So schaffen wir es nicht Zurzeit wird mit großen Kanonen auf Storch geschossen, dabei ist sie nur ein Spatz. Verblendet, armselig, ekelhaft, widerwärtig, menschenverachtend, kein Anstand, kein Verstand, zynisch – die Liste der Adjektive, mit denen Beatrix von Storch (wohlgemerkt von seriösen Journalisten, nicht von einem Internetmob) belegt wird, ist lang. Die CSU fordert jetzt sogar den Rücktritt, weil Beatrix von Storch „Wir schaffen das!“ getwittert hat. Das Argument lautet, sie habe die Opfer missachtet und deren Tod ausgeschlachtet. Nun ist der Tweet zweifellos der Versuch gewesen, aus der Vermutung, der furchtbare Amoklauf sei ein weiterer Anschlag eines Islamisten gewesen, politisches Kapital zu schlagen. Diese Vermutung hatten nämlich zu dem Zeitpunkt viele und die AfD lebt davon, dass sie die Partei sein will, die furchtlos dem Islam, der Regierung und den Systemmedien entgegentritt, um das deutsche Volk oder was sie dafür hält zu schützen. Man kann und darf das kritisieren. Aber ist die moralische Empörung überzeugend? Eine politische Forderung an ein Attentat zu verknüpfen und das möglichst schnell zu tun, war der CSU bisher keineswegs fremd. Sie hat damit regelmäßig die Forderung nach schärferen Gesetzen verbunden. Zum Beispiel nach dem Attentat auf dem Breitscheidplatz nach ziemlich genau 48h nach dem Tod von Anis Amri. „Auch der CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer mahnte schärfere Gesetze an. In einem Interview der „Passauer Neuen Presse“ sagte der Bundestagsabgeordnete, es sei „wichtig, einen neuen Haftgrund für Ausreisepflichtige zu schaffen, von denen eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht“. Amri sei für eine solche Haft „prädestiniert gewesen. Er war ein hochbrisanter Gefährder“, sagte der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion.“ Meine Partei hat solche Kurzschlussforderungen immer scharf kritisiert, sie könnte es also auch jetzt mit einer gewissen Berechtigung tun. Aber auch bei uns Grünen gibt es dieses Muster. Wann immer die NSU-Morde in den Medien sind, prangern wir das Versagen der Sicherheitsbehörden an, kritisieren die Sachsen dafür, auf dem rechten Auge blind zu sein und leiten daraus ab, wie der Verfassungsschutz reformiert werden muss. Nun gibt es einen eklatanten Unterschied für mich: Ich nehme der CSU die Besorgnis um die Sicherheit vor Gefährdern und meiner Partei sie Sorge vor dem Erstarken des Rechtsextremismus ab. Beatrix von Storch glaube ich einfach nicht, dass der Tweet irgendeinen anderen Zweck hatte, als der ihr und der AfD Aufmerksamkeit zu verschaffen. Das ist aber nur meine politische Meinung und es ändert nichts daran, dass ich der AfD zubilligen muss, dass vorschnelle Urteile und die Nutzung von Morden, Anschlägen und Unfällen zur Promotion eigener politischer Ziele in der Politik keineswegs neu sind. Aus diesem Grund geht nach meiner Überzeugung die ganze moralische Empörung ins Leere. DIe AfD-Anhängerschaft wird natürlich gezielt auf solche Doppelstandards hingewiesen und damit fällt die Glaubwürdigkeit der Kritik in sich zusammen. Was bleibt ist die Gewissheit, dass die „Systemmedien“ und die „Systemparteien“ sich gegen die AfD verschworen haben. Die ganze Empörung schweißt die AfD nur noch weiter zusammen. Aus diesem Grund kann ich von diesen Empörungsritualen nur abraten. Man sollte von Storch kritisieren, aber ohne Schaum vor dem Mund. Wahrscheinlich wäre aber ignorieren sogar besser. Sie hat „Wir schaffen das!“ getweetet. So what! Ohne mediale Resonanz sind das fünf Bytes in einem Ozean von Daten. Muss man daraus eine Werbekampagne für die AfD machen? Ich finde: Nein.