Neben erklärendem Text weist das Buch Originalfotos aus Auschwitz auf . Manche klein und unscharf, alle schwarz-weiß. Doch man erkennt, was man erkennen soll. Der Text erklärt ausführlich, was man sieht. Doch niemand braucht eine Erklärung für das Unerklärbare. Man kann das ganze Buch nicht auf einmal durchblättern: Das Buch und sein Inhalt sind zu schwer.
Die fotografische Inszenierung des Verbrechens. Ein Album aus Auschwitz.
von Tal Bruttmann , Stefan Hördler , Christoph Kreutzmüller
November 2019
Academic in Wissenschaftliche Buchgesellschaft (WBG)
304 Seiten 60 €
ISBN-13: 978-3534271429
Es gab eine Zeit, da wurde Auschwitz nicht nur in Deutschland geleugnet. Diese Zeit ist momentan vorbei. Heute gibt es immer mehr Schüler, die nichts mit Auschwitz anfangen können (oder wollen), obwohl die Lehrer keine Mühen scheuen, über das Dritte Reich aufzuklären. Heute gilt geschichtsfest, dass in Auschwitz Juden vergast und verbrannt worden sind, weil sie Juden gewesen sind.
Zumindest momentan ist nicht davon auszugehen, dass sich für Juden Auschwitz wiederholen wird. Heute beginnt man zu erforschen, warum die potenten Siegermächte USA und GB nicht Auschwitz oder die Gleise dorthin bombardiert haben. Heute steht fest, dass es genügend Politiker und Militär gegeben hat, die über Auschwitz Bescheid gewusst haben, zumindest etwas geahnt haben. Es gibt technische und politische Gründe, das Vernichtungslager nicht anzugreifen. Es gibt auch antisemitische Gründe …
Die Verteidigungsarmee Israels wird gegründet, um die Aufgabe zu übernehmen, bei der die Siegermächte kläglich versagt haben. Nun kommt es darauf an, dass die Mächtigen der Welt dafür sorgen, dass die Todfeinde Israels keine Atomwaffen erhalten, um schnell und effektiv Auschwitz zu vollenden. Doch die Mehrheit der Mächtigen der Welt denken nicht daran, auch Deutschland nicht, obwohl es von überall „Nie wieder!“ ertönt.
Zu den auserwählten Fotografien:
Beeindruckend ist das Bild aus Seite 6, welches die Tordurchfahrt mit Gleis ins Vernichtungslager Auschwitz zeigt.
Das Foto auf Seite 24 zeigt ein Luftbild der South African Air Force, welches über Auschwitz-Birkenau bereits am 31.05.1944 aufgenommen worden ist. Das Foto ist von bester Qualität . Zudem zeigt das Foto auf Seite 47 ein Luftbild der Royal Air Force, welches ebenfalls über Auschwitz am 23.08.1944 aufgenommen worden ist. Beide Fotos sind ungewöhnlich scharf. Wer etwas Bestimmtes darauf erkennen will, wird es erkennen.
Seite 59: in Auschwitz wird nicht nur gearbeitet und gestorben, nachvollziehbar an der Villa der Familie Rudolf Höß.
Die Fotografien der ungarischen Juden berühren (ab Seite 75). Beim ersten Durchschauen soll man nicht allzu lange verweilen: Alle Bilder verdienen es, betrachtet zu werden. Demgegenüber rauschen die Texte am Leser vorbei. Die Ohren rauschen, die Augen weigern sich zu lesen.
Eindrucksvoll sind die Fotos auf den Seite 185, 187 und 206, die die Juden beim Ausstieg aus den Viehwagons an der Todesrampe zeigen. S. 206: Alte Frau mit Judenstern, S. 221: Eine Frau mit kleinen Kindern, die als erste wegen Arbeitsunfähigkeit vergast werden.
Ein alter Mann, der ebenfalls bald ermordet wird: oberes Foto auf S. 231.
Seite 244 zeigt die Aufnahme von Koffern der Deportierten; das rechte Foto auf S. 248 zeigt die Koffertransportliste, die akkurat durchgearbeitet worden ist. Die Schuhe (S. 253) hinterlassen einen bleibenden Eindruck.
Fotos von der Befreiung Auschwitzs sind nicht vorhanden.