Mit gleich zwei Neuerscheinungen wartet das Oberhaupt der katholischen Kirche, Benedikt XVI., im Buchherbst 2008 auf. Nach seinem Weltbestseller Jesus von Nazareth, der heftig in die Kritik geriet, weil für viele Theologen die historisch-kritische Bibelauslegung zugunsten einer katholischen Lehrmeinung geopfert wurde, ist es nun das Thema Patristik, mit dem sich der Papst erneut, nun aber in kurzen Katechesen, auseinandersetzt. Die 26 Vordenker des frühen Christentums, die von Clemens von Rom bis zu Augustinus reichen, werden in einer auch dem Laien verständlichen Sprache vorgelegt, haben sie doch ihren Ursprung in den Mittwochsaudienzen des Pontifex.
Bereits am 8. November 2007 schrieb Benedikt XVI. in einem Brief an alle Bischöfe, daß sich die Geistlichen wieder intensiver mit den frühchristlichen Kirchenvätern befassen sollten. Wie das Kirchenoberhaupt betonte, müssen die Autoren der frühen christlichen Kirche wieder zum festen „Bezugspunkt“ für alle Theologen der Weltkirche werden. Die Auseinandersetzung mit den Kirchenvätern, so der Papst, bedeutet, „zu den Quellen der christlichen Erfahrung aufzusteigen, um deren Frische und Ursprünglichkeit zu kosten“. Mehr noch: Das „weisheitliche Erbe der heiligen Väter“ sei zugleich eine wesentliche Bereicherung für die modernen theologischen Reflexionen, denn, wie Benedikt XVI. am Beispiel von Johannes Chrysostomus zeigte, steht sein Leben und Handeln im Zeichen von gegenseitiger Solidarität, gehen Spiritualität und praktische Charitas hier eine Synthese ein.
Deutlich wird auch in der neuesten Publikation zu den Vätern, daß an der Einheit von Glauben und Wissen nachhaltig festgehalten, der moderne Wertrelativismus und die Flucht in den religiösen Aberglauben, in die Ersatzreligionen, auf das Schärfste kritisiert werden. Wie das Oberhaupt der Katholiken vor der Vollversammlung der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften betonte, steht die Schöpfungslehre nicht im Widerspruch zu den Erkenntnissen aus der Forschung. „Die Feststellung, daß die Schaffung des Kosmos und seine Entwicklungen letztlich vorausschauende Weisheit des Schöpfers sind, bedeutet nicht, daß die Schöpfung nur mit dem Anfang der Geschichte der Welt und des Lebens zu tun hat.“ […] „Wissenschaftliche Wahrheit ist selbst Teil der göttlichen Wahrheit und kann so der Philosophie und Theologie zu einem besseren Verständnis der menschlichen Person und der göttlichen Offenbarung über den Menschen helfen“, sagte der Papst.
Daß Ratzinger als versierter Kenner der frühchristlichen Kirche auftritt, hat gute Gründe. Schon früh promovierte er mit einer Arbeit über Volk und Haus Gottes in Augustins Lehre von der Kirche an der Theologischen Fakultät in München. Bereits 1958 wurde der 31 jährige Theologe Professor für Dogmatik und Fundamentaltheologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Freising. Die Bedeutung der Väter für die gegenwärtige Theologie hob er bereits 1968 in einem Artikel mit gleichnamigem Titel hervor.
Auch hatte Ratzinger als ehemaliger Kardinal der Glaubenskongregation vor Jahren einen Vortrag an der Sorbonne in Paris gehalten, wo er pointiert herausstellte, daß das Christentum sich als „vernunftgeleitete Aufklärung“ versteht, und das in der antiken Welt durchaus so verstanden wurde. So war es Justin, wie in der neuen Publikation über die Kirchenväter hervorgehoben wird, der im zweiten nachchristlichen Jahrhundert das Christentum als die Vollendung der Philosophie begriff.
Dennoch: Der der Kirchengeschichte gegenüber aufgeschlossene Leser vermißt in der neuen Publikation des deutschen Papstes die kritischen Töne, eine differenzierte Sicht auf die Väter, die neueste Forschungsergebnisse einbezieht. Es zeigt sich überdeutlich, daß Benedikt XVI. die Geschichte der Väter einseitig nachzeichnet, was ihm als Papst auch zusteht, nur wünschte man sich, bei dem sonst so versierten Intellektuellen, hier einen überkatholischen Blick, eben jenen kritischen Diskurs mit anderen Wissenschaftlern.
Diese Einseitigkeit einer aus einem Blickwinkel heraus gegossenen Geschichte der Kirchenväter verstärkt sich auch dann, wenn Ketzer des christlichen Glaubens wie Tertullian und Origenes in kurzen Katechesen bedacht werden. Anstößige Lehren, wie beispielsweise die des Origenes zur Eschatologie werden einfach übergangen. Statt dessen wird Origines’ Bibelauslegung und seine Auffassungen vom Gebet in den Mittelpunkt gerückt.
Katholische Lehrmeinung einerseits und kritische Wissenschaft andererseits laufen in dem Väterbuch auseinander. Der Versuch, aus dem Kontext der alten Kirche heraus, Glaube und Wissenschaft zu synthetisieren, um diese ideale Synthese der modernen Theologie voranzustellen, überzeugt nicht, was aber nicht darüber hinwegtäuschen sollte, daß sich seine Auseinandersetzung mit den Vätern – gerade in einer für die Theologie schwierigen Zeit – als gute Einführung in die Thematik lesen läßt.
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