Barocke Gärten der Literatur, Eine europäische Anthologie.

Viele Garteninteressierte wird es freuen: Nun endlich liegt eine kleine Literatur zur Gartenkunst des Barocks vor. Zwar sind barockes Gartenideal, geometrische Ordnung und die großen Anlagen von Versailles oder Wien in aller Munde, doch selten sind es die literarischen Kleinode, die Theorien, das Amüsante und das Amouröse, das sich mit der gängigen Vorstellung von der starren Gartenkunst verbindet. Daß eine Kunst wie die des Barocks nicht mit Üppigkeit geizt, davon geben nicht nur die prachtvollen Gartenanlagen ein beredetes Zeugnis, sondern nun auch eine kleine Anthologie, die in der Dietrich`schen Verlagsbuchhandlung erschienen ist.
Werner von Koppenfels präsentiert in seinem Bestreben mit einer „reizvoll fremdartigen Poetik vertraut zu machen“, ein wohl arrangiertes und proportioniertes Bukett der Gartenliteratur, das sowohl Tassos Liebesgärten, Robert Burtons Gärten gegen die Melancholie als auch das berühmte Paradies lost von Milton in den Blick des Lesers rückt. Darüber hinaus wird auch deutlich, daß das Barockzeitalter nicht nur das des schwelgerischen Überflusses ist, sondern auch eines, in dem sich die Ambivalenz zwischen Lebensgenuß und asketischer Ein- und Umkehr findet, in dem das Leben mit dem Tod ringt, wo vita activa und vita contemplativa eine merkwürdige Wesensnähe zueinander aufbauen.

Auch wird ein Geschichtsbild korrigiert, das die barocke Kunst als ein flaches oder leichtes Medium behandelt, und dieser vorwirft, sich in bloßem Spieltrieb und reiner Zweckfreiheit zu verlieren und zu gefallen. Dagegen kommt ein barockes Naturverständnis zum Tragen, das den Garten als eine künstlerisch gestaltete Natur zweiter Ordnung hervortreten läßt, der nicht nur Spiegelbild einer göttlichen Ordnung ist, die sich in ihm repräsentiert, sondern der auch zum Ort wird, wo sich das Individuum als freiheitliches Subjekt entdeckt. Dieser Trend zur aufbrechenden Individualität zeigte sich auch in der Mode der damaligen Zeit, Grotten und Eremitagen anzulegen. Mittels ihrer sollte es dem Ich möglich werden, der Welt zu entfliehen, um sich in der abgezirkelten Natur selbst zu entdecken.

Gartenführer kamen insbesondere mit der zunehmenden Verbreitung der englischen Gartenkunst auf dem europäischen Kontinent in Mode, August Rodes Beschreibung des Fürstlich Anhalt-Dessauischen Landhauses und Englischen Gartens zu Wörlitz ist dafür sicherlich eines der renommiertesten Beispiele.

Mit von Koppenfels’ Anthologie Barocke Gärten der Literatur liegt nun auch für den barockbegeisterten Gartenbesucher ein dienstbarer literarischer Reiseführer vor, der einen guten Einblick in die damalige Lyrik und Prosa gibt, und der darüber hinaus mit lesefreundlichen Kommentaren versehen ist. Vieles hat der Herausgeber behutsam modernisiert und ins Deutsche übersetzt.

Nicht nur die innere Vielfalt der ausgewählten Texte beeindruckt und läßt das Buch zum geschätzten Reisebegleiter werden, auch das Format überzeugt, denn es ist handlich genug, um in jede Jackentasche zu passen. Statt sperrigem Kunstband nun endlich auch ein Buch für den rastlosen Gartenenthusiasten, der sich vom Gesehenen inspiriert, nun den in Koppenfels’ Sammelband enthaltenden 53 Gedichten, Vers- und Prosatexten in einer Eremitage oder Grotte zuwenden kann.

Hrsg. und übersetzt von Werner von Koppenfels. Dieterich'sche Verlagsbuchhandlung, Mainz 2007. 206 S., 24 Euro

Über Stefan Groß-Lobkowicz 2157 Artikel
Dr. Dr. Stefan Groß-Lobkowicz, Magister und DEA-Master (* 5. Februar 1972 in Jena) ist ein deutscher Philosoph, Journalist, Publizist und Herausgeber. Er war von 2017 bis 2022 Chefredakteur des Debattenmagazins The European. Davor war er stellvertretender Chefredakteur und bis 2022 Chefredakteur des Kulturmagazins „Die Gazette“. Davor arbeitete er als Chef vom Dienst für die WEIMER MEDIA GROUP. Groß studierte Philosophie, Theologie und Kunstgeschichte in Jena und München. Seit 1992 ist er Chefredakteur, Herausgeber und Publizist der von ihm mitbegründeten TABVLA RASA, Jenenser Zeitschrift für kritisches Denken. An der Friedrich-Schiller-Universität Jena arbeitete und dozierte er ab 1993 zunächst in Praktischer und ab 2002 in Antiker Philosophie. Dort promovierte er 2002 mit einer Arbeit zu Karl Christian Friedrich Krause (erschienen 2002 und 2007), in der Groß das Verhältnis von Metaphysik und Transzendentalphilosophie kritisch konstruiert. Eine zweite Promotion folgte an der "Universidad Pontificia Comillas" in Madrid. Groß ist Stiftungsrat und Pressesprecher der Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI.-Stiftung. Er ist Mitglied der Europäischen Bewegung Deutschland Bayerns, Geschäftsführer und Pressesprecher. Er war Pressesprecher des Zentrums für Arbeitnehmerfragen in Bayern (EZAB Bayern). Seit November 2021 ist er Mitglied der Päpstlichen Stiftung Centesimus Annus Pro Pontifice. Ein Teil seiner Aufsätze beschäftigt sich mit kunstästhetischen Reflexionen und einer epistemologischen Bezugnahme auf Wolfgang Cramers rationalistische Metaphysik. Von August 2005 bis September 2006 war er Ressortleiter für Cicero. Groß-Lobkowicz ist Autor mehrerer Bücher und schreibt u.a. für den "Focus", die "Tagespost".

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