Comeback der Oldie-Musik: Was steckt hinter dem Retro-Trend?

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Oldies, Oldies, nichts als Oldies? Wer die aktuellen Charts anschaut, könnte fast den Eindruck bekommen. Immer wieder tauchen wohlbekannte Hits der Vergangenheit in den Hitparaden auf, von „The Sound Of Silence“ bis „Sweet Caroline“: Was gestern noch ein bisschen angestaubt erschien, ist plötzlich wieder hochaktuell! Wer ganz genau lauscht, bemerkt in seiner Umgebung den Oldie-Hype hautnah, denn aus MP3-Playern und Smartphones tönen oft dieselben vertrauten Klänge, die so manche reife Person an die eigene Jugend erinnern.

Was ist los in Deutschland, schwimmen jetzt alle auf derselben Vintage-Welle? Der Mega-Erfolg des Oldie-Senders SCHWARZWALDRADIO gehört zu den weiteren Indizien unserer steilen These. Seit 2008 rockt der Sender weltweit, jetzt steigen die Hörerzahlen rasant an. Das freut das kleine, handverlesene Team aus Offenburg, deren Programm in ganz Deutschland und ein Stück darüber hinaus zu hören ist. Ganz zu Recht, wie wir meinen, denn bei diesem Trend geht es ganz viel um echte Qualität.

Reingelauscht: Warum sind Oldies plötzlich total „in“?

Ganz so plötzlich hat uns der Trend gar nicht überrollt: Wenn wir „Warum sind Oldies so beliebt?“ in Google eingeben, spuckt die Suchmaschine Ergebnisse aus, die mindestens ins Jahr 2007 zurückreichen. Das heißt also, die Menschen beschäftigen sich schon länger mit der Frage, warum „Altes“ nicht einfach auf die musikalische Müllkippe kommt, um Platz für Neues zu schaffen.

Doch erstens besteht in den künstlerischen Sphären gar kein Stauraumproblem – und zweitens ist Musik in ihrem Kern vollkommen alterslos. Einfach mal ein paar junge Leute fragen, die gern Oldies hören, und schon wird’s klar: „Es gefällt mir einfach“, lautet die schlichte Antwort, ohne dabei einen Gedanken an „alt“ oder „neu“ zu verschwenden.

Haken wir doch einmal bei Menschen aller Altersgruppen genauer nach, warum sie heute wieder nostalgische Rocksongs und die Neue Deutsche Welle hören, obwohl es Taylor Swift und Konsorten gibt. Ihre Antworten bringen verschiedene spannende Aspekte ins Spiel. Die wichtigsten Gründe fürs Oldie-Hören sind:

Top-Sortiment: Oldies vergrößern die Musikauswahl

Die Auswahl macht’s! Damit in der eigenen Musikwelt keine Langeweile aufkommt, sind heutzutage viele verschiedene Sounds gefragt. Zwar haben die letzten paar Jahre zahlreiche Hits und Perlen hervorgebracht, doch nimmt man noch die vorangegangenen vier bis sechs Jahrzehnte hinzu, entsteht plötzlich eine unendliche Auswahl. Die hohe Verfügbarkeit verschiedenster Titel durch das Internet lässt die Musikfreunde generell offener und neugieriger werden. Da bleibt der Billie-Eilish-Verehrer plötzlich auch bei ABBA oder Dolly Parton hängen, während The-Weeknd-Fans zwischendurch zu Janet Jackson und Boyz II Men switchen. Dank des World Wide Webs sind die Wege dazwischen überhaupt nicht mehr weit, niemand braucht mehr Opas Plattensammlung dafür.

Nachhaltigkeit zählt! Der Recycling-Gedanke

Viele hochmoderne Songs sind gar nicht so neu, wie sie scheinen. Musik-Recycling gehört seit vielen Jahren zu den aktuellen Trends: Die älteren Leute hören es sofort heraus, die Jungen bemerken es oft gar nicht, bis sie jemand darauf aufmerksam macht. Sie werden dann automatisch neugierig auf die Originale der Vergangenheit, lauschen rein und bleiben oftmals daran hängen. Während die reifere Generation bei all den musikalischen Erinnerungen, die regelmäßig durch ihre Ohren surren, schwach werden und wieder zu den alten Platten greifen – oder eben das digitale Oldies Radio einschalten. Plattenspieler sind schließlich nicht mehr überall vorhanden, aber das Smartphone tut’s heute ganz bequem auch.

Schluss mit dem leeren Hype! Es lockt echter Musikgenuss

Gut ist, was sich den Massen verkaufen lässt: Viele Menschen beschleicht das Gefühl, es geht heute gar nicht mehr um Musik, sondern um gehypte Stars, die per Social-Media-Marketing Geld scheffeln möchten. Natürlich gab es auch schon früher die ganz großen Stars wie Elvis Presley, Michael Jackson, Tina Turner oder die Rolling Stones. Doch ihre Karriere scheint viel natürlicher, eben ohne diesen künstlichen Hype und die vielen digitalen Kampagnen, die heute VIPs hoch auf das Podest heben. Die Musik stand früher gefühlt ohnehin viel mehr im Mittelpunkt, nicht die blanke Haut oder wer den besten Instagram-Account unterhält. Echte Musik, das hieß damals kein Auto-Tune und auf jeden Fall Singen können oder ein Instrument richtig geil beherrschen. Ohne Programmierung oder Mogelei. Zumindest meistens.

Der Einzigartigkeits-Aspekt: Originale statt Abziehbilder

Auch die Einzigartigkeit „alter“ Stars wird immer wieder von Oldie-Fans genannt. Charakterköpfe wie Cindy Lauper, Prince, David Bowie, Boy George, Freddy Mercury und Whitney Houston sind heutzutage rar geworden. Auch ein Falco kommt nie wieder, ebenso wenig wie eine Inga Rumpf oder Tamara Danz. Dagegen erscheinen erstaunlich viele aktuelle Musiker wie Abziehbilder, vielleicht getrieben durch das Internet, bestimmte Klischees abzudecken und sich so zu behaupten. Die Musik der Altgedienten ist überall blind wiedererkennbar, während vieles von dem, was heute über den Äther klingt, schwer einer bestimmten Band zuzuordnen ist. Das ist natürlich kein generelles Argument, nur ein gewisser Trend, der Teile der Musikwelt in die Rückwärtsrolle bringt.

Musik ist Gefühl – Retro weckt die Emotionen

Kaum etwas berührt uns Menschen mehr als ein gutes Lied, das einen Andockpunkt an unserer Seele findet. Bei älteren Personen handelt es sich zumeist um Songs aus Kindheit und Jugend, die das Erinnerungszentrum im Gehirn ankurbeln. So wird die Musik noch ein gutes Stück emotionsgeladener und weckt den Wunsch, mehr und mehr davon zu hören. Aber auch bei jungen Leuten wirkt der Retro-Trick erstaunlich gut, denn Vergangenheit wird in fast allen Generationen verklärt und so sehnt sich manch einer in Zeiten zurück, die er nur vom Hörensagen kennt. Einmal ein echtes Beatles-Konzert oder gar die Sangeskunst der Comedian Harmonists live erleben? Schade, dass das nicht mehr geht. Aber immerhin haben wir das Internet und digitales Oldies-Radio, damit holt sich jeder, was er gerade braucht.

Komplexe Texte zum Mitdenken gab’s früher mehr

Nicht nur der Sound zählt, auch der Text ist wichtig. Forscher von der Universität Innsbruck rund um Eva Zangerle bestätigten, was aufmerksame Musikfreunde schon länger bemängeln: Popsongs werden heutzutage immer kürzer und einfacher gestrickt. Text gibt es fast nur noch in der Sparversion, unterkomplex wie ein Lückenfüller, weil der Sänger schließlich irgendwas singen muss. Die Wissenschaftler untersuchten mehr als 300.000 englischsprachige Songs per linguistischer Computer-Analyse, verglichen Textlängen und Grammatik, das Vorkommen komplexer Wörter, Emotionalität und Wiederholungen. Das Fazit: „Wir haben herausgefunden, dass die Texte der Popmusik über die Zeit einfacher und leichter verständlich geworden sind.“ Wer mehr will, den treibt es oft zu Oldies.

Die große Oldie-Welle: Hier rollt sie durch!

Die große Oldie-Welle haben wir zu Anfang grob umrissen, sie rollt sowohl durch die deutschen Charts als auch durchs Netz und ganz sicher durch die Radiowelt.

Stumblin’In

Der Song „Stumblin’In“, der erstmals 1978 auf Platte erschien, hat sich zum Beispiel derzeit in den Hitlisten festgesetzt. Damals performten ihn Suzi Quatro und Chris Norman, heute hat ihn der australische DJ Cyril neu in Szene gesetzt. Auf TikTok ging sein Stück viral, die Spieler des FC Bayern München nutzten ihn für ein Video. Der Chartentry erfolgte am 19. Januar 2024 auf Platz 77, zum jetzigen Zeitpunkt (Anfang August 2024) liegt er immerhin auf Platz 4. Die höchste Positionierung: Number Two!

The Sound Of Silence

Kurz nach diesem Erfolg wagte sich Cyril an den Klassiker „The Sound Of Silence“ von Simon & Garfunkel. Allerdings wählte der DJ für seinen Remix eine jüngere Version der Band „Disturbed“, die deutlich düsterer rüberkommt – und landete damit einen zweiten Volltreffer. Der Song enterte die Charts am 8. März 2024 auf Platz 94 und arbeitete sich immerhin bis Rang 44 hoch. Jetzt ist er wieder auf Position 65 gesunken, nach vollen 21 Wochen auf dem deutschen Musik-Olymp.

Weitere erfolgreiche Oldie-Remixe

Auch der Oldie-Klassiker „Lay Back In The Arms Of Someone”  von MOLOW & Chris Norman eroberte die Top 10 der deutschen Single-Charts. Das Schweizer Produzenten-Erfolgsduo, die mit Masken in Form einer Bombe mit Zündschnur auftreten, verpassten dem Ü-70er Chris Norman eine basslastige Verjüngungskur und bringen die bundesdeutschen Tanzflächen damit bis heute zum Beben. Die niederländischen DJs Block & Crown möbelten „A Walk In The Park” gehörig auf und landeten mit ihrer Version der Kult-Nummer aus dem Jahr 1979 iin den Top 30 der deutschen Charts.  Auch an den „Synth-Pop-Göttern” Depeche Mode ging der Oldie-Remix-Hype nicht vorbei. „Alle Farben” aus Berlin und „Relova” aus Dortmund katapultierten „Enjoy The Silence”, die unsterbliche 90er-Hymne, nach Jahrzehnten erneut  in die deutschen Dance-Charts.

Oldie-Coverbands und Oldie-Partys groß im Kommen

Auch lokal wird das Phänomen sichtbar und kann sich dabei absolut hören lassen. Oldie-Partys sind in vielen Regionen gefragt wie nie, entweder mit DJ, der vielleicht sogar nach alter Manier echte Vinyl-Platten auflegt, oder mit einer richtig guten Coverband. Und das müssen gar keine Ü50-Events sein, ganz und gar nicht! Auf erstaunlich vielen Oldie-Konzerten tauchen jede Menge junger Leute auf, teilweise in den 20ern oder sogar Teenager. Manche Hochzeitspaare bestellen für ihre große Feier lieber die Rockabilly-Band als die mit den neuesten Hits, weil Rock’n Roll inzwischen alle Generationen vereint. Sogar zum 18. Geburtstag taucht im Party-Stream so manches Glanzstück alter Zeiten auf, das die Tanzfläche zum Brodeln bringt.

Hörerzahlen bei Oldie-Sender gehen durch die Decke

Die MA-Zahlen 2024, also die aktuellen Media-Analyse-Daten für Radiosender, sprechen für für sich. Dort erlebten die Oldie-Experten bei SCHWARZWALDRADIO ihr persönliches Hörerwunder:  Sie verbuchten einen Publikumsgewinn von sagenhaften 55,2 Prozent, ein kometenhafter Aufstieg, der seinesgleichen sucht. Sicher ist nicht allein die Musikauswahl an diesem grandiosen Erfolg beteiligt, auch die sympathischen und fachkundigen Moderatoren haben ihren Part dazu beigetragen. Sie prägen die verschiedenen Sendungen auf jeweils individuelle Art und holen rund um die Uhr das Beste aus ihren Nostalgie-Songs heraus.

Wahrscheinlich schaukelt sich das alles gegenseitig hoch, denn je präsenter Oldie-Musik in der Gesellschaft wird, desto mehr verstärkt sich die Nachfrage. Die verstärkte Nachfrage führt wiederum zu mehr Präsenz, die dann … allein daraus ließe sich ein Lied mit vielen Strophen komponieren. Doch lassen wir’s besser, denn das wird eh ein neues Stück und hat in unserem Oldies-Regal nichts zu suchen.

 

 

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