Keine Frage, wir haben Personalmangel. Leider nicht nur in der Kita, sondern auch bei Lokführern oder Verwaltungsangestellten. In fast allen Branchen fehlen Fachkräfte. Die Forderung, deswegen eine Obergrenze von 35 Stunden Betreuung pro Woche einzuführen, die daraus in der ZEIT hergeleitet wird, halte ich aber für grad so falsch wie die Forderung der GDL, die Arbeitszeit um 10% zu kürzen, weil sowieso schon nicht mehr alle Züge fahren können mangels Lokführer und Wartungspersonal.
Die Idee ist an sich schon arg gleichmacherisch. Eltern, die nicht arbeiten, und zwei Vollzeit arbeitende Fachkräfte, zum Beispiel Ärzte, Erzieherinnen oder Steuerfachleute hätten die gleiche maximale Betreuungszeit. Das verschärft dann unser Fachkräfteproblem weiter, weil Eltern die Arbeitszeit reduzieren müssen. Oder junge Leute treten in Kinderstreik. Langfristig auch keine gute Option und ein schwerer Eingriff in die Lebenspläne.
Es ist auch eine falsche Alternative. Es stimmt nicht, dass wir entweder Ganztagsplätze anbieten oder Kitaplätze für alle. Wir können auch die Kitas in sich reformieren.
Wenn es stimmt, dass wir nicht mehr genug Fachkräfte gewinnen können, dann kann der Tag in der Kita anders gestaltet werden. Bei 7 oder 10 Stunden am Tag muss nicht die ganze Zeit Bildungsarbeit gemacht werden. Kinder können auch einfach spielen und dabei „nur“ betreut werden. Wenn man den Gedanken akzeptiert, ist es möglich viel mehr Menschen einen Arbeitsplatz in der Kita zu ermöglichen. Aktuell arbeiten nur bei der Stadt Tübingen 60 solcher Zusatzkräfte, die nicht den Fachkraftstatus erreichen. Nach meiner Meinung müssen wir diese Reserve nutzen, damit alle Kinder einen Platz bekommen und der Preis nicht darin besteht, berufstätigen Eltern die Betreuungszeiten wegzunehmen, die sie brauchen, um den Beruf ausüben zu können.