Raffiniert. In Corona-Zeiten zwei Opern auf einen Sitz zu bringen. Nicht hintereinander. Schön im Experimental-Mix. Ineinander verschachtelt. Und schön kurz. Ohne Pause. 9 Minuten mehr als die versprochenen 90. Geschenkt. Nein: Schade. Denn was Andreas Wiedermanns Ensemble „Opera Incognita“ einem brav Abstand haltenden und erst zu Beginn der Aufführung demaskierten Publikum bot, hätte gerne länger dauern dürfen.
Auf dem Programm: Albert Lortzings letztes musikdramatisches Werk „Die Opernprobe“, nach dessen Vollendung 1851 ihm, dem Meister von „Zar und Zimmermann“ und „Undine“, ein Schlaganfall den Tod brachte und Eugen d` Alberts Musikalisches Lustspiel „Die Abreise“, uraufgeführt 1889, wie „Die Opernprobe“, in Frankfurt am Main – zwei Einakter, die kaum jemand kennt, weil sie kaum irgendwo auf dem Spielplan stehen. Wiedermann machte sie zu einem bezaubernden Augen- und Ohrenschmaus dreier exzellenter Musiker (Ernst Bartmann am Flügel, Julia Knapp mit der Geige, Alexander Weiskopf mit dem Kontrabass) und eines bestens aufgelegten, singspiel-freudigen Sextetts, kostümiert von Aylin Kaip und ins rechte Licht gerückt von Jan-Robert Sutter.
Das kann ja nur gut hinausgehen – der Auftritt der aufgekratzten, prächtig bei Stimme befindlichen Kammerzofe (Carolin Ritter) verströmte sofort Feierabend-Laune und lud zur Hauptprobe einer Opernaufführung beim Grafen Sowieso (Daniel Weiler) ein, für dessen blonde Tochter Louise der stimmkräftige Tenor in Gestalt des Baron Reinthal (Thomas Paul) sich gleich (und auch im Folgenden) mächtig ins Zeug legte. Das Dienstpersonal des Gastgebers mit Diener Johann (Manuel Kundinger) und Adlatus Martin (Thomas Greimel) war in Dauer-Erregung damit beschäftigt, sich in Liebesdinge zu verstricken. Unversehens wurde zur „Abreise“ gepfiffen.
Lortzings eklatantes Spieloperntalent in Ehren – die eigentliche musikalische Entdeckung war, auch in szenischer Hinsicht, von der wunderbar hohen, vom aufgeregten Rot ins sanfte Himmelblau wechselnden Sichtziegel-Apsis der Münchner Allerheiligenhofkirche mitgetragen, das Dreipersonenstück „Tiefland“-Komponisten Eugen d`Albert: Leuchtend-sehnsüchtige, blühende Klänge, gefühlvoll ohne Kitsch-Anflug vom Musiker-Trio zu Gehör gebracht, untermalte die Unterhaltung der beiden liebes-unsicher gewordenen ältlichen Eheleute, in deren Beziehung sich eine Männerfreundschaft einzuschleichen drohte. So gern der Mann sich mit dem Spezi auf Reisen begeben wollte – am Ende blieb er. Bleiben statt Reisen. Corona lässt grüßen. Endlich durfte die stilsichere Ines Bergk ihren samtweichen Sopran verströmen.
Ein rundum beglückender Abend: mit diversen Anspielungen auf Corona-Enge wie auf die sich leidig ausweitenden politischen Querelen, mit vom Regisseur geschickt eingestreuten Gags (Beispiel: die von der treusorgenden Gattin in den Reisekoffer ihres Mannes geschmuggelten warmen Socken), mit der reifen Bühnenpräsenz des ganzen Teams. Für diesen Abend gilt, im Gegensatz zum Bleiben des Gatten, die Empfehlung an das Publikum: Reise es an zu den Aufführungen: Samstag, 5. und Sonntag, 6. September, 17 Uhr und 20.30 Uhr. Tickets unter Telefon 089 / 54 81 81 81. Es werden nur 103 Sitzplätze vergeben. Am besten paarweise bestellen!
Foto Hans Gärtner
Ob ich dich liebe, fragst du mich. / Du musst die Sterne fragen. Szene aus der Inszenierung „Die Opernprobe“/„Die Abreise“ der „Opera Incognita“ in Münchens Allerheiligenhofkirche