Kurz vor Redaktionsschluss erreicht uns eine gute Nachricht: Für freiwillig Versicherte Selbstständige werden die Regeln beim Arbeitslosengeld gelockert. Über Hilfsprogramme für Kleinunternehmer und Selbständige sprach der Deutschlandfunk heute mit Experten. Über eine Stunde geben sie Tipps und Erklärungen. Und weil Donnerstag ist, stellen wir vor unserem Blog die aktuellen virtuellen Kinostarts vor, die auch den Filmtheatern zugute kommen.
Was treiben Filmschaffende in der Quarantäne? Der litauische Regisseur Robertas Nevecka unternimmt einen animierten Streifzug durch die Gewerke.
Eine gute Nachricht für Selbständige, die freiwillig in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung versichert sind: Für sie wurden die Regeln zum Arbeitslosengeldbezug und zu Beitragszahlungen gelockert, wenn sie durch die Corona-Krise unverschuldet arbeitslos geworden sind. Das teilte die Agentur für Arbeit München heute mit. Wer bereits innerhalb der letzten 12 Monate Arbeitslosengeld bezogen und erneut beantragt hat, kann sich danach erneut freiwillig versichern. Diese Ausnahme gilt bis zum 30. September 2020 (bisher wurden Selbstständige bei einem zweiten Arbeitslosengeldbezug binnen eines Jahres aus der freiwilligen Arbeitslosenversicherung ausgeschlossen, wenn sie die gleiche selbstständige Tätigkeit wieder aufnehmen).
Wer in den letzten 30 Monaten vor der jetzigen Arbeitslosigkeit mindestens 12 Monate Beitrage gezahlt hat, kann Arbeitslosengeld bei der Agentur für Arbeit beantragen. Dabei ist unerheblich, ob die Beitragszeiten durch freiwillige Versicherung oder Pflichtversicherung (etwa als sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter) gezahlt wurden.
Auch Selbstständige, die bereits vor längerer Zeit einmal über die freiwillige Versicherung Arbeitslosengeld bezogen haben, können einen erneuten Anspruch auf Arbeitslosengeld erwerben. Voraussetzung ist, dass seitdem mindestens 12 Monate Beiträge in die freiwillige Arbeitslosenversicherung eingezahlt wurden. Nach der Arbeitslosigkeit können Sie sich wieder freiwillig versichern.
Vertrag gekündigt, Aufträge weg? Hilfe für Kleinunternehmer und Selbständige war heute Thema im „Marktplatz“ des Deutschlandfunks. Experten sprechen 70 Minuten lang über Anträge und Grundsicherung, die Unterschiede zwischen den Bundesländern und worauf man achten sollte – auch zum Nachhören.
Ein Buch kaufen, auf einer Parkbank sitzen, sich mit Freunden treffen – das ist jetzt verboten, wird kontrolliert und denunziert. Die demokratischen Sicherungen scheinen durchgebrannt. Wo und wie soll das enden? Der Historiker René Schlott sorgt sich im „Spiegel“ um die Bürgerrechte.
In der Produktionsszene passieren gerade einige widersprüchliche Dinge gleichzeitig, stellt die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ fest: Wie die Sender den TV-Produzent*innen helfen – oder auch nicht.
Den Kinos in der Krise widmet der Deutschlandfunk seinen Podcast „Eine Stunde Film“.
Über die „Filmauswertung in Krisenzeiten“ spricht der Podcast Indiefilmtalk in seiner Sonderreihe mit zwei Verleihern: Tobias Lindemann von Grandfilm und Stefan Kloos von Rise and Shine schildern ihren Umgang mit der aktuellen Situation und welche Möglichkeit das Streamen von Verleihern, Kinos und dem Film selbst bieten kann.
Wie es trotz Viren-Krise in der europäischen Filmförderung weitergeht und was Förderempfänger von Media beachten sollten, hat Creative Europe zusammengefasst.
Mehr Hilfe für Bayerns Kinos: Das Digitalministerium stellt 1,2 Millionen Euro für Sofortprämien bereit, zudem werden die Kinoprogrammprämien des FFF Bayern verdoppelt und bereits im Sommer vergeben.
Die Soforthilfe lief schnell in Berlin. Mehr als 900 Millionen Euro seien bislang an mehr als 100.000 Kleinstunternehmen, Freiberufler und Selbstständige ausgezahlt, teilt die Investitionsbank Berlin (IBB) mit – und kündigt eine Pause an: Anträge, die bis Mittwoch um 12 Uhr eingingen, sollen noch bearbeitet und ausgezahlt werden. Damit wären in Berlin insgesamt 1,4 Milliarden Euro ausgezahlt worden. Alle weiteren Anträge in der Warteschlange behalten ihre Position und können ab Montag, 6. April, 10 Uhr im einheitlichen Bundesprogramm weiter beantragen. Dieses hat knapp 2 Milliarden Euro zur Verfügung.
Wie klappt’s mit den Soforthilfen? Hoch im Norden nicht ganz so perfekt, wird uns berichtet:
Leider läuft es in Schleswig-Holstein längst nicht so reibungslos wie in anderen Bundesländern. Der zwar schlank gehaltene Antrag auf Soforthilfe sah zunächst lediglich Hilfen für Liquiditätsengpässe hinsichtlich betrieblicher Kosten wie Mieten, Kredite und so weiter vor. Dass Soloselbständige auch von etwas leben müssen, spiegelte sich im Formular zunächst nicht wider. Eine Soforthilfe für Künstler ist nicht vorgesehen.
Samstag, 28. März. Nach Auskunft der Steuerberaterkanzlei hieß es noch, man könne laut Angaben der Investitionsbank Schleswig-Holstein (IBSH) eigene Entnahmen in den Liquiditätsengpass einrechnen. Das haben viele entsprechend der Empfehlung so eingereicht.
Montag, 30. März folgt der Widerruf der IBSH: Eigenentnahmen dürften nicht in die Antragssumme eingerechnet werden. Aufgrund des durchaus ernst zu nehmenden Hinweises auf Subventionsbetrug fragen sich nun viele, wie ist die rechtliche Lage? Muss der Antrag korrigiert oder zurückgezogen werden? Leider gibt es dazu keine Auskunft. Nicht einmal der Eingang des Antrags wurde bislang bestätigt. Dazu heißt es lapidar: „Wir bitten Sie davon abzusehen, telefonisch nachzufragen, ob Ihr Antrag bei uns eingegangen ist. Die entsprechenden E-Mail-Postfächer funktionieren alle einwandfrei, nur werden derzeit leider keine Eingangsbestätigungen versendet. Sofern Sie keine Fehlermeldung über Ihr E-Mail-System erhalten haben, können Sie also davon ausgehen, dass der Antrag bei uns eingegangen ist.“ Außerdem ist die Antragstellung bis heute ausgesetzt:
„Das Land konnte in Verhandlungen mit dem Bund noch weitere Zugeständnisse beim Programm erreichen. Bis zum 02.04.2020 wird das Antragsformular entsprechend überarbeitet und eine Liste mit häufig gestellten Fragen veröffentlicht. Außerdem wird eine Online-Antragserfassung mit Upload des Antragsformulars zur Verfügung gestellt. Bereits gestellte Anträge bleiben selbstverständlich bestehen und werden bearbeitet.“ Wir sind gespannt, ob beziehungsweise wie und wann man sich sortiert und geben die Note: Unbefriedigend!
RTL und die Ufa Serial Drama lassen sich von der Krise nicht schrecken: Am Montag meldete der Sender: „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ und „Unter uns“ machen weiter, die Dreharbeiten wurden am Montag wieder fortgesetzt. Die Drehunterbrechung in der vergangenen Woche wurde genutzt, um die Drehbücher und Sets den Sicherheitsmaßnahmen zur Risikominimierung weiter anzupassen, habe die Ufa dem Sender mitgeteilt. Was heißen soll: „Der Drehbetrieb werde unter genauesten und strengen Hygienemaßnahmen, die so mit unseren Arbeitsschutzfachleuten im Einzelnen abgesprochen sind, durchgeführt“, „der Mindestabstand aller Personen“ werde „durchgängig gewährt, die Verweildauer des Teams im Studio so gering wie möglich gehalten, Haare und Make-up von den Schauspieler*innen selbst übernommen“. Außerdem sei es allen Mitarbeitern, „die zu Risikogruppen gehören“, freigestellt, „die Arbeit am Set derzeit fortzusetzen“.
> Der Drehbetrieb bei „Alles was zählt“ pausiert hingegen noch. Grund: „Ein positiver Corona-Befund eines Komparsen, der einen Dreheinsatz in der letzten Woche hatte, so dass zum Schutz aller die Quarantänezeit berücksichtigt wird.“
Was die Corona-Krise für die unzähligen Daily Soaps und wöchentlichen Serien-Formate im Fernsehen bedeutet, beschreibt der „Weser-Kurier“.
Im Podcast „Close Up“ der Deutschen Filmakademie sprechen die Schauspielerin Susanne Bormann und der Regisseur Christian Schwochow mit ihren Kolleg*innen über Beruf und Alltag, Film und Kino, Karriere und Herausforderungen. Zur Corona-Krise startete nun eine Sonderstaffel. In der ersten Folge ist der Kinobetreiber Hans-Joachim Flebbe (Astor Film Lounge), in der zweiten die Regisseurin Connie Walther (Wie Feuer und Flamme) ihr Gegenüber.
Ein eigenes Streamingprogramm bieten die Filmkunstkinos Düsseldorf. Über 70 Arthaus-Filme können online angesehen werden, die Einnahmen teilen sich Kino und Verleih.
Zum 20. Mal findet im Juni das Japanische Filmfestival Nippon Connection statt – erstmals nicht in Frankfurt am Main, sondern im Netz. Neben dem Filmprogramm sollen Livestreams und Diskussionsrunden vom 9. bis 14. Juni ein wenig Festivalatmosphäre schaffen.
Wir hatten die Berufsverbände um Ihre Meinung zur Kurzarbeit gebeten und gefragt:
1. Wie schätzen Sie den Kurzarbeit-Tarifvertrag ein?
2. Was raten Sie Ihren Mitgliedern, denen Kurzarbeit angeboten wird?
Das schreibt der Verband der Requisiteure und Set Decorator (VdRSD): „Der VdRSD begrüsst den Kurzarbeit-Tarifvertrag. Gerade in der derzeitigen schwierigen Situation bringt er das Instrument des Kurzarbeiter*innengeldes ins Spiel, das bis vor kurzem niemand mit der Filmbranche in Verbindung gebracht hätte, und ebnet damit den Weg der Anwendung. Die Aufstockung der gesetzlichen 60 (oder 67) Prozent vom realen Nettolohn auf die tarifliche Mindestnettogage beziehungsweise auf die Individualgage bei Berufen, die nicht in der Gagentabelle gelistet sind, ist eine akzeptable Lösung, um für den Verdienstausfall durch die jetzigen Verschiebungen und Drehabbrüche eine Kompensation zu erhalten.
Für lange Projekte, die nun bereits am Anfang gestoppt wurden, empfiehlt der VdRSD seinen Mitgliedern als Grundlinie Kurzarbeiter*innengeld nach dem Kurzarbeit-Tarifvertrag, um abgesichert zu sein in der momentane Krisensituation. Kurzarbeiter*innengeld zählt erfreulicherweise für die Anwartschaftzeit für Arbeitslosengeld 1, das dann nach der verhandelten Gage berechnet wird.“
Zu unserer Meldungen über die Freien Mitarbeiter*innen beim öffentlich-Rechtlichen Fernsehen erhielten wir eine Ergänzung eines*r Branchenbeobachter*in, die auch unsere gestrigen Berichte über die Situation an den Theatern erweitert:
„Nicht nur die Journalisten werden ,hängen gelassen‘ auch die freien Mitarbeiter von (einigen) Stadt- und Staatstheatern: Regie, Bühnenbild, Kostümbild, Bühnenmusik … da keine Premieren jetzt natürlich keine Premieren stattfinden können, werden auch keine Honorare ausgezahlt, die am Premierentag eigentlich fällig gewesen wären – ohne Ansage und Informationen, wie man mit den Honorar-Ansprüchen weiter zu verfahren gedenkt. Ich bin mir nicht mal sicher, ob den Theater überhaupt bewusst ist, das ihnen gegenüber Honoraransprüche auch dann bestehen, wenn sie die Leistung des Künstlers nicht in Anspruch nehmen. Es scheint in den Theatern auch Unwissenheit darüber, ob es sich um Werk- oder Dienstverträge handelt. Bund und Länder schütten vorbildlich Hilfen aus, während die bereits durchfinanzierten Bühnen (denen mit Eintrittsgeld lediglich maximal etwa 20 Prozent des Etats entgeht) herumlavieren. Staatliche Unterstützung kompensiert hier die Unfähigkeit staatlich subventionierter Institutionen.“
Kreativ in der Krise: Normalerweise macht die Evolin Produktion in Augsburg regionale Kinowerbung in Bayern. Doch da läuft gerade nichts. Darum hat die Firma die Aktion „In der Pause braucht’s ’ne Stärkung“ gestartet.
Kinofans können da ab sofort Verzehrgutscheine für ihr Lieblingskino kaufen – und zwar zum halben Preis. Den Rest gibt Evelin hinzu, der Erlös geht komplett an das ausgewählte Kino.
Abgesagte Auftritte, leere Einrichtungen, fehlende Gagen: Berlin ist besonders betroffen, kann aber bestens improvisieren. Wenn alle daheim bleiben müssen, kommt die Kultur eben dorthin – per Livestream. DJ-Battles und Diskussionen, Opern und Performances, Konzerte und Vernissagen laufen auf der Plattform „Berlin (a)live“. Die „digitale Bühne für Kunst und Kultur“ ist ein Projekt von Kultursenat und der Agentur 3pc.
Kino in Zeiten von Corona 2
von Elisabeth Nagy
Voraussichtlich bleiben die Kinos länger geschlossen. Das Erlebnis, gemeinsam mit Fremden etwas zu erleben, wird weiterhin nicht möglich sein. Ideen, wie man Filme trotzdem zum Publikum bringt, gibt es immer mehr; viele unterschiedliche Konzepte tauchen auf. Ich fürchte, das verzettelt sich. Im Zweifel wird man nicht erstmal auf die Suche gehen, wie man an einen Film rankommt, sondern doch bei den großen Anbietern Netflix, Amazon Prime und seit kurzem Disney+ bleiben. Es fehlt sicherlich eine gemeinsame Plattform, von der aus das Publikum auswählen könnte. Bis dahin stelle ich die verschiedenen Ansätze vor.
Die Idee eine Plattform zu schaffen, von der aus man die verschiedenen Aktionen aus dem Kulturbereich (Kino ebenso wie Konzerte und Museumsauftritte) sehen kann, hatte ein Team auf dem Hackathon #WirVsVirus der Bundesregierung vom 20. bis 22. März 2020. Bei Culturestreams kann man nun die unzähligen Kultur-Streams gebündelt oder gefiltert auffinden. Die Seite ist noch in der Beta-Version. Von dieser Seite aus kommt man zum Beispiel auf Kinoflimmern:
Wenn man in der letzten regulären Ausgabe 470 von cinearte den unterhaltsamen Produktionsbericht von Ulla Geiger zu ihrem Spielfilmdebüt„Wir drehen keinen Film“ gelesen hat, kam einem sicherlich der Gedanke: Wie viel Pech kann man haben? Ulla Geiger musste so einige Hürden überwinden. Das ist an sich nicht ungewöhnlich, aber da die Regisseurin doch schon zu einem älteren Semester gehört, ist ihr Bericht, zumal sie ihren Humor nie verliert, lesenswert. Der lang anvisierte Start am 19. März fiel nun aus. Der kleine Verleih Der Filmverleih hat sich nun auch Gedanken gemacht, wie sein Programm zu den Zuschauern kommen kann. Dafür wählte es den Anbieter Kinoflimmern von Tobias Leveringhaus, Filmproduzent und Programmplaner des Kölner Kinos Turistarama.
Und darum geht’s: Ein vom selbst verschuldeten Beziehungspech gebeutelter Schauspieler heuert eine Kamerafrau an, um sich und seinen Alltag aufzunehmen. Mit der Hilfe der Aufnahmen will er überprüfen, wie er so rüberkommt und folglich, was er ändern sollte und könnte. Immer wieder muss er die Kamerafrau, die mit guten Ideen dabei ist, darauf hinweisen, dass sie keinen Film drehen. Aber natürlich wurde aus dem Film eine Mockumentary, eine Komödie, die das Zeug zum Publikumsliebling hätte.
Hätte. „Wir drehen keinen Film“ ist zeitlos. Aber Zeit ist nicht endlos, und darum bringt der Filmverleih die Komödie vor dem regulären, irgendwann in der Zukunft liegenden, neuen Kinostart auf die Plattform Kinoflimmern. Dort ist der Film allerdings nicht im Abo enthalten. Es handelt sich vielmehr um eine Kooperation – die Programmkinos werden einbezogen: Das heißt, man wählt „sein“ Kino (sofern es den Film gespielt hätte), das Kino wird so beteiligt, so als würde es den Film bei sich im Haus spielen.
Der Filmverleih. Leihgebühr für 48 Stunden: 8 Euro.
Am 2. April 2020 wäre das ambitionierte deutsche Drama „Kopfplatzen“gestartet. Verleih Salzgeber. Nun hat sich der Verleih auch etwas ausgedacht. Während man ältere Backkatalog-Titel weiterhin über den eigenen Vimeo-Channel anbietet, setzt man jetzt mit den exklusiven Premierentiteln auf den neu gegründeten Salzgeber Club. Jede Woche Donnerstag wird ein neuer Film präsentiert. Den Anfang macht „Kopfplatzen“. Savaş Ceviz besetzt Max Riemelt in der Rolle eines Pädophilen, der Hilfe sucht, um den Trieb, den er selbst ablehnt, kontrollieren zu können. Was so nicht klappt und nicht nur im Selbsthass mündet. Max Riemelts Spiel ist hervorragend. Ceviz ist mit der Besetzung ein Wagnis eingegangen, das aber funktioniert. Denn das Publikum, dass den Schauspieler mag, begegnet der Rolle mit Abwägung, füchtet mit ihr und muss einiges an Kopfarbeit leisten, um den Spagat, den diese kaum und immer weniger beherrscht, mitzufühlen. Es handelt sich wahrlich nicht um einfache Kinokost.
Salzgeber. Leihgebühr für 24 Stunden: 4,99 Euro.
Und dann ist da noch das Känguru. Humor sollte man nicht unterschätzen. Vorfreude ist auch nicht zu verachten. Dani Levys Verfilmung von Marc-Uwe Klings Kreuzberger „Känguru-Chroniken“ ist am 5. März 2020 gestartet und konnte somit auch nicht sein volles Potenzial ausschöpfen, Platz 1 hin oder her. Die Fans, die es nicht mehr ins Kino geschafft und auch kein Autokino vor Ort haben, können ab heute die bekannten digitalen Anbieter aufsuchen. Der Leihpreis wurde für diesen Sondereinsatz angehoben, das Ticket kostet 17 Euro, um mit dem Geld die Kinos zu unterstützen. X-Verleih hat sich hierfür mit den Kinovertretern abgesprochen und sobald die Kinos wieder offen sind, kommt das Känguru zurück. Dann sogar in einer „aufgemotzten“ Version, sagt das Känguru.
X-Verleih. Leihgebühr: 17 Euro.
Wollen wir den Coronafunk?
Die Pandemie der Medien: Apokalyptiker & Integrierte – Gedanken in der Pandemie 09. Von Rüdiger Suchsland
„See a clinic full of cynics
Who want to twist the peoples‘ wrist
They’re watching every move we make
We’re all included on the list
The lunatics have taken over the asylum
The lunatics have taken over the asylum“
Funboy Three „The Lunatics“
„Der öffentliche Rundfunk darf sich über höhere Reichweiten freuen, doch sollte man sich nicht feiern oder gar sich selbst für systemrelevant erklären, gar preisen lassen. Denn welchem ,System’ dient man?“
Otfried Jarren, Medienforscher
Vor dem Virus habe ich überhaupt keine Angst. Wovor ich Angst habe, ist vor der Angst der Leute. Davor, wie eine Gesellschaft sich verrückt macht.
Dass öffentlich-rechtliche Sender in den Panik-Modus umschalten und selbst einen Programm-Ausnahmezustand aus permanenten Sondersendungen etablieren, anstatt wenigstens in ihrem Programm Normalität, und das heißt dann auch Vielfalt und Diversität weiterzuführen, ist traurig. Es ist auch erschütternd, weil es den Ausnahmefall in einen Normalfall überführt, und auf Dauer stellt.
Die Aufgabe ist aber nicht, die fünfte Variante der Merkel-Rede zu publizieren, sondern die Aufgabe ist die, nachzufragen, wo Nachfragen nötig sind. Und da zu kritisieren, wo es vielleicht Gründe gibt, zu kritisieren. Die Aufgabe ist die, das Haar in der Suppe zu finden, und nicht die, der Bevölkerung zu erklären, warum die längst missglückte Suppe es doch vielleicht wert ist, getrunken zu werden.
Unsere Aufgabe als Journalisten, erst recht Kulturjournalisten besteht darin, Orientierung zu liefern, einzuordnen, zu bewerten, die Hysterie, den Dampf, die Anspannung herauszunehmen. Gelassenheit, skeptische Vernunft muss unsere Haltung sein.
Medienexperten üben scharfe Kritik an ARD und ZDF und sehen die Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Sender während der Corona-Krise zunehmend kritisch.
Es wurde auch Zeit! In einem Beitrag für „EPD Medien“ übt der renommierte der Medienwissenschaftler Otfried Jarren Kritik an der Berichterstattung der Öffentlich-Rechtlichen: „Im Krisenmodus“ heißt sein überaus lesenswerter Artikel über das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Zeiten von Corona.
Es ist ein ausgezeichneter Text, einer der allerbesten, die seit Beginn der Corona-Zeiten über das Virus, seine Bekämpfung und die Wirkung von beidem auf die Gesellschaft geschrieben wurden.
Lest ihn alle!
Jarren warnt vor „Systemjournalismus“ und einer besonderen Form der „Hofberichterstattung“. Er will Aufklärung, Kritik, ein besseres Fernsehen. „Das Fernsehen macht (…) die Krisenmanager, jeden Abend aufs Neue. Der Fernsehjournalismus dringt sichtlich darauf, fordert Führung wie Klarheit ein, bewertet die Performance.“
Alles werde sofort und sogleich zur Chefsache erklärt oder gemacht. Damit unterstützt der Rundfunk die Regierenden zu Lasten der Opposition. Die Regierenden sehen in der Krise ihre Chance. „Deshalb wird auf die Karte Krise gesetzt, Entschlossenheit im Kampf gegen den Feind inszeniert, um Wahlen zu gewinnen. Die Pandemie wird sogar zum Krieg stilisiert oder als Kampf bezeichnet, es wird Rettung versprochen, so mit der großen Geldkanone. Vor allem sollen andere Regeln gelten. Es geht um Deutungsmacht, Führungsanspruch, um die zukünftigen Machtpositionen.“
Der Kreis der Experten sei zu klein, die immergleichen Politiker wanderten von einer Talkrunde zur nächsten. Das stimmt: Wie oft haben wir in den letzten Tage schon Karl Lauterbach auftreten sehen, den Kanzleramtsminister Helge Braun, den wir vorher überhaupt nicht kannten, und dann natürlich Scholz und Altmeier, die das Zeug haben zu Plisch und Plum unserer Tage zu werden.
Wem geht es wie mir? Ich möchte andere Gesichter sehen, wenn sie schon dieselben Sachen sagen, und die Talkmasterinnen plus Master Markus Lanz immer die ähnliche Fragen stellen. Ist schon ok, gerade Lanz, den immer noch zu viele für ein Leichtgewicht halten, ist der beste, ernsthafteste Nachfrager des deutschen Fernsehens. Allenfalls Maybrit Illner kommt da gelegentlich ran. Die ARD? Vergesst sie!
Nur Statements, aber keine Debatte zwischen Expertinnen und Experten. Kein Streit. In der Krise werden die Reihen fest geschlossen.
Aber wo bleibt die demokratische Opposition? Wo ist sie zu sehen im Fernsehen, zu hören im Rundfunk? Haben die Grünen, die FDP, die Linke keine Gesundheitsexperten, haben sie nichts zu Ausgangssperren, Freiheitseinschränkungen und Verboten, zu Krankenhausbetten und durchgepeitschten Sondergesetzen zu sagen? Oder würden sie Dinge sagen, die die Sender nicht senden möchten, um die armen Bürger nicht zu verwirren? Mit den besten Absichten natürlich. Ich unterstelle keine Verschwörungen und versteckte Staatsstreichaktionen, allerdings schon einen wohlmeinenden Paternalismus, der es im Zweifelsfall besser weiß als die Bürger und sie deshalb gern ein bisschen manipuliert – zu ihrem Besten natürlich. Ähnlich wie Kindererziehung.
„Ignoranz“, „lernunfähig“, „die Akteure lernunwillig“ – so beschreibt es Jarren. Darum „müssen die Signale, die nötigen Irritationen von Außen kommen. Von Außen, dort sind Medien und der Journalismus verortet. Der Journalismus muss aufbrechen – und nicht neue (Fernseh-)Stars aufbauen.“
Zugleich degeneriert die Form des Fernsehens: „Alles ist deshalb jetzt, nun, sofort, wir unterbrechen. Ständige Sondersendungen – ab jetzt für Monate?“
Zu alldem gehört auch die Ästhetik. Etwa die albernen Cellophanhüllen über den Mikrofonen und die staatstragende Nachrichtensprecher, die verkünden, wir müssen alle dies und das tun.
Es ist Ideologie, wenn die Kulturzeit-Moderatorin sagt: „Wie wird er aussehen, unser neuer Alltag?“ Dabei ist es kein Alltag, es ist Ausnahmezustand, den man auch nicht als Alltag verkaufen muss.
Was sollen Medien tun? In Zeiten der Pandemie dominiere die Exekutive. Diese Dominanz einer einzigen Gewalt des demokratischen Staates sei in Ausnahmezeiten wohl unvermeidlich. „Das erfordert von den Medien und vom Journalismus ein Höchstmaß an Achtsamkeit, Vorsicht, Zurückhaltung – und Distanz.“
In einer unklaren, offenen Situation gehe es mehr denn je um „Weitsicht (…), Analyse, Kritik und Kontrolle. Es geht um Aufklärung, um die Prüfung von behaupteten Sachverhalten, Annahmen, Prämissen wie die eigenständige Abschätzung der Folgen politischer Maßnahmen. Exekutiv- und Expertenvoten bedürfen der intensiven Prüfung und Diskussion.“ „Der öffentliche Rundfunk ist eine unabhängige gesellschaftliche Institution. Unabhängigkeit und Kompetenz sind entscheidende Faktoren, wenn er nach diesen turbulenten Phasen als relevant erachtet werden möchte. Er hat das Potenzial, dies nun zu zeigen.“
„Erst am Ende der Pandemiezeit wird Bilanz gezogen.“ Wie ich neulich schrieb: Abgerechnet wird zum Schluß.
Jarren steht mit seiner Kritik nicht allein da. Auch andere Fachleute üben Kritik. Die Medienjournalistin Vera Linß forderte im Deutschlandfunk, die Themen Überwachung und Datenschutz im Zusammenhang mit den Maßnahmen der Regierung stärker in den Fokus zu nehmen. Viele Journalisten, so Linß, transportieren die Krisenstrategie der Bundesregierung weitgehend kritiklos. Diese „Art Service-Journalismus“ sei auch in Krisenzeiten nicht die Aufgabe der Medien.
In einem Beitrag für das Portal Übermedien, auf den wir gesondert zu sprechen kommen, beschreibt Andrej Reisin, den öffentlichen Rundfunk der Corona-Gegenwart als verlängerten Arm der Regierung. Man inszeniere Kampagnen à la „Wir vs. Virus“. Reisin kritisiert vor allem das Ausbleiben einer kritischen Berichterstattung und einer Debatte über die Maßnahmen der Regierung.
Zu einen regelrechten Coronafunk ist der Deutschlandfunk mutiert. Kein anderer Sender hat sein Programmschema gleich komplett umgestellt, und den Ausnahmezustand ins Programm übertragen. Dabei wird auch die bisherige Autonomie der Redaktionen zumindest teilweise aus den Angeln gehoben – plötzlich agieren sie oft nur als Zulieferer für lange Programmstrecken, die beliebig „Der Vormittag“, „Der Mittag“, „Der Nachmittag“ heißen, und zu gefühlt 90 Prozent nur von Corona handeln. Hier sind Medien Akteure, die Welten schaffen, nicht vorhandene Welten widerspiegeln.
Das totale Corona – das ist ein Produkt der Medien.
Ganz Deutschland hat Drehstopp? Ganz Deutschland? Nein! Ein kleiner unbeugsamer Haufen Produzenten leistet dem Ausnahmezustand tapfer Widerstand. Denn noch wichtiger als Mundschutz ist auch im Corona-Deutschland die seichte Unterhaltung. Darum trotzt die Ufa Corona, und dreht, ob man es glaubt oder nicht, „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ in Berlin und „Unter uns“ in Köln – Montag wurde der Drehbetrieb wieder aufgenommen.
Die Drehunterbrechung sei dazu genutzt worden, „um die Drehbücher und Sets den Sicherheitsmaßnahmen zur Risikominimierung weiter anzupassen“. „Diese Optimierungen“ seien „durch die besonderen Dreharbeiten der täglichen Serien im Studio“ möglich. „Der Drehbetrieb wird unter genauesten und strengen Hygienemaßnahmen, die so mit unseren Arbeitsschutzfachleuten im Einzelnen abgesprochen sind, durchgeführt“, heißt es weiter in der Pressemitteilung. „Der Mindestabstand aller Personen“ werde „durchgängig gewährt, die Verweildauer des Teams im Studio so gering wie möglich gehalten, Haare und Make-up von den SchauspielerInnen selbst übernommen“. Außerdem sei es allen Mitarbeitern, „die zu Risikogruppen gehören“, freigestellt, „die Arbeit am Set derzeit fortzusetzen“.
Wir können uns das alles lebhaft vorstellen.
Aber da sieht man, was wirklich systemrelevant ist.
Systemrelevant? Nein Natürlich nicht. Es sollen aber ja auch gern alle gerettet werden, die nicht systemrelevant sind. Darum können wir wetten, dass Babelsberg unter den ersten sein wird.
800 Mitarbeiter der Studio-Babelsberg-Tochterfirmen (andere gibt es nicht, jedenfalls nicht mit einer relevanten Zahl von Mitarbeitern) offenbar nicht. Während nebenan „GZSZ“ gedreht wird, wurde ihnen jetzt fristlos gekündigt. Von Hollywood-Firmen, deren Projekte mit zusammen mindestens 46 Millionen Steuergeldern vom DFFF subventioniert wurden.
„Der Zugang zu Büchern und damit zu Wissen und Information darf in einer freiheitlichen Demokratie unter keinen Umständen eingeschränkt werden. Buchhandlungen und Bibliotheken müssen daher umgehend wieder geöffnet werden!“
Das deutsche PEN-Zentrum ist zutiefst darüber besorgt, dass die Anordnungen zur Eindämmung der Ausbreitung von Covid-19 den Buchhandel und das Verlagswesen in Deutschland nachhaltig verändern werden.
PEN-Deutschland fordert darum eine in ganz Deutschland geltende Wieder-Öffnung von Buchhandlungen und Bibliotheken. Zur Zeit sind sie nur in Berlin geöffnet. Gerade in Zeiten von Schulschließungen sei die beratende Funktion des Buchhandels auch für Eltern unverzichtbar, hieß es. Die nötige physische Distanz könnte beim Verkauf über den Tresen der Buchhandlung problemlos eingehalten werden. Das deutsche PEN-Zentrum warnte grundsätzlich vor den schlimmen Folgen der derzeit geltenden Corona-Schutzmaßnahmen für die Buchbranche. Nicht nur viele Buchhändler, auch Verleger seien in ihrer Existenz bedroht. „Schon jetzt haben zahlreiche Verlage ihre Produktion gedrosselt oder in den Herbst verschoben. Dies trifft unweigerlich mit voller Wucht auch alle Autoren in Deutschland – ohne Bücher keine Tantiemen, keine Lesungen.“ Aber: „Wenn der stationäre Buchhandel geschlossen ist, stellt dies auch einen Einschnitt in die Meinungsfreiheit dar.“
Die Pressemitteilung schließt mit dem zutreffenden Hinweis: „Als irritierend darf in diesem Zusammenhang zur Kenntnis genommen werden, dass man Weinhandlungen als systemrelevant erachtet, während es vertretbar scheint, Buchhandlungen und Bibliotheken zu schließen. Der Mensch lebt nicht von Brot und Klopapier allein, er braucht auch geistige Nahrung!“
In der Krise merkt man, wo die Feinde stehen. Und der Feind der Bücher heißt Amazon. Man sollte wirklich bei Amazon wirklich nur noch recherchieren, aber nichts bestellen. Zur Zeit kann man das allerdings auch gar nicht: In der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ vom 29. März hat Julia Encke und der angemessenenm Überschrift „Bestellt im Buchladen“ berichtet, dass Amazon „bis April bei den Verlagen keine Bücher mehr bestellt, sondern sich nur noch auf den Vertrieb von Haushaltswaren, Sanitätsartikeln oder anderen Produkten mit hoher Nachfrage konzentrieren wolle“ – man könnte auch sagen: Klopapier statt Kultur.
Es geht aber auch ohne den weltgrößten Online-Händler. Auf der Internetseite der Lieblingsbuchhandlung vor Ort, oder bei kleineren Verlagen auf der Website – auch wenn die Brief- und Paketzusteller der Post kaum weniger miserabel bezahlt sind.
Hinzu kommt, das bei Amazon oft rechtsextremistische Wutbürger als Superrezensenten auftreten, und dass der Online-Händler im Gegensatz zu jeder seriösen Buchhandlung demokratiefeindlichen Schund und faschistische Propaganda stapelweise auf seinem Ladentisch ausbreitet.
Ich will hier ungern Titel verlinken, aber wer es mir nicht glaubt, kann sich ja mal unter den entsprechenden „Bestsellern“ umsehen, und den Kommentaren zu den Büchern.
Bis morgen und bleibt gesund!
Brancheninfo von crew-united und cinearte, erschienen auf out-takes