Die Römische Republik war beeindruckend. Sie hat im politischen Denken der nachfolgenden Jahrhunderte sehr viel direkter und stärker nachgewirkt als Athens Polisdemokratie. Das lag auch an der Faszination, die der Aufstieg Roms, die Eroberung Italiens bis ca. 270 v. Chr. und die anschließende Errichtung des Weltreiches bis ca. 130 v. Chr. hervorriefen.
Umso mehr beschäftige ihr Zerfall und ließ bereits den Menschen in der Antike keine Ruhe. War es der Machthunger der politischen Führerriege Roms, der wilde Wettbewerb zwischen prominenten Männern, der die Strukturen, die bisher für das Funktionieren des öffentlichen Lebens in Rom gesorgt hatten, destruierte? Oder trägt der römische Senat Schuld an der Zerstörung der Republik, weil dessen Senatoren keine gemeinsame Sprachen fanden? „Die Folgen ließen nicht auf sich warten: Blutige und lange andauernde Bürgerkriege brachen aus, und die Republik ging zugrunde.“, schreibt Zvi Yavetz.
Sei es nun die Krise in der Sklavenhaltergesellschaft, die Entstehung des Berufsheeres, der natürliche Prozess des Alterns und Verkümmerns, die Untauglichkeit der Polis (des Stadtstaates) Rom, ein großes Imperium anzuführen, das Fehlen eines „starken Mannes“ oder aber der „Niedergang der Sitten“, unterschiedlichste Forschungsansätze gibt es en mass. Der heute 85-jährige Autor, der während des Krieges nach Palästina floh und zu den Begründern der Universität Tel Aviv gehört, ist einer der bedeutendsten Althistoriker. Ihm geht es darum – wie den meisten modernen Geschichtsforschern – keine moralischen Bewertungen vorzunehmen, sondern zu verstehen, „was die Menschen im Altertum taten, wie sie agierten und mit welchem Erfolg sie mit den Problemen fertig wurden (oder nicht).“
Unter der Devise der Wiederherstellung der Republik (restitutio rei publicae) betrieb Augustus in Wirklichkeit deren dauerhafte Umwandlung in eine Monarchie in Form des Prinzipats. Er setzte dem Jahrhundert der Römischen Bürgerkriege ein Ende und begründete die julisch-claudische Kaiserdynastie. Seine Herrschaft mündete in eine lang anhaltende Zeit inneren Friedens, die als Pax Augusta verklärt wurde. Die rätselhafte, vielschichtige und umstrittene Gestalt des ersten Princeps und eigentlichen Begründers des Römischen Reiches fordert noch immer zu nuancierten Deutungen heraus.
Der Autor, dessen Buch offenbar Mitte der achtziger Jahre publiziert und jetzt übersetzt wurde – vermutlich aus dem Hebräischen, leider wurde dies seitens des Verlages nicht kenntlich gemacht – hat sein Buch in drei Teile gegliedert. Der erste – Ein Herrscher der eines natürlichen Todes starb (tatsächlich wurden die anderen Potentaten aus der Dynastie ermordet oder gaben sich selbst den Tod) – befasst sich mit der Ereignisgeschichte. Der zweite Teil – Die augusteische Gesellschaft – widmet sich sehr ausführlich der Analyse. Der dritte Teil – Der Herrscher und sein Erscheinungsbild – zeigt das Bild, das Augustus selbst von sich geben wollte.
Leider gelingt es Zvi Yavetz nicht in vollem Maße, den Anspruch einer schlüssigen und strukturierten Biografie gerecht zu werden. Der so genannte rote Faden wird zuweilen vermisst. Zeitliche Sprünge und Detailerörterungen überfordern den weniger kundigen Leser. Ein wenig mehr familiäre Hintergrundvermittlung des Großneffen und Haupterben Gaius Iulius Caesars sowie die Betrachtung der Rahmenbedingungen seines Aufstiegs hätte dem Werk sicherlich gut zu Gesicht gestanden. So lässt es den Status einer Biografie etwas vermissen, sondern agiert eher als Studie zur Biografie. Gleichwohl bietet es kritische Betrachtungsweisen und regt zu weiteren Diskussionen an. Umfassende Vorkenntnisse des Leser sind angebracht. Ein geschichtlicher Laie dürfte recht schnell mit dem Inhalt überfordert sein.
Zvi Yavetz
Kaiser Augustus. Eine Biografie
Rowohlt Verlag, Berlin (Januar 2010)
398 Seiten, Gebunden
ISBN-10: 3498073656
ISBN-13: 978-3498073657
Preis: 24,95 EURO
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