Wir befinden uns im 8. Monat des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Seit Monaten ist klar, dass wir zum Jahresende mit einer weiteren Verknappung der Energieversorgung in unserem Land rechnen müssen. Gas- und Strompreise sind bereits jetzt so hoch wie nie zuvor. Die Bundesregierung hat trotzdem bis heute kein Konzept, wie sie mit dieser für die privaten Haushalte und für die Unternehmen kritischen und in vielen Fällen existenzgefährdenden Lage umgehen soll. Wertvolle Monate sind mit endlosen Diskussionen, untauglichen Versuchen und ungeeigneten Mitteln verstrichen.
Nun soll am kommenden Montag ein erster Vorschlag der „Gas-Kommission“ vorgestellt werden. Die Vorsitzende der Kommission warnt schon einmal vor zu großen Erwartungen und lässt ihre Präferenz für Einmalzahlungen erkennen. Der Bundeswirtschaftsminister spekuliert, man werde die Preise um ca. 50 Prozent auf das Vorkriegsniveau heruntersubventionieren.
Offen scheint bei diesen Vorschlägen zu bleiben, wie man den stark steigenden Preisen denn mit marktwirtschaftlichen Instrumenten begegnen könnte. Das ausbleibende Gas hat unsere Volkswirtschaft in einen Angebotsschock versetzt. Einem Angebotsschock begegnet man am besten mit zwei Instrumenten: Man erhöht das Angebot aus allen anderen verfügbaren Quellen und senkt zugleich wo immer möglich die Nachfrage. Wir verfügen in Deutschland über Kohlekraftwerke in der Reserve, über Biomasse, Holz und Erdwärme, über Windkraft und Sonnenenergie, schließlich auch noch über drei laufende Kernkraftwerke und zwei weitere, die man wohl relativ schnell reaktivieren könnte. Die Bundesregierung hätte über den Sommer alle diese Möglichkeiten voll ausschöpfen müssen, dann wären die Preise schon heute deutlich niedriger – und auch der Anteil der Gaskraftwerke am Strommarkt wäre gesunken und nicht weiter gestiegen.
Die Bundesregierung hat also schon auf der Angebotsseite längst nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft, zum Teil aus rein ideologischen Gründen, wie zum Beispiel bei der Kernenergie. Aber auch die Nachfrage sinkt nicht etwa, sondern steigt im Jahresverlauf immer weiter an und treibt die Preise zusätzlich. Bei der Nachfrage hätte es ebenfalls Möglichkeiten gegeben, die über Duschtipps hinausreichen. Vor allem die angekündigten 200 Milliarden Euro, die der Bund für die Gas- und Strompreisbremse einsetzen will, könnten kontraproduktiv wirken, denn sie setzen gefühlt das Preissignal zunächst einmal weitgehend außer Kraft. Stattdessen wären Auktionen des Staates über den Markt denkbar, zum Beispiel für eingespartes Gas in den Produktionsprozessen der Industrie, um auf der Nachfrageseite zu schnellen Ergebnissen zu kommen. Wird wenigstens darüber nachgedacht?
Man kann es nur hoffen, denn allein mit Zahlungen aus dem Bundeshaushalt an die Verbraucher werden sich die Probleme nicht lösen lassen. Das könnte ein Fass ohne Boden werden und zugleich größere Verteilungskonflikte auslösen zwischen denen, die Geld bekommen und denen, die leer ausgehen. Denn jeder Versuch, es allen recht zu machen, ist – wie immer – zum Scheitern verurteilt.
Ein viel zu großer Zeitverlust und mangelndes Vertrauen in die marktwirtschaftlichen Instrumente haben jedenfalls schon bisher einen Schaden entstehen lassen, der in dieser Höhe nicht notwendig gewesen wäre.
Quelle: MerzMail