Blutiges Ende einer lesbischen Beziehung – Die Bluttat von Senden bei Münster im Jahr 2015

tatort verbrechen messer teppichmesser, Quelle: kalhh, Pixabay License Freie kommerzielle Nutzung Kein Bildnachweis nötig

Am 7. Oktober 2015 tötete die 18-jährige Megi B. ihre 17-jährige Liebespartnerin Melina R. Es war eine entsetzliche und brutale Tat im Blutrausch. Der zuständige Staatsanwalt Ralph Hinkelmann sagte dazu bei seinem Schlussplädoyer: „Es ist ein zutiefst erschütterndes Verbrechen, was in der Geschichte des Strafverfahrens in Münster so ohne Beispiel ist.“ Mit einem Keramikmesser, dessen Klinge zehn Zentimeter lang war, fügte Megi ihrer Ex-Geliebten 49 Stiche zu, die ersten in den Rücken, schließlich 41 Stiche ins Gesicht. Vor allem das Gesicht sollte wohl entstellt und zerstört sein. Dieses blutige Ende einer gescheiterten Liebe, ein Drama zwischen zwei Jugendlichen, erregte Aufsehen in der gesamten Bundesrepublik und wurde auch in überregionalen Medien ausführlich diskutiert. In der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ verfasste Daniel Müller (2016) ein ausführliches Dossier unter der Rubrik „Recht und Unrecht“.

Vier Jahre lesbische Beziehung und Hochzeitspläne

Megi und Melina waren Klassenkameradinnen in der Edith-Stein-Hauptschule in Senden bei Münster. Melina war bereits Schülerin dieser Schule und Maggie ist im Jahr 2010 nach einem Wohnortwechsel neu in ihre Klasse gekommen. Sie freundeten sich schnell an und wurden bald ein Liebespaar. Die Mutter Melinas wusste von dieser Beziehung und sagte: „Als Melina dann vierzehn war, hat sie mir gesagt, sie seien jetzt zusammen.“ Die neue Schülerin ist ein Jahr älter und einen Kopf größer als die meisten Schülerinnen der Klasse. Megi wurde bald zur Meinungsführerin und zum „Leitwolf“ der Klasse. Beide Jugendlichen hatten Migrationshintergrund. Melinas Eltern kamen 1992 aus Kirgisien nach Deutschland, Megis Eltern kamen 1996 aus Polen hierher. Die Beziehung zwischen Melina und Magi wurde immer enger und sie schmiedeten sogar Hochzeitspläne.

„Chronik einer fürchterlichen Liebe“

In seinem ausführlichen Dossier charakterisiert Daniel Müller (2016) die lesbische Beziehung zwischen Megi und Melina, die bald vor allem Melinas Eltern Sorgen bereitete. Megi hatte seit dem 11. Lebensjahr fast keinen Kontakt mehr zu ihren Eltern, war Heimkind und unter Betreuung des zuständigen Jugendamtes. Die Eltern Melinas hatten das Gefühl, dass ihre Tochter der sehr dominant auftretenden Megi hörig sei. Die Beziehung war wohl stark geprägt von Abhängigkeit und Manipulation. Sehr ambivalent und zunehmend aggressiv wurde die Beziehung zwischen Megi und Melina, als Melinas Schwester schwanger wurde und Melina immer begeisterter von deren Baby erzählte. Sie sprach nun manchmal davon, dass sie vielleicht doch mal später eine Familie mit einem Mann und Kindern haben möchte. Bei Megi lösten solche Äußerungen massive Wut und Aggression aus. Es kam schließlich am Valentinstag im Jahr 2015 zu einer Trennung.

Psychische Dekompensation der späteren Täterin nach der Trennung                                        

Megi war äußerst empfindlich und verletzlich durch Trennungen. Denn gerade schmerzhafte Trennungen hat sie in ihrem Leben wiederholt hinnehmen müssen. Ihre Eltern hatten in ihrer frühen Kindheit schon wiederholte Trennungen und versöhnten sich dann wieder. Der Vater war Alkoholiker und verprügelte die Mutter oft. Die Mutter ging regelmäßig fremd und verprügelte Megi. In ihrem elften Lebensjahr trennten sich die Eltern endgültig und Megi kam in ein Heim. Die Schwester von Megi sagte im Gerichtssaal: „Megi war nie in ihrem Leben so glücklich wie mit Melina.“ Doch gerade dieses Glück ist für sie zerbrochen und sie konnte damit nur destruktiv umgehen. Zuerst überwog die autodestruktive Seite: Sie hatte Suizidgedanken – wie schon so oft in ihrem Leben – sie wurde depressiv, nahm Medikamente und fügte sich intensiv Selbstverletzungen durch brennende Zigaretten zu. Der ganze Körper war wie ein Schlachtfeld durch Brandnarben. Die autodestruktiven Tendenzen wurden zunehmend durchsetzt von Rachegedanken und Mordphantasien. Kurz, bevor sie schließlich getötet hat, schrieb Megi an eine Bekannte: „Ich bin so psycho wegen der, ich bring die um und fertig.“

Der finale Blutrausch am 17. Oktober 2015

An diesem Abend trafen sich Melina, eine ihrer Freundinnen und Megi. Sie gingen zuerst in ein Mac Donald-Restaurant essen und dann in die Wohnung von Melinas Freundin. Dort tranken sie einiges an Alkohol. Morgens um 6.00 Uhr verließen Melina und Megi die Wohnung der Freundin. Auf dem Weg zum Busbahnhof fragte Megi Melina plötzlich: „Warum hast du mich verlassen, warum stehst du plötzlich auf Männer? Warum bist du so gemein zu mir?“ Dann stach sie mit voller Wucht Melina mit dem Keramikmesser in den Rücken. Die folgende Raserei und den Blutrausch beschrieb Daniel Müller in seinem Dossier wie folgt:

„Megi schleift ihre große Liebe vom Rasen eine Kellertreppe hinunter, trampelt auf dem noch lebenden Körper herum, die Leber reißt. Mit einer rostigen Zange schlägt sie ihr mehrere Zähne aus dem Kiefer. Siehst du, was du gemacht hast! Megi setzt sich auf Melina, legt beide Hände fest um ihren Hals und würgt sie, mindestens drei, wahrscheinlich fünf Minuten lang. Zum Schluss rammt sie ihr das Messer immer und immer wieder ins Gesicht. Es ist ein Overkill. Ein Schlachtfest.“

Die forensischen Gutachter beschreiben die traumatisierte Psyche der Täterin

Der forensische Psychiater Norbert Leygraf und die Psychologin Christina Kruse sprachen elf Stunden mit der Täterin Megi. Sie fanden eine „geschundene Seele“, eine traumatisierte Jugendliche, die überwiegend durch Gewalt, Trennungen, Verlassenwerden und zahlreichen Umzügen „beschädigt“ wurde. Bei diesen „desaströsen Entwicklungsbedingungen“ gab es keine Liebe und keine Zuwendungen. Die Gutachter diagnostizierten eine Borderline-Persönlichkeitsstörung (emotionale instabile Persönlichkeitsstörung) mit ausgeprägten dissozialen Zügen und erheblichen Gewalttendenzen.

Die juristische Aufarbeitung

Im Mai 2016 fand die Gerichtsverhandlung an der Jugendstrafkammer des Landgerichtes Münster statt. In der Anklageschrift wurde Megi Mord aus niedrigen Beweggründen vorgeworden. Im Laufe des Prozesses und nach Anhörung der forensischen Gutachter verstärkte sich die Einschätzung des Gerichts, dass nicht die niedrigen Beweggründe eines Mordes vorlagen. Vielmehr habe eine traumatisierte und geschädigte Jugendliche keinen anderen Ausweg mehr gefunden. Selbst der Staatsanwalt plädierte auf Totschlag. Megi wurde schließlich zu sieben Jahren Jugendhaft verurteilt, verbunden mit der Auflage einer Unterbringung in der Psychiatrie.

Literatur:

Fenner, Marion (2016) Täterin muss in eine Psychiatrie. Mordprozess vor Landgericht. Allgemeine Zeitung, Ausgabe Münsterland vom 25.5.2016

Müller, Daniel (2016) „Das blutige Ende einer Liebe“. DIE ZEIT vom 25. Mai 2016

Schulz, Benjamin (2016) Zitternd, weinend und dann völlig kalt. Mordprozess gegen 18-jährige. Der Spiegel vom 21.4.2016

Korrespondenzadresse:

Professor Dr. med. H. Csef    

Schwerpunktleiter Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Zentrum für Innere Medizin

Medizinische Klinik und Poliklinik II

Oberdürrbacher Straße 6

97080 Würzburg

E-Mail-Adresse: Csef_H@ukw.de

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Prof. Dr. Herbert Csef, geb. 1951, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychoanalytiker. Studium der Psychologie und Humanmedizin an der Universität Würzburg, 1987 Habilitation. Seit 1988 Professor für Psychosomatik an der Universität Würzburg und Leiter des Schwerpunktes Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des Universitätsklinikums. Seit 2009 zusätzlich Leiter der Interdisziplinären Psychosomatischen Tagesklinik des Universitätsklinikums. Seit 2013 Vorstandsmitglied der Dr.-Gerhardt-Nissen-Stiftung und Vorsitzender im Kuratorium für den Forschungspreis „Psychotherapie in der Medizin“. Viele Texte zur Literatur.