Corona – Filmbrancheninfos #25

Bild von Hank Williams auf Pixabay

Die Diskussion um die Künstlerhilfen ist im Gange – keine übertrieben gute Nachricht, aber doch etwas, das hoffen lässt. Die auf Produktionsdauer Angestellten allerdings sind dabei noch nicht im Fokus. Doch auch das könnte sich ändern. Wir danken Euch für Eure Informationen, Ergänzungen und Korrekturen, Fragen und Kommentare an cinearte@crew-united.com. Und bitten um Verständnis, wenn wir nicht alle persönlich beantworten können.

Die Brancheninfos erscheinen gleichzeitig auch auf unserem Blog out-takes zum Nachlesen.

Wir machen keine Scherze über das Virus. Aber der erste ist wirklich gut (auf Englisch).

Was viele berichten, liegt nun in Zahlen vor: Die Kurzumfrage zu den Auswirkungen der Krise auf die Filmschaffenden ist abgeschlossen. Rund 4.800 Antworten sind eingegangen. Die Umfrage entstand in Zusammenarbeit mit AG Dok, BVFK, Fair TV und Crew United und wird nun von Jörg Langer ausgewertet. Wir werden die Erkenntnisse und Handlung morgen vorstellen.

Netflix ist jetzt der wertvollste Medienkonzern: An der Börse überflügelte der Streaming-Dienst den Konkurrenten Disney. Das ist ein historischer Wert, der mit der Coronakrise zusammenhängt. Disney kontert aber mit seinem eigenen Streaming-Angebot.
Disney setzt die Gehaltszahlungen für fast die Hälfte seiner Angestellten aus – und will so bis zu 500 Millionen Dollar im Monat einsparen. Mehr als 100.000 Mitarbeiter*innen seien betroffen, meldet das „Handelsblatt“, während das Unternehmen Bonusprogramme für Führungskräfte und eine Dividendenzahlung über 1,5 Milliarden Dollar nicht antasten will. Disneys Dilemma in der Krisebeschreibt ein Finanzanalyst.

Wie sieht es in Los Angeles aus? Die Schauspielerin Nina Franoszek berichtet bei #BeCreativeAtHome! von Casting-Network über den Alltag an der Westküste, undwas die Pandemie mit Hollywood macht.

1931 erschien Benjamin P. Hamptons „Geschichte der amerikanischen Filmindustrie“. Sie warf auch einen genauen Blick auf die Auswirkungen der Pandemie der „Spanischen Grippe“ 1918, am Ende des Ersten Weltkriegs. Ein Jahrhundert später zieht der „New Yorker“ daraus Lehren für die Filmindustrie (auf Englisch): „Viele kleinere Firmen gaben auf, und die daraus resultierende Marktbereinigung führte zu einer Konsolidierung, die die Großen größer machte und genau jene Studios entstehen ließ, die zusammen die Produktion, den Vertrieb und die Kinos in einer Hand beherrschten; die Grippe, kombiniert mit dem Ende des Krieges, ließ das Mega-Hollywood entstehen, das heute wieder dupliziert wird.“
Die ganze Geschichte erzählt der Historiker William Mann im Interview mit „Deadline Hollywood“ (auf Englisch).

Der Fürstenhof öffnet wieder seine Tore: In München hat Bavaria Fiction nach einem Monat die Dreharbeiten für „Sturm der Liebe“ wieder aufgenommen. In der Zwischenzeit wurden Drehbücher umgeschrieben und weitere Maßnahmen ergriffen.

Schicksal als Chance oder steht der Deutsche Film vor dem Bankrott? Unter der Schirmherrschaft von Edgar Reitz fanden sich vor zwei Jahren über 100 Filmschaffende im Zoopalast in Frankfurt zu einem Kongress zusammen, um gemeinsam über die grundlegenden Probleme der deutschen Filmkultureingehend nachzudenken. Am Ende wurden die „Frankfurter Positionen“ verlesen, die eine grundlegende Reform im deutschen Filmsystem fordern. Dabei war auch Martin Hagemann, Produzent, Professor an der Filmuniversität Babelsberg, Vorstandsmitglied der Deutschen Filmakademie. In der zweiten Podcast-Folge des Kongresses spricht er mit Jenni Zylka über das Ergebnispapier und die Auswirkungen der aktuellen Krise auf die Filmbranche.

Wie schlagen Sie sich während der Corona-Krise? „Blickpunkt:Film“ hört sich um und befragt Mitglieder der Kino- und Filmbranche, mit welchen Schwierigkeiten sie konfrontiert werden. Hier berichtet die Editorin Anne Fabini.

Österreichs Kinos so bald wie möglich wieder Filme zeigen können – unter „realistischen Bedingungen, die nicht nur die Sicherheit der Gäste und des Personals gewährleisten, sondern auch wirtschaftlich umsetzbar sind“, fordert Cineplexx, der größte Kinobetreiber des Landes und Enkelgesellschaft der deutschen Constantin-Film.

Die Schweizerische Regierung will globale Streamingdienste und private Fernsehanbieter verpflichten, das hiesige Filmschaffen zu fördern. Die Filmverbände fordern eine Schweiz-Quote. Aber was bringt Heimatschutz der Corona-geplagten Kulturbranche? fragt „Die Zeit“.

Ein Buchtipp vom Autor selbst: Der Schauspieler Tyrell van Boog stellt in seinem vierten Roman die soziale Frage im digitalen Zeitalter neu. In „Dach-Verband: Ein echter Sozial-Thriller“ schickt er seinen Helden nach Jahren in ein Berlin zurück, das nicht mehr „seins“ ist: „Berlin ist nun auch die Hauptstadt von Hartz IV, Wohnungsnot und Obdachlosigkeit. Mittendrin der Journalist, der nicht einmal ein Smartphone besitzt. Schnell muss er feststellen, dass die Stadt wieder zweigeteilt ist, in ,oben’ und ,unten’. Unten: er selbst, der sich mit fragwürdigen Mietverhältnissen und ,Maßnahmen’ des Jobcenters über Wasser halten muss.“

Der Fach- und Nachwuchsmangel in der Filmbranche wurde beim 6. Netzwerkforum der ZAV-Künstlervermittlung diskutiert. Ein Video-Zusammenschnitt der Veranstaltung am 24. Februar 2020 im Rahmen der Berlinale.

Vor „beispielloser Überwachung“ warnen knapp 300 Wissenschaftler in einem Offenen Brief. Jetzt könnte die wichtigste Ressource schwinden, die es für eine App braucht: das Vertrauen der Nutzer. Die „Süddeutsche Zeitung“ macht einen„Glaubenskrieg unter Forschern“ aus.

Siemens-Chef Joe Kaeser lehnt einen Gehaltsverzicht von Unternehmensvorständen in der Corona-Krise ab: „Geringere Vorstandsgehälter vergrößern doch nur den Gewinn des Unternehmens und davon profitiert nur eine Interessengruppe“, sagte er dem Magazin „Focus“. Stattdessen seien Mitarbeiter zu freiwilligen Spenden aufgerufen, die der Konzern verdoppele. Er selbst wolle eine Million Euro in den Fonds einzahlen. Das ist rund ein Zehntel seiner üblichen jährlichen Vergütung .

Digital und ganz real erleichtert uns Amazon die Krise – und profitiert davon. „Le monde diplomatique“ schaute am 9. April genauer „Hinter den Mauern von Amazon“ (Paywall) nach und berichtet, wie in den Logistik-Zentren mehr und enger gearbeitet wird und Corona-Schutzmaßnahmen völlig ignoriert werden. Mitarbeiter*innen werden gedrängt und bestochen, weiterzuarbeiten, das Geschäft boomt – nicht für lebenswichtige Produkte: das Meiste, was Amazon verkauft, sind Konsumartikel.

Die Unsicherheit ist groß, besonders unter den nur auf Produktionsdauer angestellten Filmschaffenden. In den meisten Bundesländern wird ihnen als Hilfe nur die Grundsicherung aka ALG2 aka Hartz IV angeboten. BR24 erklärt das Problem nochmal für alle. 
Bayern will Künstlern im Land finanziell mit monatlich 1.000 Euro helfen. Sie seien eine Gruppe, „die durch jedes Raster“ falle. Das tun die Filmschaffenden wohl auch weiterhin, denn zurzeit soll die Hilfe nur an Mitglieder der Künstlersozialkasse gehen.
Auch Stiftungen in Niedersachsen stellen Künstler*innen Soforthilfen zur Verfügung, berichtet auch der „Tagesspiegel“. 
Allerdings scheint die Solidarität innerhalb der Branche selbst auch nicht allzu groß. Für die Petition, das ALG I für die Dauer der Krise weiterlaufen zu lassen, diese Zeit aber nicht anzurechnen, sind noch immer nicht genügend Unterzeichnungen zusammengekommen. 6.776 Menschen hatten die Petition bis zum heutigen Redaktionsschluss unterstützt. 10.000 sollen es werden. 

Nach Kritik am „Förderflickenteppich“ will Kulturstaatsministerin Monika Grüttersweiter an der Unterstützung für die Kulturszene feilen, berichtete die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ am Sonntag.

Zu den Diskussionen in der Krise erreichten uns unter anderem diese vier Leser*innenbriefe: 
„Was mir in der ganzen Diskussion fehlt, sind konkrete Vorschläge unsererseits, wie man denn zum Beispiel Filmaufnahmen wieder aufnehmen könnte. Wir können nicht erwarten, dass die Politik sich mit dem Filmemachen oder unseren Berufsgruppen gut auskennt, als dass sie beurteilen könnte, wann was geht und wann nicht. Hier mal ein Vorschlag: Wir bräuchten mehr Drehtage bei geringerer Tagesgage, ein kleineres Tagespensum, kleineres Team am Set, Maskenpflicht, wöchentliche Tests des Teams und Darsteller am Set, viele Außendrehs und die Schauspieler exklusiv, damit sie vor Ort bleiben können, möglichst wenig hin- und hergefahren werden muss, und ein Filmteam unter sich bleiben kann. Das ist jetzt alles nur mal so in die hohle Hand gedacht und man müsste das natürlich alles noch weiter ausfeilen, abwägen, besprechen und durchspielen.
Wenn man es auf der anderen Seite mal realistisch betrachtet, kann man sich überhaupt nicht vorstellen, dass das umgesetzt werden wird oder kann. Wird es also noch sehr lange keine Filmdrehs geben? Erst, wenn es einen Impfstoff gibt? Wird es dann noch viele Filmproduktionen geben? Sicherlich kann das Geschäft dann auch nur langsam wieder hochgefahren werden und dadurch wird es nicht für alle Arbeit geben. Was bedeutet das für uns? Wenn wir eher die jungen Leute beschäftigen wollen, damit die uns, wegen des Nachwuchsproblems, nicht gänzlich abspringen, dann könnte man der Altersgruppe ab 55 vielleicht von Gesetzes wegen, eine Frührente ermöglichen. Das würde die eine Kasse, die gerade sehr belastet ist, entlasten und die Rentenkasse dafür etwas mehr.“

„Ich stoße ich bei der Merkel-Kritik in unterschiedlichsten Presseorganen immer wieder auf den Vergleich mit einer ,Mutti’. Das ist sexistisch und diffamierend. Frau Merkel wird auf ihr Geschlecht hin kritisiert.
Zudem: Nicht jede Frau ist eine Mutter. Frau Merkel hat keine Kinder – und wird möglicherweise gerade deswegen immer wieder mit diesem Vergleich belegt. Das Private ist politisch.
Und zu guter Letzt: ,Muttis’ sind Mütter, die die unbezahlte Arbeit der Fürsorge erledigen – ohne die keiner von uns am Leben wäre. Dazu gehört auch immer wieder, die eigenen Ansichten den Kindern gegenüber zu vertreten – auch wenn dies keinen Spaß macht. Übrigens wird momentan das ,Home Schooling’ zum Großteil von den ,Muttis’ geleistet. Das bezahlt ihnen keiner.“

Der Schauspieler und Autor Bernd Michael Straub schreibt:
„Es heißt: wer nicht handelt, wird gehandelt. Dies fängt schon beim Denken an. Geistiger Aufstand und Widerstand und dann die Umsetzung ins Handeln. Aber dies umsichtig in der Wahl der Mittel und der Mitstreitenden (keine ,Revoluzzer’), klug (mit überzeugenden und belegbaren Argumenten), friedlich (keine Gewalt, also nicht selbst zu ,Ungeheuern’ werden – Nietzsche), und alles in Nächstenliebe (gebt anderen, aber auch euch selbst die Chance, zu verstehen). 
Zu Bayern: diese Grundsicherung kann eine taktische, populistische Beruhigungspille sein. Nehmt sie nur in dem Verständnis an, dass es die Pflicht eines demokratischen und kultivierten Staates ist, die künstlerische Kreativität und ihr Schaffen zu schützen und zu unterstützen, denn sie ist ein Stück Lebensqualität. Nicht aber das Mästen dieser billigen, populistischen Unterhaltungsindustrie, sie zieht das Volksniveau ins Dekadente. Seid getrost, es wendet sich zum Guten, wenn Ihr daran glaubt.“

Zum gestrigen Leser*innenbrief über die Hartz-IV-Beantragung (Link) schreibt Daniel Philippen, Künstlervermittler bei der ZAV: 
„Ja, Anträge ausfüllen ist kompliziert, wenn man es zum ersten Mal macht, aber: es geht! Ich habe es selbst ausprobiert und zwar mit der kompliziertesten Modellsituation, die ich mir vorstellen konnte (Patchworkfamilie plus pflegebedürftigem Opa), schon deshalb, weil jeder in der Bundesagentur (auch aus abgelegenen Abteilungen wie zum Beispiel der Künstlervermittlung) für die Bearbeitung von ALG2- und Kug-Anträgen jederzeit herangezogen werden kann, um die Flut zu bewältigen (das machen auch schon einige Kolleg*innen). „Nackt machen“ muss man sich auch nicht. Ja, bedingungsloses Grundeinkommen wäre besser – sicher wird darüber nach der Krise konkreter nachgedacht werden. Aber jetzt, in der Krise, ist ALG2 nunmal ein Mittel, das man nutzen sollte …“

Viele Festivals werden wegen Corona abgewickelt, verschoben oder als Online-Ausgabe geplant. Das wirft zahlreiche rechtliche Fragen auf, die viele kleinere Festivals überfordern, meint die AG Filmfestival. Der Interessenverband hat einen Normenkatalog erstellt, der in 18 Punkten einen fairen Umgang mit Filmen und ihren Macher*innen und unter den Festivals selbst regeln soll. Dabei geht es auch um faire Bezahlung oder schonenden Umgang mit Ressourcen.

Ausgewählte Werke aus seinem Programm stellt Go East, das Festival des mittel- und osteuropäischen Films, vom 5. bis 11. Mai auf seiner Website „on Demand“ bereit: Die Langfilme sind für jeweils 6,50 Euro für 24 Stunden während des Festivalzeitraums zu sehen. Die Masterclass mit Václav Marhoul, das Werkstattgespräch mit Radu Jude und weitere Gesprächspanels werden kostenfrei angeboten. Auch die geplante Ausstellung „Memes aus Slawistan“ nun online konzipiert. Das Beste kommt zum Schluss: In Absprache mit seinen Preisstiftern wird Go East die Prämien der vier Hauptpreise, insgesamt 24.000 Euro, solidarisch unter allen Wettbewerbsfilmen aufteilen – egal, ob kurz oder lang.

Das Filmhaus Frankfurt hat seinen Seminarplan der Krise angepasst: Die „Schreibwerkstatt“ im Mai wird auf den Oktober verschoben, die Informationsveranstaltung „Irgendwas mit VR?“, die das Ausprobieren von virtueller Videotechnik anbietet, entfällt.
Die Informationsveranstaltung „Filmförderung und Filmfinanzierung“ am 9. Mai wird online erfolgen. Anmeldeschluss für die Videokonferenz ist Donnerstag, 7. Mai.

Anlässlich ihres 20-jährigen Bestehens stellt die Internationale Filmschule (IFS) Köln jeden Dienstag einen „IFS-Film der Woche“ online vor. Der dritte Film der Reihe ist der Abschlussfilm „Goldjunge“ (2005) aus dem ersten Jahrgang des BA Film – von Stephan Schiffers (Drehbuch und Regie), Karin Kaçi (Drehbuch) und Janna Velber (Produktion).

Kreativ in der Krise. Fast 95.000 Euro sind schon in der Unterstützungskampagne für 36 Berliner Kinos auf Startnext zusammengekommen. Am Samstag hatte das Fassadenkino „Windowflicks“Premiere. In einem Hinterhof im Prenzlauer Berg konnten Bewohner von Ihren Fenstern und Balkonen aus Wim Wenders’ „Der Himmel über Berlin“. Der Regisseur selbst steuerte ein Grußwort per Video bei, um auf die Situation der Kinos aufmerksam zu machen. In den kommenden Wochen sind donnerstags und samstags kostenlose Vorführungen zur Unterstützung der Arthouse-Szene geplant. Haus- und Hofgemeinschaften, die die notwendigen Voraussetzungen erfüllen (mindestens 20 Mietparteien mit Blick auf eine ausreichend große Hauswand), können sich mit einem entsprechenden Filmwunsch unter hello@windowflicks.de bewerben. 

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