Am Montagnachmittag hat auch die Bundesregierung drastischere Maßnahmen gegen die Verbreitung des Coronavirus erlassen. Das öffentliche Leben wird stark eingeschränkt, Dreharbeiten außerhalb von Studios dürften somit in ganz Deutschland nicht mehr möglich sein. Süddeutsche Zeitung und Frankfurter Allgemeine Zeitung berichteten heute dazu.
Eine Übersicht der internationalen und deutschen Risikogebiete hat das Robert-Koch-Institut (RKI) zusammengestellt. Den aktuellen Stand in Deutschland zeigt eine Karte, die auf Basis der Daten des RKI aktualisiert wird, hängt damit allerdings mindestens einen Tag hinterher.
Reisewarnungen und Hinweise gibt das Auswärtige Amt.
Die Probleme der Produzenten mit dem Coronavirus schildert Jan Philip Lange (Junifilm) in Blickpunkt:Film: Ausfallversicherungen greifen nicht bei höherer Gewalt wie einer Pandemie. Er mahnt eine Lösung an: „Wenn Staat und Filmförderungen hier mit den Filmversicherern kooperieren und eine Art branchenspezifische Rückversicherung bilden könnten, wäre meines Erachtens viel gewonnen. Ziel müsste sein, dass die Filmversicherer wieder Deckung im Schadensfall auch durch Corona zusagen können und sich in einem Schadensfall dann an Staat und Förderer als Rückversicherer wenden können.“
Der Filmverband Südwest appelliert an die Branche, „sämtliche szenischen und werblichen Dreharbeiten und Vorproduktionen mit sofortiger Wirkung einzustellen.“ Dabei stellt der Interessenverband der baden-württembergischen Filmschaffenden auch das Dilemma der Produzent*innen dar: Wenn sie Dreharbeiten eigenmächtig einstellen, werden ihnen die finanziellen Ausfälle nicht ersetzt. Darum fordert der Filmverband eine klare Ansage der Landesregierung, Dreharbeiten zu verbieten: „Nur so wird eine unnötige Gefährdung von Teammitglieder, Darsteller*innen, Kompars*innen und Dienstleister*innen vermieden, das Infektionsschutzgesetz durchgesetzt, und zugleich sichert sie den Produktionsunternehmen eine Argumentationsgrundlage gegenüber Sender und Förderer.“
Einen Pfad durch die Krise sucht ab morgen die Initiative Quarantinos: Der Berliner Filmemacher Tobias Stubbe will in Gemeinschaft mit anderen Freelancern auch im Falle eines Lockdowns weiter TV-Spots oder Social-Media-Videos für Kunden produzieren – „aber auf eine sichere Weise, indem jeder Freelancer von zuhause aus arbeitet.“ Der Plan: „Wir suchen die passenden Freelancer zusammen. Zum Beispiel ein Kameramann, der im gleichen Haushalt wie eine Schauspielerin wohnt und eine kurze Szene aufnehmen kann.
Das Material reichert dann ein Freelance Designer von zuhause aus mit CGI an. Off-Sprecher, Edit – wir können als Freelancer Gemeinschaft Filme auch im Lockdown erstellen. Und damit unser finanzielles Überleben sichern.“ Mitmacher*innen sind gesucht. Ein Geschäftsmodell soll daraus nicht werden, sagt Stubbe: „Wir nehmen keine Marge, sondern versuchen, auch für uns selbst als Freelancer Aufträge zu generieren. Von den Werbeagenturen kommen nämlich kaum mehr Anfragen …“
Ein Schutzschild für Beschäftigte und Unternehmen hatten Wirtschafts- und Finanzministerium schon am Freitag angekündigt. Das soll auf vier Säulen beruhen: das Kurzarbeitergeld wird flexibler gehandhabt, Steuern können gestundet und Steuervorauszahlungen nach unten korrigiert werden, der Zugang zu Krediten durch höhere Bürgschaften des Bundes erleichtert, Sonderprogramme sollen weitere Finanzhilfe bieten und schließlich werden die Maßnahmen „europäisch verzahnt.“ Die Bundesregierung verweist auf KfW-Kredite, die auch Solo-Selbständige und Kleinstbetriebe bei kurzfristigen Liquiditätsproblemen zustehen sollen.
Welche Auswirkungen das Coronavirus auf die Kultur- und Kreativwirtschaft hat, wird seit einer Woche in einer deutschlandweiten Kurzumfrage ermittelt, die das sächsische Wirtschaftsministerium in Auftrag gegeben hat. Die bisher von der Bundesregierung vorgestellten Maßnahmen würden gerade für Freiberufler*innen nicht greifen. Man hofft darum auf rege Rückmeldungen von Selbständigen und Unternehmen.
Erste Erkenntnisse der Umfrage wurden schon am vergangenen Freitag vorgestellt: Bereits da hatten oder erwarteten rund 30 Prozent der Befragten Umsatzeinbußen von mehr als 30 Prozent. Zahlreiche Unternehmen rechneten „perspektivisch“ mit deutlich höheren Ausfällen. Über die Datenbasis gibt es keine Angabe, die Umfrage sei aber „repräsentativ“. Aus Sicht der Befragten sind folgende Maßnahmen geeignet, um die wirtschaftlichen Auswirkungen abzumildern:
# Entschädigungszahlungen, die die Auftragsausfälle kompensieren.
# Sicherstellung der Liquidität über zinsvergünstigte, unbürokratisch zu beantragende (Mikro-)Kredite.
# (zinslose) Stundung, Reduktion und Verschiebung von Steuervorauszahlungen Verschiebung von KSK-Zahlungen.
# Steuererleichterungen.
# Anteilige Übernahme von Krankenkassenbeiträgen zur Entlastung der Nebenkosten.
# Ein Konjunkturpaket, das gezielt die Nachfrage nach Leistungen aus der Kultur- und Kreativwirtschaft ankurbelt.
# Gezielte Berücksichtigung von kultur- und kreativwirtschaftlichen Produkten und Leistungen bei Vergabeprozessen durch die öffentliche Hand.
# Zeitlich befristete Aufnahme von Soloselbständigen in die Arbeitslosenversicherung unter der Maßgabe, dass dies keine Folgen für die Mitgliedschaft in der KSK hat.
# Ausfallgeld in Höhe des Durchschnittsverdienstes.
# Stundung und Reduktion weiterer umsatzabhängiger Zahlungen (zum Beispiel Mitgliedsbeiträge für Kammern).
Kurzarbeitergeld werde hingegen nur von einer sehr geringen Anzahl von Befragten als wirksame Maßnahme betrachtet; das Kurzarbeitergeld sollte auf geringfügig Beschäftigte ausgeweitet werden.
Eine Telefonberatung für Filmschaffende hat die MFG Baden-Württemberg eingerichtet: „Allgemeine wirtschaftsbezogene Fragen zum Coronavirus“ werden bis auf weiteres Montag, Mittwoch und Freitag von 14 bis 16 Uhr beantwortet. Telefon: 0711-90715-346.
Als Anlaufstelle für alle Kulturschaffenden im Bundesland gibt das Bayerische Zentrum für Kultur- und Kreativwirtschaft (Bayernkreativ) eine Übersicht finanzieller Hilfen von Bund und Land.
Woran Kreative außerdem denken sollen, hat dort der Künstlerberater Stefan Kuntzals Checkliste zusammengestellt.
Vergesst die Künstler nicht! Eine Online-Petition an Bundestag und Finanzministerium fordert Hilfen für Freiberufler und Künstler während des „Corona-Shutdowns“: „Durch die massenhafte Absage von Veranstaltungen drohen sie über diesen Rand gestoßen zu werden. Dabei greifen auch nicht die gesetzlichen Regelungen für den Verdienstausfall“, erklärt der Leipziger Sänger David Erler , der die Petition initiiert hat: „Viele meiner Kolleginnen und Kollegen sind nicht in der Lage, ohne weiteres einen oder zwei Monate ohne Einnahmen zu überbrücken, wie dies in der gegenwärtigen Lage jedoch vonnöten sein könnte. Die Gesellschaft mag für einige Zeit auf kulturelles Leben verzichten können, aber tut sie es zu lang, könnte am Ende niemand mehr da sein, der es wieder aufleben lassen könnte.“ Die von Bund und Ländern angedachten Hilfsmaßnahmen sollten sich nicht nur auf Unternehmen und deren Angestellte konzentrieren, sondern vor allem auch die mitunter wesentlich prekärere Lage der freiberuflichen Kunstschaffenden berücksichtigen – und dies so möglichst unbürokratisch und ohne Kopplung an Bonität.
Eine einfachere Lösung hängt der Sänger der Petition als PS an: „Die aus meiner Sicht sinnvollste und am schnellsten wirksame Maßnahme wäre übrigens eine (eventuell auch nur zeitlich begrenzte) Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens.“ Mehr als 208.000 Menschen haben bereits unterschrieben, 250.000 sollen es werden.
Die Auswirkungen auf Selbständige hatte gestern auch die „Süddeutsche Zeitung“ geschildert. Titel: „Auf sich alleine gestellt“. Einen unmittelbaren Anspruch auf Entschädigung hat nur, wer offiziell unter Quarantäne gestellt wird. Nach dem Infektionsschutzgesetz erhalten auch Selbstständige und Freiberufler*innen den Verdienstausfall ersetzt. Berechnungsgrundlage ist der aktuelle Einkommenssteuerbescheid. Zusätzlich können sie auch für Betriebsausgaben „in angemessenem Umfang“ entschädigt werden.
Welche Behörde in welchem Bundesland zuständig ist, erfahren Sie hier.
Wird eine Veranstaltung abgesagt, ist es schwierig. Als erstes ist ein Blick in den Vertrag nötig – und da steht oft, dass bei Höherer Gewalt kein Entschädigungsanspruch bestehe. Ein allgemeines Veranstaltungsverbot ist Höhere Gewalt, und die gilt somit vorerst bis zum 19. April.
Im besten Fall beginnt hier also die Verhandlung mit dem Auftraggeber. Ein schwacher Hoffnungsschimmer: Filmprojekte sind keine Bühnenauftritte, das heißt die meisten werden eher verschoben als ganz abgesagt. Hier sei an die Empfehlungen im Falle einer Projektabsage im gestrigen Newsletter verwiesen, um im Spiel zu bleiben.
Dazu raten einige allerdings zur Vorsicht: „Ich kann Schauspieler/innen nur davon abraten, in der jetzigen Krise Produktionen (mit Rechtsanwälten) unter Druck zu setzen“, schreibt uns ein Agent. Auch der Künstlerberater Stefan Kuntz hält einen Rechtsstreit in diesem Fall für nicht sinnvoll.
Bereits erbrachte Leistungen müssen selbstverständlich vergütet werden. Bei Teilleistungen besteht zumindest anteilig Anspruch auf das Honorar.
Zu empfehlen ist außerdem ein Gespräch mit dem*r Steuerberater*in oder Finanzbeamt*in Ihres Vertrauens im Sinne der Hilfsmaßnahmen der Regierung: Steuervorauszahlungen und -forderungen können gestundet oder verschoben werden. Auch eine Änderungsmitteilung an die Künstlersozialkasse, dass das erwartete Arbeitseinkommen niedriger ausfallen wird, senkt laufende Kosten. Für diese und weitere Tipps nochmals der Verweis auf die Checkliste für freie Kreativevon Künstlerberater Stefan Kuntz.
Wer als Künstler aus der freien Szene einen Wahrnehmungsvertrag mit der Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL) geschlossen hat, hat Glück: Bei virusbedingten Veranstaltungsabsagen gibt die GVL auf Nachweis eine Soforthilfe von 250 Euro.
Brancheninfo von crew-united und cinearte, erschienen auf out-takes