Der Traum vom ewigen Frieden ist wieder einmal ausgeträumt. Militärische Konflikte und terroristische Aktionen breiten sich aus und kommen immer näher. Die Ein- und Anschläge haben längst Deutschland, Europa und den „freien Westen“ erreicht. Dabei waren wir uns nach 1989, nach der Auflösung des sowjetischen Imperiums, ziemlich sicher, daß sich künftige ideologische Differenzen, ökonomische Konkurrenzen und politische Machtkämpfe recht gut mit Dialogen neutralisieren ließen. Oder daß sie wenigstens nach pragmatischen Fairneßregeln eines freien globalen Marktes in zivilisierte Bahnen gelenkt werden könnten. Religiös-kulturelle Überzeugungen der irrationalen, fanatischen und aggressiven Art lassen sich freilich nicht nach dem diskurstheoretisch-ökonomischen Modell besänftigen. Sie schreien laut in der Sprache der Gewalt, auf die es nur die Antwort der Gegengewalt zu geben scheint. Was sich uns als Problemlösungsmodell anbietet, ist inzwischen selber zum Problem geworden. Unsere politisch-ökonomischen Eliten sind nicht nur „unmusikalisch“, sondern taub, wenn es darauf ankommt, die religiösen, kulturellen und auch moralischen Signale zu hören, die den Konflikten vorausgehen und sie begleiten. Mit „Realpolitik“ hat das, was wir auf den aktuellen Schlachtfeldern (Gaza, Ukraine, Syrien, Irak, Afghanistan, Nigeria, Libyen etc.) erleben und hoffentlich überleben, nichts mehr zu tun. Sondern nur noch mit einem verbissenen Fanatismus einerseits und einer krampfhaft-mechanischen Reaktion andererseits.
Der gute Friedenswille der Beteiligten, propagandistisch wirksam in Szene gesetzt, hat jedenfalls nie ausgereicht, ihn auch politisch-militärisch zu realisieren. Vielmehr diente er allzu oft zur Bemäntelung von Friedensvisionen, die nicht anders als durch Krieg zu verwirklichen waren. Kriege, so wußte es schon der heilige Augustinus, werden um des lieben „Friedens“ willen geführt. Hitler und Stalin, zwei der demagogischsten Friedensagitatoren, hätten ihre Eroberungspläne ohne Krieg verwirklicht, wenn man sich ihnen freiwillig unterworfen hätte.
Aber um welchen Frieden geht es hier? Wir waren und sind ja schließlich alle für den Frieden. Hände hoch, wer gegen den Frieden ist, sonst macht es peng peng. Unter der Bedingung einer „freiwilligen“, durch Drohung erzeugten Unterwerfung ist ein „Frieden“ freilich nicht das, was freiheitsliebende Christen und andere Bürger darunter verstehen. „Frieden“ ist mehr als das Schweigen der Waffen, das Fehlen der vis bruta, der brutalen Waffengewalt. Diesem „negativen“ Friedensbegriff diente zunächst recht ordentlich das west-östliche Gleichgewicht der atomar bewaffneten Weltmächte, denen es aus rationalen Selbsterhaltungsinteressen nicht ratsam erschien, einen Krieg zu beginnen. Das den „freien Westen“ benebelnde inklusive Denken ließ es leider vorteilhaft erscheinen, die Existenz von freiheitsfeindlichen Ideologien und kriegslüsternen Fanatikern gar nicht erst zur Kenntnis zu nehmen. Die aber preschen jetzt unter dem Vorwand, endlich „ihren“ Frieden zu bringen, gewaltsam voran.
Daß man die klassische katholische Lehre vom „gerechten Krieg“, die bellum iustum-Theorie, allzu schnell durch eine verwaschene Lehre vom „gerechten Frieden“ ersetzen zu können glaubte, erklärt – wenigstens in Deutschland – die ziemliche Ratlosigkeit, mit der kirchlich-politische Kreise auf die alt-neuen Bedrohungen durch einen „Islamischen Staat“ (IS oder ISIS)) reagieren. Hier läßt sich nicht viel mehr vernehmen als die regierungsamtliche Phrase, Deutschland müsse „mehr Verantwortung in der Welt“ übernehmen. Wenn sie sich dabei bloß nicht übernehmen. Gerade ein Krieg, den man nach den restriktiven Kriterien der bellum iustum-Theorie, die ja zur Einschränkung und Delegitimierung von Kriegen lehramtlichformuliert wurde, als wenigstens einigermaßen „gerecht“ auffassen könnte (was seinen Grund, sein Ziel, seine Mittel betrifft), verliert an Rechtfertigung in dem Maße, als sein Ziel offensichtlich überhaupt nicht erreicht werden kann. Jedenfalls nicht von einer Bundeswehr, der das komfortable Wohlbefinden der Truppe wichtiger ist als der Blutzoll, den sie bezahlen muß, wenn sie sich „am Boden“ im Kampf zu bewähren hat und nicht bloß Waffen für andere liefert, die ihren Kopf hinhalten.
Weithin ungeklärt bleibt die sozialethische Frage: Was ist Frieden – und was rechtfertigt Krieg? Aber das scheint eine rein akademische Frage zu sein, an der nicht einmal unsere christlichen Theologen interessiert sind. Sie, die islamischen Terroristen, sollen uns bloß nicht zu nahe kommen und unseren satten Frieden stören. Aber plötzlich rücken sie uns auf den Leib, und zwar mit solcher Wucht, die man von den dramatisierenden Fernseh- und Internetbildern sonst gar nicht gewöhnt ist. Der brutale Mord an James Foley, einem amerikanischen Journalisten, in Form einer feierlich zelebrierten Hinrichtung mit dem Schwert, war dann doch etwas zu viel für unsere schwachen Nerven. Und für unsere Toleranz, die sich sonst kaum für ähnlich altmodische Hinrichtungsarten in Saudi Arabien, Pakistan und anderswo interessiert, wo sich Guillotine, Gas und Giftspritzen als Errungenschaften westlicher Zivilisation offensichtlich noch nicht herumgesprochen haben. Die „Hinrichtung“ Foleys (und weiterer) traf nicht nur, sondern vor allem seine journalistischen Berufskollegen, die sich dann auch beeilten, über die im Irak, in Syrien und anderwärts vordringenden Terroristen des „Islamischen Staats“ kritisch zu berichten. Spät, aber vielleicht nicht zu spät.
Es sind die Jesiden, die Christen und die Kurden, die von diesen islamischen Mörderbanden ausgerottet werden sollen. Und das sollen sich die Christen weltweit gefallen lassen? Den islamischen Protesten glaube ich erst dann, wenn sie kein Geld mehr für diese Banditen über-
weisen, sondern Bodentruppen schicken.
Das Wort „Islam“ einfach mit „Frieden“ zu übersetzen, war wohl etwas verfrüht. Der nächste Schauplatz einer systematischen Christenverfolgung ist Afrika, nachdem der Nahe und Mittlere Osten weitgehend „christenfrei“ gemacht worden ist. „Unsere arabischen Verbündeten“ mit Waffenlieferung en zu unterstützen, läuft auf Selbstmord hinaus. Eher könnte man die Neigung verspüren, sogar „die Russen“ um Hilfe zu bitten.
© Die Neue Ordnung, 68. Jahrgang, Nr. 5/2014 Oktober
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