City-Experte kommentiert OECD-Wirtschaftsprognosen

brexit landkarte schere europa lücke trennung, Quelle: 8385, Pixabay License Freie kommerzielle Nutzung Kein Bildnachweis nötig
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Die britische Wirtschaft ist im April im Vergleich zum Vorjahresmonat um 27,6 Prozent gewachsen – ein Rekordwert wie das Nationale Statistikamt (ONS) verkündete. Die starken Wachstumszahlen spiegeln die Konjunkturerholung im Zuge der schrittweisen Öffnung der Wirtschaft wider. Auf das Jahr hoch gerechnet erwartet die britische Notenbank nun einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 7,25 %, auch die OECD- Schätzung liegt mit +7,2% sehr nahe daran. Das wäre die höchste Wachstumsrate seit 1941. Im Vergleich dazu liegt die voraussichtliche Wachstumsrate in Deutschland bei 3,3 %. Thorsten Beck, Professor für Bankwesen und Finanzen an der Business School (ehemals Cass), City, University of London, hat die Zahlen in Frage-Antwort-Form kommentiert:

  1. Was halten Sie von diesen optimistischen Prognosen?

T.B. Prognosen sind immer mit hoher Unsicherheit verbunden, insbesondere angesichts der Ungewissheit über den Ausgang der Pandemie und die Entwicklung der Weltwirtschaft (besonders wichtig für exportorientierte Länder wie Deutschland). Insgesamt scheinen diese Schätzungen angemessen.

           2. Was könnte diese spektakuläre Erholung in Großbritannien und eine viel bessere Prognose im Vergleich zu anderen Ländern, insbesondere zu Deutschland, erklären?

T.B. Die Interpretation einer „spektakulären britischen Erholung“ ist schlichtweg falsch, wenn man sich die Zahlen genauer ansieht: Nach diesen Schätzungen beträgt die Wachstumsrate zwischen 2019 und 2021 für Großbritannien -3,3%, gegenüber -2% für Deutschland und -2,9 % für Frankreich. Betrachtet man die prognostizierten Wachstumsraten zwischen 2019 und 2022, kommt man auf 2% für Großbritannien, 2,3% für Deutschland und 1% für Frankreich. Es macht keinen Sinn, nur die prognostizierte Wachstumsrate für 2021 zu betrachten, da der Rückgang im Jahr 2020 in Großbritannien viel stärker war als in Deutschland, sodass eine kräftigere Erholung nicht überraschend ausfällt.

            3. Sind Sie der Meinung, dass Deutschland angesichts dieser Prognosen seine Wirtschaftsstrategie ändern sollte?

T.B. Ich denke, die Lektion ist für alle OECD-Länder die gleiche: nicht die fiskalische Unterstützung zu früh reduzieren! Eine Rückkehr zu ausgeglichenen Haushalten („schwarze Null“ in Deutschland) wäre sowohl kurzfristig – die Gesamtnachfrage senkend und die Erholung bremsend – als auch langfristig schlecht für die Wirtschaft, da notwendige Investitionen in Bildung und Infrastruktur nicht getätigt werden.
 
Generell wird die deutsche Erholung entscheidend vom Wachstum in China abhängen (das sich während der Pandemie gut gehalten hat), ist aber auch an die allgemeine Erholung im Euroraum geknüpft. Eine rasche Erholung im Vereinigten Königreich kann sich auf flexible Wechselkurse und flexible Arbeitsmärkte stützen, aber ist mit den Problemen neuer Handelsfriktionen mit der EU nach Brexit und einem Rückgang der Erwerbsbevölkerung (aufgrund der Abwanderung von Europäern aus Großbritannien) konfrontiert. Diese Abwanderung kann zu einem Inflationsanstieg und einem Konflikt für die Bank of England führen, die sich entscheiden muss, die Inflation nahe bei 2 % zu halten oder die Erholung nicht zu dämpfen.
 

Der Experte (deutschsprachig):

Thorsten Beck
Professor of Banking and Finance, The Business School (formerly Cass), University of London
Director, Florence School of Banking and Finance <fbf.eui.eu>
Research Fellow, CEPR; Co-Editor Journal of Banking and Finance

 Ida Junker – Agentur: PPOOL

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