Coronakrise: Die Baisse nährt die Baisse

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Es geht hier nicht um die Politik, es geht nur um die vielen Geschäfte und Einzelunternehmen in unserem Lande. Es geht allenfalls um die Politik mit der dringenden Aufforderung an die Politiker, den Shutdown sofort zu beenden, wenn er Nachstehendes gelesen hat. Das ist kein guter Rat, sondern eine Aufforderung.

Es ist aktuell nicht möglich, in dieses Zeit des totalen wirtschaftlichen Umbruchs Einzelnen Ratschläge zu erteilen, und es ist kaum möglich, manchen – und das werden nicht wenige sein, bei denen ein Karrierebruch, ein Existenzbruch ins Haus steht – Orientierung zu geben im Dickicht der unterschiedlichen Entwicklungen aller Art. Bei nüchterner Betrachtung steht ein Blutbad an, allenfalls zu vergleichen mit der Gründerkrise von 1873, von der die Wirtschaft 6 Jahre brauchte, um sich zu erholen. Ein erster Schritt kann hier nur eine nüchterne Analyse sein, wobei der gesamte Finanzbereich und seine großen und kleinen Instrumente und seine besonderen Befindlichkeiten außer Betracht bleiben.

Gute Kaufleute haben eine besondere Eigenschaft, sie reagieren flexibel auf sich ändernde Umstände. Manche haben in diesen Tagen (nicht Wochen!) ja auch schon blitzschnell reagiert, so wie viele Kneipiers, die einen Lieferservice für ihre Umgebung eingerichtet haben, oder die neuen Betreiber von Autokinos, die auf das Abstandsgebot reagierten. Bedarf gesehen, Möglichkeiten gesehen – und los geht’s. Für den Kaufmann gilt generell: Es geht nicht darum, neue Gelegenheiten herbeizuführen, sondern die, die sich einem bieten, zu nutzen. Chancen sind immer da, wo es noch ein bisschen Geld zu holen gibt. Da wir in Deutschland viele Beamte und Gehaltsempfänger haben, deren Einkommen stabil weiterfließen (eine wichtige Komponente der Sozialen Marktwirtschaft) und die aktuell – wie alle anderen auch – nicht verreisen dürfen, gibt es eben die Chancen nicht in Ibiza am Strand, sondern vor der Haustüre. Wie bei allen Krisen, werden sich allerdings jetzt viele Angestellte nolens volens selbständig machen müssen, wenn Insolvenzen auf ihre Arbeitsverhältnisse durchschlagen. Zu Beginn sind es harte Zeiten, später sind sie oft glücklich, weil sie die Chance genutzt haben. Nicht alle natürlich.

Der digitale Turbo setzt Effizienz durch

Die Aussichten sind nicht rosig. Das wirtschaftliche Leben ist Effizienz- und Geschwindigkeits-getrieben. Das Wort „effizient“ ist eines der Lieblingsworte der Ökonomen. Der Grund ist einfach: Es geht um die Reduzierung der Kosten je Einheit, oft um die Reduzierung der Personalkosten, weil Personal ja das teuerste Einsatzmittel ist. Dafür modernisiert man den Maschinenpark, dafür fusionieren Wettbewerber, weil sie dann die Verwaltungen zusammenlegen können, dafür sucht man billige Produktionsstandorte, dafür trimmt man die Einkaufsabteilung, via Google radikal die Transparenz der Märkte zu nutzen. Höhere Geschwindigkeiten reduzieren den Zeitfaktor, ermöglicht dadurch viele Effizienz-Schritte. Die Digitalisierung lässt grüßen.

Der digitale ist der schnellste Transportweg – und er ist der effizienteste und billigste, denn er erspart sowohl den Weg wie auch die Zeit. Der Zeit-, Material- und Energie-Aufwand einer digitalen Vorlesung an der Universität ist für alle Beteiligten minimal im Vergleich zu einer Präsenz-Veranstaltung. Die Krise erzwang in kürzester Zeit die Nutzung der digitalen Wege für Schulen und Universitäten. Da wir eine noch viel größere Wirtschaftskrise mit großen Einkommensverlusten vor uns haben, werden viele einen Teufel tun und zur kuscheligen, alten Veranstaltungsform zurückkehren.

Die Baisse nährt die Baisse

Die Baisse nährt die Baisse, sagen die Börsianer. Beim Technologie-Turbo ist es nicht anders. Geradezu fatal ist das Zusammentreffen des Technologie-Schubs mit dem Krise-bedingten Nachfrageausfall und danach dann auch noch die Erschütterung der Arbeitsmärkte. Der Wegfall der Transportleistungen schlägt durch auf die Transportunternehmen, im Großen und im Kleinen. Die Lufthansa ist buchstäblich am Boden. Nicht anders die Bahn. Die kleinsten Transportunternehmen sind die Haushalte mit ihren Privatfahrzeugen. Bei ihnen fällt mit dem Effizienz-Turbo in den Unternehmen viel an Einkommen weg, bei einem Teil der Haushalte und Unternehmen auch der Kraftfahrzeug-Bedarf.

Hierdurch Betroffene sind die Hersteller von Autos, Flugzeugen und Bahnen. Am schlimmsten trifft es deren Ausstatter, die Investitionsgüter-Industrie. Wenn der Bedarf an Autos, also privaten Investitionsgütern, schlagartig um 20, 30 oder 50 Prozent zurückgeht, dreht der Bedarf an neuen Fabriken und Maschinen ein paar Jahre nach unten gegen Null. Glück haben die, die sich mit Wartungsverträgen über Wasser halten können, wie die Hersteller von Rolltreppen und Aufzügen. An den soeben abgewickelten Verkauf der Aufzugsparte durch ThyssenKrupp mag man gar nicht denken. Etwas besser geht es der Grundstoff-Industrie, auch im Baubereich. Es gibt zwar einen Preisverfall, siehe den Preiskampf beim Öl, aber die Förderung lässt sich drosseln, der Vorrat an Ressourcen bleibt erhalten – für bessere Zeiten.

Das sind nur die Folgen im ersten Schritt, der Wegfall der Wertschöpfung im Bereich des Verkehrs. Der zweite Schritt ist noch brutaler, weil er einen Hebel hat. Gehen die Menschen nicht mehr auf Geschäftsreise, brauchen sie keine Reiseunterkünfte, keine Hotels mehr in den Städten. Die Finanzierung von Hotels erfolgt regelmäßig über Mieteinnahmen, die die Betreibergesellschaften bezahlen. Die Kündigung durch Betreibergesellschaften, also einiger Hotelketten, oder deren Insolvenz, vernichtet die Wertigkeit der Immobilien, die nicht selten mit dem 20-fachen der Jahresmiete oder mehr bewertet waren. Die Neubewertung landet günstigenfalls beim Normalwert, dem 12-fachen der Jahresmiete. Die Wertevernichtung beträgt so ein Vielfaches des Mietausfalls. Wer soll das verkraften? Nicht viel anders sieht es bei Büroneubauten aus, deren räumliche Auslastung – und damit deren Wertigkeit – sich durch den Technologie-Turbo und das Konjunkturloch sprunghaft reduziert.

Ich sehe schwarz

Und damit entwickelt sich der nächste Turbo nach unten: Wie einen Donnerschlag wird es in wenigen Wochen auch die Bau- und Immobilienbranche treffen, weil der Nachfragedruck des vergangenen Baubooms buchstäblich wegbricht. Baufirmen und Installateure, die Hersteller von Installationsmaterial, Fensterfabriken, Fassadenbauer und ihre Lieferanten, sie alle haben eine lange, tiefe Konjunkturdelle vor sich. Architekten nicht weniger. War vor Wochen noch von einem Mangel an Kapazitäten die Rede, fährt jetzt erst die Neubauplanung, dann die Bautätigkeit mangels Nachfrage nach Immobilien, sowohl im gewerblichen wie im privaten Bereich, Schritt für Schritt gegen Null. Was bedeutet: Die Nachfrage nach Materialien, Ziegelsteinen, Zement, Baustahl, Bauholz, und Installationen sinkt drastisch. Ganze Industrien sehen sich bald einem nie gekannten Mangel an Aufträgen gegenüber, nicht wenige sehen sich vorübergehend mit einer Null-Nachfrage konfrontiert. Auch wenn staatliche Aufträge Milderung herbeiführen können bzw. könnten, der Ausfall an Steuereinnahmen macht bei den Gemeinden rigide Sparmaßnahmen notwendig, die zu zusätzlichen Ausfällen an Baumaßnahmen oder Projekten führen.

Ob die Spirale nach unten gebremst werden kann, steht in den Sternen. Dass gigantische Probleme auf uns zukommen, die kaum von Zentralbank- oder EZB-Geld aufgefangen werden können, dafür braucht es keiner Hellseherei. Der Technologie-Turbo steigert die Effizienz und fährt die Kosten herunter. In vielen traditionellen Industrien ist mit einem Ausfall an Wertschöpfung ungeahnten Ausmaßes ist zu rechnen. Ausgenommen könnten Teile der Lebensmittelbranche sein, wenn, ja wenn, ihre Kunden in Zukunft nicht so viel weniger verdienen würden.

What to do? Und damit sind wir doch wieder bei der Politik, denn nur sie hat die Mittel und die Instrumente. Was allerdings fehlt, ist der Sachverstand. Deshalb sehe ich schwarz.

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