Insgesamt 14 Kunstwerke aus dem Besitz von Max Amann (1891-1957) haben die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen bei der Internetplattform Lost Art gemeldet. Es handelt sich um zehn Gemälde und vier Skulpturen, die nach 1945 als sogenannte »Überweisungen aus Staatsbesitz« in den Museumsbestand gelangt sind. Die Provenienzforscher der Pinakotheken konnten diese Kunstwerke nun dem nationalsozialistischen Parteifunktionär Max Amann zuordnen.
Zunächst Hitlers Vorgesetzter im Ersten Weltkrieg, gehörte Amann vor allem in den 1920er-Jahren zu dessen engen Vertrauten. So diktierte ihm Hitler etwa den zweiten Teil von »Mein Kampf«. Die Wahl des Titels soll auf einen Vorschlag Amanns zurückgehen. Bereits 1922 übernahm er die Leitung des Franz-Eher-Verlags, des Parteiverlags der NSDAP. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme spielte Amann damit eine Schlüsselrolle bei der Gleichschaltung und Lenkung der Presse. Als Verlagschef und Präsident der Reichspressekammer organisierte er den Aufbau eines gigantischen nationalsozialistischen Verlagsimperiums. Weit über 1000 Zeitungen und Zeitschriften gehörten schließlich zum Franz-Eher-Verlag – darunter neben dem »Völkischen Beobachter« auch die SS-Zeitschrift »Das Schwarze Korps« und »Der SA-Mann«. Allein die Tageszeitungen erreichten insgesamt eine Auflage von 14 Millionen. Da er nicht nur ein ansehnliches Gehalt bezog, sondern auch am Gewinn beteiligt war, machte diese Entwicklung Amann zum Multimillionär.
Typisch für die NS-Führungselite verwendete Amann sein Vermögen nicht zuletzt für den Erwerb hochwertiger Kunstwerke – vor allem Genremalerei des 19. Jahrhunderts. Zu seiner Sammlung gehörten etwa »Die Quacksalberin« von Anton Seitz, »Rinderhirte am Starnberger See« von Johann Adam Klein, »Rauferei vor der Schenke« von Heinrich Bürkel oder »Die Kartenlegerin« von Eduard Kurzbauer. Diese und alle weiteren nun gemeldeten Kunstwerke waren einst Teil der Ausstattung von Amanns Villa in St. Quirin am Tegernsee, die kürzlich als Beispiel für NS-Herrschaftsarchitektur unter Denkmalschutz gestellt wurde.
Nach Kriegsende wurde Amann im Zuge der Entnazifizierung als Hauptschuldiger eingestuft, in einem Arbeitslager inhaftiert und enteignet. Die Kunstwerke wurden schließlich von der Bundesrepublik Deutschland den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen übergeben. Konkrete Hinweise, dass sich darunter auch Raubkunst befindet, liegen derzeit nicht vor. Da dies momentan aber dennoch nicht völlig ausgeschlossen werden kann, erfolgte nun die Meldung bei Lost Art. Die Provenienzforscher der Pinakotheken setzen ihre Recherchen außerdem fort, um die Unklarheiten über die Herkunft der Kunstwerke so weit wie möglich zu beseitigen.
Im Fall des Spitzweg-Gemäldes »Der Institutsspaziergang« aus dem Besitz von Hitlers Leibfotografen Heinrich Hoffmann, das die Pinakotheken im vergangenen Jahr bei Lost Art gemeldet haben, führten solche intensiveren Recherchen inzwischen zu weiteren wichtigen Erkenntnissen. Zunächst hatte hier ein Katalog des Auktionshauses Hugo Helbing auf einen Sammler mit den Initialen »F. M. in F.« als Vorbesitzer hingedeutet. Dass es sich bei diesem nicht näher bezeichneten Kunstliebhaber um einen jüdischen Sammler gehandelt haben könnte, der seine Bilder nach der nationalsozialistischen Machtübernahme unter Druck verkaufen musste, schien eine plausible Erklärungsmöglichkeit zu sein. Die Lösung des Rätsels brachte schließlich ein Exemplar des Auktionskatalogs mit ergänzenden handschriftlichen Anmerkungen zu Käufern und Verkäufern sowie Preisen, auf den die Provenienzforscher bei der Suche nach »F. M. in F.« gestoßen sind: Als Vorbesitzer und Verkäufer des »Institutsspaziergangs« ist hier nicht etwa ein jüdischer Sammler, sondern die hessische Adelsfamilie von Eschwege angegeben.
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