Nachfolgend finden Sie eine kurze Zusammenfassung der neuen Studie, die
von der City, University of London, mitverfasst und in _The Lancet
Psychiatry_ [1] veröffentlichte wurde.
STUDIE UNTERSUCHT DIE AUSWIRKUNGEN DER COVID-19-PANDEMIE AUF DIE PSYCHISCHE GESUNDHEIT IN GROßBRITANNIEN NACH DEM ERSTEN MONAT DER AUSGANGSSPERRE
DIE GEISTIGE GESUNDHEIT HAT SICH NACH DEM ERSTEN MONAT DER
COVID-19-AUSGANGSSPERRE DEUTLICH VERSCHLECHTERT. DIES GEHT AUS EINER UMFRAGE HERVOR, DIE IN DER ZEITSCHRIFT THE LANCET PSYCHIATRY VERÖFFENTLICHT WURDE.
Eine in _The Lancet Psychiatry_ [1] veröffentlichte neue Studie der
University of Manchester, City, University of London und anderer
Universitäten deutet auf einen Rückgang der psychischen Gesundheit der
Bevölkerung im Zeitabschnitt vor der COVID-19-Pandemie bis zur
Ausgangssperre im April 2020.
Bei den 17.452 Personen, die auf die Umfrage geantwortet haben, ist das
durchschnittliche Ausmaß der psychischen Belastung im April 2020 im
Vergleich zu den Durchschnittswerten vor der Pandemie gestiegen (Anstieg
der durchschnittlichen Punktzahl für psychische Belastung um 1,1 Punkte
von 11,5/36 Punkten auf 12,6/36 Punkte). Diese Zunahme der psychischen
Belastung war 0,5 Punkte höher, als aufgrund der in den letzten fünf
Jahren beobachteten Aufwärtstrends zu erwarten wäre.
Ende April 2020 berichtete mehr als ein Viertel der Studienteilnehmer
über einen Grad an psychischer Belastung, der potenziell klinisch
signifikant ist (27,3%), verglichen mit jedem fünften Teilnehmer vor
der Pandemie (18,9%). Die Forscher betonen jedoch, dass ihre Studie auf
Umfrageantworten und nicht auf einer klinischen Bewertung beruht und
dies nicht bedeutet, dass jede vierte Person eine klinische psychische
Erkrankung hat.
Die Studie zeigt, dass einige Ungleichheiten in der psychischen
Gesundheit, die vor der Pandemie bestanden, sich ausgeweitet haben. Die
Zunahme der psychischen Belastung war BEI FRAUEN STÄRKER ALS BEI
MÄNNERN (Frauen: durchschnittliche bereinigte Zunahme von 0,92/36,
Männer: 0,06/36) und IN JÜNGEREN ALTERSGRUPPEN STÄRKER ALS BEI
ÄLTEREN MENSCHEN (16-24-Jährige: durchschnittliche bereinigte Zunahme: 2,69 Punkte, ab 70 Jahren: durchschnittlicher Anstieg: 0,17 Punkte).
Die Ergebnisse offenbaren auch neue Ungleichheiten in der psychischen
Gesundheit nach einer einmonatigen Ausgangssperre, wobei MENSCHEN, DIE MIT KLEINEN KINDERN LEBEN, eine stärkere Zunahme der psychischen Belastung aufweisen als Menschen aus kinderlosen Haushalten.
Die Zunahme der psychischen Gesundheitsbeschwerden im April 2020 könnte eine Spitze der emotionalen Reaktion darstellen, die sich stabilisieren oder verringern könnte, wenn sich die Menschen an die Einschränkungen des täglichen Lebens gewöhnt haben. Mit fortschreitender
wirtschaftlicher Auswirkung der Pandemie, wenn Zwangsurlaub in
Entlassungen und Auszeiten für den Hypothekenurlaub übergeht, werden
sich die Ungleichheiten in der psychischen Gesundheit nach Ansicht der
Forscher jedoch wahrscheinlich ausweiten und vertiefen und müssen genau beobachtet werden, damit Schritte unternommen werden können, um einem Anstieg psychischer Erkrankungen in diesen Gruppen entgegenzuwirken.
Sally McManus [2], leitende Mitverfasserin und Dozentin für
Gesundheitswesen an der City, Universität London, sagte:
_„Die Pandemie hat die unterschiedlichen Lebensumstände der Menschen
in einen krassen Gegensatz gebracht. Wir haben festgestellt, dass sich
die bereits bestehenden Ungleichheiten in der psychischen Gesundheit von
Frauen und jungen Menschen insgesamt vergrößert haben. Gleichzeitig
sind neue Ungleichheiten entstanden, z.B. für diejenigen, die mit
Vorschulkindern leben. Diese Erkenntnisse sollten in die Sozial- und
Bildungspolitik einfließen, die darauf abzielt, die Auswirkungen der
Pandemie auf die psychische Gesundheit der Nation zu mildern, damit wir
versuchen können, eine Zunahme psychischer Erkrankungen in den
kommenden Jahren zu vermeiden__.“_
Dr. Matthias Pierce, Mitverfasser von der Universität Manchester,
sagte:
„_Dies ist die erste von Fachkollegen überprüfte Studie, die
Veränderungen der psychischen Gesundheit der britischen Bevölkerung
von der Zeit vor der COVID-19-Pandemie bis in die anschließende
Sperrperiode verfolgt. Frühere Studien konzentrierten sich auf
bestimmte Gruppen, wie z.B. Schlüsselkräfte, und nicht auf eine
Zufallsstichprobe der Gesamtbevölkerung. Und viele haben nicht
validierte Messungen der psychischen Gesundheit verwendet oder es
fehlten vergleichbare Basisdaten aus der Zeit vor der COVID-19-Pandemie,
an denen Veränderungen gemessen werden konnten_.“
Die neuesten Ergebnisse basieren auf einer Langzeitstudie mit mehr als
40.000 britischen Haushalten, die seit mehr als zehn Jahren in
jährlichen Abständen die psychische Gesundheit der Nation verfolgt,
der so genannten UK Household Longitudinal Study (UKHLS).
Die Forscher verwendeten den 12-Punkte-Fragebogen zum allgemeinen
Gesundheitszustand, der ein validiertes Instrument zur Messung der
Stärke der psychischen Belastung ist. Die Teilnehmer werden gebeten,
über die vergangenen zwei Wochen nachzudenken und zu berichten, wie oft
sie Symptome wie Schlaf- oder Konzentrationsschwierigkeiten, Probleme
bei der Entscheidungsfindung oder das Gefühl der Überforderung erlebt
haben. Jede Frage wird zwischen 0 und 3 bewertet, so dass sich eine
potenzielle Gesamtpunktzahl von 36 ergibt, wobei höhere Punktzahlen
für höhere Grade an psychischer Belastung stehen. Die Forscher
definierten eine klinisch relevante Schwelle für psychische Belastung
als das Auftreten von vier oder mehr verschiedenen Symptomen auf einem
höheren Niveau als gewöhnlich. Dies wurde verwendet, um den Anteil der
Befragten zu berechnen, die ein klinisch relevantes Maß an psychischer
Belastung aufweisen.
Zwischen dem 23. und 30. April 2020, einen Monat nach Einführung der
Ausgangssperre im Vereinigten Königreich, wurden Menschen, die auf die
jüngsten UKHLS-Umfragen geantwortet hatten, aufgefordert, eine
Online-Version des Fragebogens auszufüllen.
Etwa 17.452 Personen aus einer Gesamtstudienpopulation von 42.330
antworteten auf die Online-Umfrage. Alle an der Studie beteiligten
Personen waren im April 2020 16 Jahre und älter. Grunddaten zum Stand
der psychischen Gesundheit vor der Pandemie lagen für 15.376
Teilnehmer, die bei der Beantwortung eines der beiden früheren
UKHLS-Fragebögen über 16 Jahre alt waren, zum Vergleich vor.
Die Ergebnisse verdeutlichen Ungleichheiten in der psychischen
Gesundheit, die bereits vor der Pandemie vorlagen. FRAUEN HATTEN IM
DURCHSCHNITT EIN HÖHERES MAß AN PSYCHISCHER BELASTUNG ALS MÄNNER (Frauen: 13,6/36, Männer: 11,5/36). Beim Vergleich der Daten von
Personen aus der Zeit vor und nach der Abriegelung und bei der
Bereinigung früherer Trends zeigten Frauen ebenfalls einen stärkeren
Anstieg der psychischen Belastung (Frauen: durchschnittlicher Anstieg
von 0,92/36, Männer: 0,06/36). Etwa jede dritte Frau hatte einen Wert
über der klinisch relevanten Schwelle, verglichen mit jedem fünften
Mann (Frauen: 33,3%, Männer: 20,4%). Laut den Forschern könnte das
psychische Leiden bei Männern eher auf eine Art und Weise zum Vorschein
kommen, die vom Allgemeinen Gesundheitsfragebogen nicht erfasst wird,
wie z.B. Alkoholmissbrauch. Weiterführende Untersuchungen wären in
diesem Zusammenhang erforderlich.
Vergleicht man die Ergebnisse der einzelnen Teilnehmer vor COVID-19 und
im April 2020, so zeigt sich nach Bereinigung um frühere Trends und
andere Faktoren dIE STÄRKSTE ZUNAHME DER PSYCHISCHEN BELASTUNG BEI JUNGEN MENSCHEN IM ALTER VON 18 BIS 24 JAHREN (durchschnittlicher Anstieg um 2,69 Punkte) und bei den 25- bis 34-Jährigen
(durchschnittlicher Anstieg um 1,57 Punkte).
Andere Ungleichheiten im Bereich der psychischen Gesundheit, die bereits
vor der Pandemie vorhanden waren, blieben bestehen, weiteten sich aber
nicht aus. MENSCHEN, DIE OHNE PARTNER LEBEN (13,8/36), und MENSCHEN MIT EINEM GESUNDHEITSZUSTAND, DER SIE ANFÄLLIGER FÜR EINE COVID-19-INFEKTION MACHEN WÜRDE (13,7/36), wiesen ein höheres Maß an psychischer Belastung auf als die Durchschnittsbevölkerung (12,6/36).
Ein Vergleich der Reaktionen der Personen vor und nach der Abriegelung
ergab jedoch keine überdurchschnittliche Zunahme des psychischen
Leidens bei diesen Gruppen.
Psychische Probleme traten häufiger bei Menschen auf, die IN HAUSHALTEN MIT NIEDRIGEM EINKOMMEN lebten (Durchschnittswert 13,9/36 in Haushalten mit dem niedrigsten Einkommen, verglichen mit 12,0/36 in Haushalten mit dem höchsten Einkommen). Darüber hinaus wiesen Personen, DIE VOR DER ABRIEGELUNG ARBEITSLOS WAREN, höhere Werte für psychische Belastungen auf als Personen, die einer Erwerbstätigkeit nachgingen (Arbeitslose:
15,0/36, Erwerbstätige: 12,5/36).
Allerdings war die Zunahme der psychischen Belastung im Vergleich zu
früheren Trends bei denjenigen, die vor der Pandemie einen Arbeitsplatz
hatten, größer (durchschnittlicher Anstieg um 0,63/36 Punkte für
Erwerbstätige gegenüber -0,48/36 Punkten für Arbeitslose, nach
Bereinigung um andere Faktoren). Zu dieser Gruppe gehören diejenigen,
die möglicherweise beurlaubt wurden, ihren Arbeitsplatz verloren haben
oder Angst hatten, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, sowie diejenigen,
die dazu übergingen, von zu Hause aus zu arbeiten. Die Forscher sind
der Ansicht, dass dieser Trend genau beobachtet werden sollte, wenn die
Auswirkungen der Pandemie auf die Beschäftigung spürbar werden und die erwarteten Entlassungen eintreten.
Eine weitere Ungleichheit, die sich herausstellte, besteht darin, dass
Menschen, DIE MIT KLEINEN KINDERN BIS ZU FÜNF JAHREN LEBEN, ebenfalls einen erheblichen Anstieg der psychischen Belastungswerte
(durchschnittlicher Anstieg um 1,45/36 Punkte) im Vergleich zu
kinderlosen Haushalten (durchschnittlicher Anstieg um 0,33/36 Punkte)
verzeichneten.
Beschäftigte in Schlüsselpositionen hatten einen ähnlichen
Durchschnittswert für psychische Belastung wie die
Allgemeinbevölkerung (Beschäftigte in Schlüsselpositionen: 12,7/36,
Allgemeinbevölkerung: 12,6/36), hatten aber mit größerer
Wahrscheinlichkeit einen Wert über der klinisch relevanten Schwelle
(Beschäftigte in Schlüsselpositionen: 29,9%, Allgemeinbevölkerung:
27,3%).
Professor Kathryn Abel, Mitverfasserin von der Universität Manchester,
Großbritannien, sagte: „_Während die COVID-19-Infektion ein größeres
physisches Gesundheitsrisiko für ältere Menschen darstellt, deutet
unsere Studie darauf hin, dass die psychische Gesundheit junger Menschen
unverhältnismäßig stark von den Bemühungen betroffen ist, die
Virus-Übertragung zur unterbinden. WIR WÜRDEN EINE POLITIK EMPFEHLEN, DIE SICH VORRANGIG AUF FRAUEN, JUNGE MENSCHEN UND MENSCHEN MIT KINDERN IM VORSCHULALTER KONZENTRIERT, um künftige psychische Erkrankungen zu verhindern_“.
Links:
——
[1] https://www.city.ac.uk/news/2020/july/Published
[2] https://www.city.ac.uk/people/academics/sally-mcmanus
—
Ida JUNKER
international consultant