Boris Palmer: Die geforderte Umbenennung der Uni Tübingen ist Cancel Culture

@ein Judenfeind auf dem Rathaus?

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Die Juso-Gruppe der Universität fordert die Umbenennung der Universität Tübingen aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte. Der Tübinger grüne Oberbürgermeister Boris Palmer ist klar dagegen.

An der Universität wird über eine Umbenennung diskutiert. Die Forderung danach entspringt erkennbar der woken Cancel Culture, also dem Bedürfnis, sich selbst über andere zu erheben und von deren Verfehlungen zu distanzieren, indem man ihre gesellschaftliche Stellung beseitigt oder die Erinnerung an sie tilgt. Eigenartigerweise wird diese Löschung der Geschichte als verantwortungsvoller Umgang mit der Geschichte bezeichnet.

Das Gutachten der Historikerkommission der Universität hat die Faktenlage in wünschenswerter Klarheit beschrieben.

  1. Ohne Graf Eberhard gäbe es keine Universität und Tübingen wäre heute ein relativ unbedeutende Mittelstadt im Schatten Stuttgarts. Es war eine herausragende und ganz persönliche Leistung die Universität in einer dafür eigentlich zu kleinen Grafschaft zu gründen. Mit den Worten der Kommission:

„Zusammenfassend wird man ohne Zweifel Eberhard im Bart – im Zusammenwirken mit (und vielleicht auf Initiative von) seiner Mutter Mechthild von der Pfalz sowie einigen seiner Ratgeber – als Gründer der Universität Tübingen bezeichnen können. Als Motive lassen sich religiöse, wirtschaftliche und territorialpolitische Gründe sowie die Absicht der Statussicherung erkennen.“

  1. Die Belege für Eberhards Judenfeindschaft sind im Kontext der Zeit keineswegs drastisch. So hatte er ein ganz konkretes und nachvollziehbares Motiv für die Festlegung, keine Schutzjuden mehr in Tübingen zuzulassen (nur mit einem solchen Schutzbrief konnten Juden damals ein Gewerbe in einer Stadt betreiben). Die Kommission schreibt:

„Mit den „sonstigen Wucherern“, die in der Urkunde erwähnt sind, dürften professionelle Geldverleiher oder Kreditgeber gemeint sein, die – wie die sog. Lombarden im 14. Jahrhundert – „offen“ Geld gegen Zinsen verliehen. Die Erwähnung des „Wuchers“ macht auch die Motivation deutlich, die hinter der Verbotsformel vermutlich steht: Der Universitätsgründer wollte verhindern, dass die oft sehr jungen Studenten seiner neugegründeten Universität sich durch die Aufnahme von Krediten bei Juden und anderen Geldverleihern verschuldeten

  1. Außer dem Ansiedlungsverbot, das auch in seinem Testament verfügt ist, und dem Besitz eines Buches über einen Prozess gegen Juden, gibt es nichts, was über die Haltung Eberhards zu den Juden Auskunft gibt. Eberhard hat keine Gewaltakte gegen Juden, Vertreibungen oder gar Pogrome zu verantworten. Wieder ein Zitat:

„Zusammenfassend wird man auf die besondere Bedeutung von Eberhards testamentarischer Bestimmung einer Ausweisung der Juden für die weitere württembergische Politik nach seinem Tod hinweisen müssen – hierauf ist weiter unten noch zurückzukommen. Seine eigene Haltung kann man, soweit es aus den zur Verfügung stehenden Quellen ersichtlich wird, als judenfeindlich ein- schätzen, womit er sich jedoch in keiner Weise erkennbar von seinen Zeit- und Standesgenossen abhob.“

Wenn also die Universität Tübingen den Namen ihres Gründers nicht mehr führen soll, dann müssten alle alten deutschen Universitäten die Namen ihrer Gründer ablegen. Nach mehr als 500 Jahren würde eine hoffentlich sehr vergängliche Erscheinung des Zeitgeistes einen elementaren Bestandteil der Geistesgeschichte beseitigen. Ich halte das für grundlegend verfehlt. In letzter Konsequenz dürften wir überhaupt keine Personen mehr für eine Namensgebung heranziehen. Irgendeine Verfehlung wird man bei jedem finden. Bekanntlich soll niemand den ersten Stein werfen.

Müssen wir aber nicht mehr gegen den Antisemitismus tun?

Unbedingt. Meine Vorfahren bis ins 17. Jahrhundert liegen auf dem jüdischen Friedhof in Königsbach. Der ist nach Schändungen in den 90er Jahren mit einem hohen Zaun gesichert. Ich weiß, wie sich Antisemitismus anfühlt. Ich käme nie auf die Idee, dass diese Antisemiten sich auf Eberhard im Bart berufen oder von ihm inspiriert wären. Es ist einfach gar kein Beitrag zur Bekämpfung des Antisemitismus, Eberhards Namen zu tilgen oder die Rathausfassade im nächsten Schritt zu übermalen.

Hier kann man das ganze Gutachten lesen:

https://uni-tuebingen.de/…/Uninamensgutachten_final.pdf

Quelle: Boris Palmer

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