am PC.

Klartext: Da hat sich ein heißblütiger, fußballverrückter Südländer, ehemaliger Fußballprofi von Real Madrid, im Fußball-Überschwang vergaloppiert. Wofür man ihn, das sei ja eingeräumt, durchaus rügen kann, da es natürlich unschicklich war. Und wenn man es böse mit ihm meint: lachend erzwungen. Es hätte wirklich nicht sein müssen.

Das ist aber auch schon alles. Menschen machen Fehler. Große und kleine. Es war ein kleiner. Er hat sich dafür öffentlich entschuldigt, wobei man es hätte bewenden lassen sollen. Denn es war ja kein Zungenkuß, nur ein symbolhaftes Häuchlein. Er hat der Señora nirgendwo hingegriffen (nur zuvor beherzt sich selbst, was auch in Spanien für einen Caballero nicht unter sonderlich stilvoll fällt) oder ihr gar ein Kind gemacht. Da kann man in neun Monaten ja nachgucken.

Mit Sex oder Sexismus hatte es also gar nichts zu tun. Null. Nur mit Freude und Dank. Allein damit.

Aber nun kommt‘s: Die feministisch Schnappatmenden witterten fette Beute, schleunigst kletterten sie auf eine neue künstliche Palme. Und entfesselten eine völlig unverhältnismäßige, ja bösartige, gehässige Mannes-Hatz. Hechelnd unterstützt von ihren üblichen medialen Demutsbezeugern. Um einen Mann der Ächtung preiszugeben, zerstört mal gerade so nebenbei sein Lebenswerk. Wegen eines Schmetterlingshauchs.

Dieses zunehmende, verwerfliche Fertigmachen Anderer, deren haßerfüllte Ausgrenzung, kann ja einen oder eine Jede/n unter uns treffen. Täglich. Auch Sie! Schon mal bedacht? Und das sollte uns alle besonders ängstigen.

Und deshalb: Jene allein, die das Ganze angezettelt haben, sie gehören an die Schandmauer – sie!

Und nicht etwa Senior Rubiales, dem bei aller Rüge für seine Jubel-Entgleisung unser Mitgefühl gelten mag. Auch wenn ihn ein – Pardon – unwürdiger, „böser Onkel“, auf den ideologischen Zug aufspringend, strahlend wichtigtuerisch des Sexismus bezichtigt. So kam der Kerl immerhin mal ins spanische Radio. Sein Neffe sei „von Sex, Geld und Macht besessen“, feiere Orgien mit einem Haufen Escort-Damen und unternehme Liebesreisen. Wollen wir hoffen, daß der Onkel nicht von Neid besessen ist.

Man darf nicht nur, man muß solch Hatz-Gebaren furchtlos und hart geißeln. Denn wer Fairneß und Gerechtigkeit will, der sollte vielmehr jene hart abmahnen, die solch eine Hetz- und Haßkampagne anzetteln. Und die von uns rabiat verlangen, meinungs- und gebarensmäßig immer auf ihrer Seite zu stehen – auf der Seite undifferenzierter Kretins. Die statt für Harmonie zwischen Mann und Frau zu werben, für das genaue Gegenteil die Axt schwingen. Und die wir uns mit ihrer Aggressivität bitte mal im Mittelalter vorstellen sollten – wo der nächste Strick ja nicht allzuweit weg war. Wollen wir da wieder hin? Senior Rubiales jedenfalls nicht, er beklagt ganz zurecht, er werde „politisch und medial gelyncht“.

Und wenn wir schon beim Selberdenken angelangt sind: Es sei mir noch ein Sprung auf ein verwandtes, aktuelles Gleis hinüber gestattet. Neuerdings werden die geschichtlich doch zumeist straffrei herumtollenden Hofnarren– moderne wie z.B. Otto Waalkes, Harald Schmidt und Gerd Dudenhöffer – in Fernsehsendern, die von unseren hohen Zwangsgebühren prächtig leben, mit „Warnhinweisen“ versehen. Man stelle sich das einmal vor: Jene Parteibuchinhaber in den Sendern hängen unseren erstklassigen Kabarettisten zeitgeistige Warnschilder an. Und man stelle sich jetzt vor, der Schuß ginge nach hinten los, so wie der hier:

Zu Beginn der hiesigen Industrialisierung galten Waren aus deutschen Landen im industriell vorreitenden England zwar als billig, doch als minderwertig; es galt, sich vor diesen zu schützen, namentlich ökonomisch, zumal es sich nicht selten um lästige Imitate handelte, z.B. der Messer aus Sheffield. So verpaßte das englische Parlament deutschen Produkten im Jahre 1887 kurzerhand eine Stigmatisierung: „Made in Germany“ war geboren – in London. Doch der Schuß ging nach hinten los. Deutschland legte kurz darauf eine fulminante Qualitätsoffensive hin und „Made in Germany“ wurde alsbald zum Gütesiegel, das international Anerkennung und Kauflust hervorrief.

Wird es denn am Ende soweit kommen, daß es heißt: „Ich will auch einen Warnhinweis“, als verkaufsförderndes Gütemerkmal? Dann will ich auch einen. Wo kann ich ihn beantragen? Beim BND? Ich kann ein Diplom im Nicht-Gendern vorweisen, esse Negerküsse und verteidige das bißchen verbliebene Meinungsfreiheit.

Unser aller Goethe war ja nun auch nicht gerade ohne, ja viel schlimmer als Senor Rubiales, räumte er doch unumwunden und öffentlich ein:

Oft nahm ich wachend deinem Munde
In einer unbewachten Stunde,
Soviel man Küsse nehmen kann.

Ist das denn in Ordnung? Natürlich nicht. Man stelle sich als geifernde Feme diesen Frevel vor!

Kriegt der Geheimrat auf Intervention seines Minister-„Kollegen“, des Kinderbuchautors Habeck („Kleine Helden, große Abenteuer“), posthum auch ‚nen Warnhinweis verpaßt? (Pardon, ich weiß, es ist kaum zumutbar, beide in einem Satz zu nennen …)

Natürlich könnte es am Ende gar so weit kommen, daß wir den Spieß mal umdrehen und unsere eigenen Politiker mit Warnhinweisen versehen, zum Beispiel unsere peinlichste Außenministerin aller Zeiten, die in ihrem werten Hause nicht nur Bismarck ab- oder zuhängen ließ, sondern auch den lieben Gott.

Geradlinig wäre es, wenn durch die Bank alle Männer, diese haarige Gilde, deren einziges Ziel es bekanntermaßen ist, Frauen in Fahrstühlen unsittlich zu betatschen, mit Warnhinweisen versehen würden. Und wenn sie denn schon gefehlt haben, dann müssen sie ein Reue-Schild tragen, Vorderseite: „Ich habe betatscht“. Und auf der Rückseite eine Litanei mit Fürbitten für Mitgliederinnen der MeToo-Bewegung, ersatzweise Ricarda Lang.

Weg also mit Männern wie mir, die furchtbar wider den Zeitgeist löcken und – igitt – verwegen fordern:

„Statt mit Genderklamauk auf subtile Weise Konfrontation zwischen männlichen und weiblichen Menschen zu säen, sollte man vielmehr daran arbeiten, Harmonie zwischen den Geschlechtern zu propagieren. Dafür ist es hohe Zeit – nicht für das Gegenteil“.

Wenn sie nicht parieren, werden die Widerborstigen in Umerziehungslager eingepfercht, zwangsveganisiert, ihnen die Brillen abgenommen und zertreten, wie die von Woody Allen.

Um den tiefen Graben zwischen Männlein und Weiblein weiter zu zementieren: Natürlich sollten die westlichen Frauen vorsichtshalber berücksichtigen, daß wir Männer auch sie mit einem generellen Warnhinweis ausstatten könnten. Und wir uns hinfort der Damenwelt in Papua-Neuguinea, Neuseeland oder der Arktis zuwenden, wo es – wie auch – keine heißen Küsse, dafür Nasenbussis oder Wimpernknabbern gibt. Klingt nicht ganz so toll, aber immerhin human.

Ach ja, das noch: Zeigte sich das bundesrepublikanische Revolverblatt Nr. 1 über Senor Rubiales „entsetzt“, so mußte es wenige Tage später kleinlaut zurückrudern. Hatte sich doch ein Video eingestellt, das bewies, daß die spanischen Spielerinnen den Skandal-Kuß im Mannschaftsbus lustig feierten. „Sport 1“ berichtet: „In dem angeblich im Teambus der Spanierinnen nach dem Titelgewinn gemachten Clip witzeln einige Spielerinnen in lockerer Atmosphäre über den Vorfall. Auch die Kapitänin ist in dem Video zu sehen, mit Sektflasche in der Hand und in bester Stimmung zu ihren Teamgefährtinnen: „Er war bewegt und so. Er kommt und faßt mich so an.“ Mehrere Spielerinnen rufen unter anderem „Kuß, Kuß, Kuß, Kuß, Kuß“. Als Rubiales an ihnen vorbeigeht, skandieren einige „Presi, Presi, Presi“.“ (Presi = Präsident).

Einige Stunden später die plötzliche, eiskalte Wende: Sie verurteilen den Kuß, verlangen Strafen, sehen sich als Opfer „impulsiver, sexistischer, unangebrachter“ Handlungen und fordern Respekt. Außerdem träten sie allesamt nicht mehr für die Nationalmannschaft an.

Wer hat die señoritas denn da so flott auf Linie gebracht? Die im spanischen Oberwasser schwimmenden „feministas“ womöglich? Als ehemaliger Fußballer weiß ich sehr genau, was Fußballer fühlen, wenn sie ein Spiel gewonnen haben, nämlich wirklich alles – außer den Hang plötzlich politisch zu werden und andere zu bestrafen und gnadenlos auszustoßen. Ihre Begehren geht vielmehr in Richtung Bierkästen, Abklatschern, Umarmungen und Dusch-Gesang.

Alle fielen sie zerfleischend über Senor Rubiales her: Das Sportministerium, die FIFA, sogar die UN, als hätte sie keine lebenswichtigeren Aufgaben. Ja, sogar eine päpstliche Enzyklika steht im Raum, angeregt vom Orden Beschuhter Karmelitinnen, Abteilung Rasensport.

Rubiales Mutter trat in den Hungerstreik, beklagte: „Ich werde so lange hierbleiben, wie mein Körper das mitmacht. Es macht mir nichts aus, für die Gerechtigkeit zu sterben. Mein Sohn ist ein anständiger Mensch und es ist nicht fair, was sie mit ihm tun.“ Und wer sie davon abbrachte, war nicht etwa der böse Onkel, sondern ihr lieber Sohn Luis.

Nur Karlheinz Rummenigge hatte cojones und sprang Rubiales bei. Nun fallen sie alle über den her. Hat er doch gewagt, nicht mit den Wölfen zu heulen. Ihm und jenen wenigen Unerschrockenen, die in diesem Lande die Courage zur eigenen Meinung aufrechterhalten, sollten wir unsere Reverenz erweisen.

Bleibt mir am Ende nur die Hoffnung, daß mir vorliegender Beitrag keinen linksgrünen Pferdekuß (den Kuß hatte ich noch vergessen) einträgt.

In diesen Zeiten will man/frau es uns offenbar schwermachen, auf dem Wege des Anstands zu bleiben. Wir sollten wie Rummenigge dennoch graniten auf diesem verharren, notfalls als Antipoden der Klimakleber: Als Anstandskleber. Glück auf!

Norbert Breuer-Pyroth
COVER – WohligErlesen – Ausgabe IV – Winterausgabe 2023

Unser Autor ist zugleich Herausgeber der Revue „WohligErlesen“.

Auch diesmal stehen für Sie auf 90 werbe- und genderfreien Seiten Werke famoser, teils weltbekannter Schriftsteller wie Mark Twain bereit:

Wein auf Lebenszeit, unangenehme Folgen weiblichen Starrsinns, Karl Valentin in neuem Gewand, endlich wirksame Tips gegen das Altern. Schon kurz danach können Sie wieder unbeschwert mit Jerry Cotton „über seinen Jaguar flanken“ – und unverbrüchlicher Liebe bei Meeresrauschen beiwohnen.

Echt Saarländisches plus diesmal Bayerisches ist im Angebot. Sie lernen den ungemein seltenen „Gargag“ kennen. Und eine „abbe“ Hand sorgt für Grusel.

Und dann: Wir nähern uns Weihnachten – mit einer Reise, einem verschollenen Zeitungs-Märchen und seiner modernen Variante, indes unerwartet im Dunkeln.

Und am Ende kommt es sogar, das Christkind – herzerwärmend, aus tiefkindlicher Seele.

All dies wie immer umrahmt von faszinierender Bebilderung, nicht zuletzt seitens der brillanten, weltbekannten Britin Inga Moore, in deren tierliche Bilder man sogleich einziehen und die Nachrichten dieser Welt weit hinter sich lassen möchte.

 

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