Stefan Lauer und Nicholas Potter (Hg.): Judenhass Underground. Antisemitismus in emanzipatorischen Subkulturen und Bewegungen. Hentrich & Hentrich, Berlin 2023, ISBN: 978-3-95565-615-7, 22 €
Stefan Lauer und Nicolas Potter von der Amadeu Antonio Stiftung in Berlin haben einen Sammelband zu einem brisamtem Thema herausgebracht.
„Niemand will Antisemit sein. Erst recht nicht in Subkulturen und Bewegungen mit einem progressiven, emanzipatorischen Selbstbild. Judenhass geht aber auch underground – ob Rapper gegen Rothschilds, DJs for Palestine oder Punks Against Apartheid. BDS, die Boykottkampagne gegen den jüdischen Staat, will nahezu jedes Anliegen kapern, von Klassenkampf bis Klimagerechtigkeit. Altbekannte Mythen tauchen in alternativer Form wieder auf, bei Pride-Demos, auf der documenta oder beim Gedenken an den Terror von Hanau. Und viele Jüdinnen*Juden fragen sich, wo ihr Platz in solchen Szenen sein soll.“
Das Buch gliedert sich in drei Teilbereiche. Zunächst werden die Ursprünge des Antisemitismus in emanzipatorischen Subkulturen und Bewegungen dargelegt. Dies geschieht in den Beiträgen Israelhass und Antisemitismus, linker Antisemitismus, die Kampagne Boycott, Divestment and Sanctions (BGS), Antisemitismus und Intersektionalität und Juden und Klasse.
Danach geht es um Praxis im Aktivismus und subkulturellen Szenen: im Kulturbetrieb, in antirassistischen und antiimperialistischen Gruppen, in der Klimabewegung, in der queeren Community, bei feministischen Bündnissen, der Clubkultur, im Hiphop, im Punk und im Hardcore.
Im letzten Bereich wird der Dialog mit Künstler*innen, Aktivist*innen und vom Antisemitismus Betroffenen gesucht, die von ihren unterschiedlichen Erfahrungen berichten.
Der Begriff des Antisemitismus ist alles andere als einheitlich innerhalb der politischen Linken und emanzipatorischen Bewegungen, die Grenze zwischen Kritik an Israel, Antizionismus und Antisemitismus verschwimmt oft und lässt damit Spielraum für Uneindeutigkeiten und gegenseitige Frontstellungen und Vorwürfe. Auch unter diesem Gesichtspunkten ist das Buch zu verstehen.
Dieses Buch ist eine unbequeme Bestandsaufnahme und birgt enorme Sprengkraft. Es besteht die Gefahr, dass es nur zwei antagonistische Pole gibt, wie es zu bewerten ist: Die uneingeschränkte Zustimmung zu einem neuen alten linken Antisemitismus oder die völlige Ablehnung und auch verbundene Ablehnung von Selbstkritik.
Dies jedoch wäre der falsche Ansatz, der von Grautönen dazwischen ist eher angebracht. Hier werden heterogene und unterschiedliche Zusammenhänge beschrieben, wo nur im Einzelfall nach gründlicher Prüfung entschieden werden kann, was nun zutrifft und was nicht.